Ausgebremst oder Agaat und wie Milla die Welt sah

20141002-DSC_0664Mitten aus dem Leben! Mitten im Leben! In der Lebensmitte! Viel zu früh! Von Hundert auf Null! Ausgebremst!
All diese Metaphern implizieren so viel und reduzieren sich doch auf eine Kernaussage. Zu früh inmitten des Spasses wurde die Handbremse gezogen.
Den ganzen Sommer haben sich weltweit Millionen Menschen Eiswürfel über den Kopf gekippt. Fragt man nach dem Warum so lautet die wohl häufigste Antwort : “Ich bin nominiert worden.” Einen ganzen Sommer lang haben Freundinnen es Ihren Freundinnen übel genommen , wenn sie nicht nominiert wurden haben Nachbarn sich gestritten, wenn die Nominierung ausblieb. Einen ganzen Sommer lang nutzten A-D Promis IceBucketBühne für Aufmerksamkeit, Promotion und Werbung. Der kleine Mann fühlte sich nach seiner im SocialMediaSumpf verbreiteten guten Tat ganz gross.
Kaum jemand konnte sich wehren gegen den eiskalten Schwall. Denjenigen welche Ihre Nominierung zur IcebucketChallenge ablehnten wurde vorgeworfen unsozial zu sein. Diejenigen die dem Zwang nachgaben und sich das erfrischende Nass im Jahrhundertsommer 2014 über die Rübe schütten liessen, wussten leider in den wenigstens Fällen warum sie das taten und das eine anschliessende Spende wünschenswert wäre und nicht die Eiswürfel die Spende ersetzen. JA! Spenden ist freiwillig- das weiß ich!
ALS- amyotrophe Lateralsklerose. Die Diagnose ist gleichzeitig ein Todesurteil mit unbestimmten Vollzugsdatum.
ALS im Sommer 2014, in aller Munde. Auch in allen Köpfen?
Wer hat wirklich nach der eiskalten Dusche sein Onlinebanking aktiviert und der Charité oder all den anderen Institutionen Geld überwiesen? Eine Mär ist, das mit dem Eisschütten und dem Weitertragen der traurigen Wahrheit über diese unerforschte und schreckliche Krankheit genug getan worden ist? Alleine Eiswürfel in der Natur verteilen reicht nicht. Ja! Eiswürfel öffentlich verschütten bringt ein gewisses MAß an Aufmerksamkeit aber leider nicht zwingend das so dringend für die Forschung benötigte Kleingeld. Ne Rampensau sein ist cool. Noch cooler ist wenn es danach im Spendenbeutel klingelt.
ALS-die Diagnose ist ein Todesurteil, eine Nervenerkrankung in deren Verlauf die Muskeln nach und nach ihren Dienst versagen. Alle Muskeln – ganz am Ende das Herz.
Eine unerforschte Krankheit. Ob ALS vererbbar ist, ist genauso wenig geklärt wie die Ursache Ihres Auftretens. Faktisch kann es jeden treffen>>>Dich! Mich! Die da hinten- JEDEN! Und zwar jederzeit.
Agaat ist ein Buch das mit einer überbordenden Liebe zu einer alten Dame in überschwenglichen Bilder und bunten Reigen 500 Seiten lang das Schicksal einer Grande Dame in Südafrika erzählt. Eine Frau die mitten im Leben die Diagnose ALS bekommt und willensstark bis zu ihrem Ende versucht Milla Redelinghuys, Ihrer Sklavin Agaat die nach Abschaffung der Apartheit bei Milla blieb, um diese zu pflegen ihren Willen aufzuzwingen. Und Agaat nutzt die “Überlegenheit” um Ihrer Herrin ihre Welt zu zeigen. Milla versucht Agaat begreiflich zu machen das sie Landkarten aus ihrem Fundus möchte, einfach diese Karten möge Agaat ihr bringen. Die Karten! Einzig mit Augenzwinkern kann sie sich Agaat mitteilen. Im Laufe der Zeit hat Agaat ein sensibles Gespür für Millas Bedürfnisse entwickelt. Nur diesen Wunsch scheint Agaat irgendwie nicht verstehen zu können. Ein Buch das mit leisen Worten eine grosse Geschcihte erzählt und eine schreckliche Krankheit erlebbar macht. Das Gefesseltsein ans Bett, die immer wiederkehrenden Erstickungsanfälle, leblose Beine, Arme die nutzlos herumliegen, keine Stimme die laut um Hilfe bitten kann, geschweige denn singen, beten, flüstern, erzählen. Nichts geht mehr bei Agaats Herrin. Und trotzdem Agaat schreckliche Jahre unter der Rassendiskriminierung, besonders unter Millas hartherzigem Gatten JAK, litt bleibt sie im Hause Ihrer Missie und begleitet diese in einen würdigen Tod. Denn am Ende ist Agaat der einzige Mensch der sich noch in die Nähe der Patientin wagt. Beklemmungen und Berührungsängste im Umgang mit der Krankheit haben die Gäste schon vor langer zeit weniger werden lassen. Agaat- ein grossartiger schwerer und gleichzeitig bezaubernder Roman. Ich hab die 500 Seiten mit Unterbrechng lesen müssen so sehr hat mich das Schicksal der Protagonisten berührt.
Aber Agaatund Milla sind nicht meine eigentliche Motivation mich darüber zu echauffieren das wir alle mitspielen wollen, aber nur wenige bringen sich auch wirklich ein ins Spendenspiel. Vor Jahren habe ich auf Mallorca eine junge Frau kennengelernt. Eine die immer Spass hat, die glücklich ist mit sich und ihrer kleinen Familie und den Freunden. So eine junge frische Frau wie Du und ich und die da hinten. Ein fröhlicher Mensch mit Träumen und Sehnsüchten, mit Zukunftsplänen und Wünschen. Ein Tag in ihrem Leben veränderte den Weg und kürzte die Zeit die Ihr noch bleibt. Ein tag in ihrem Leben vielmehr eine Diagnose, ein Satz den der Arzt Ihr gesagt hat. Ich habe Heike nur einmal getroffen, doch als ich von Ihrem Schicksal hörte da war es plötzlich ganz nah! Heike ist irgendwo Mitte 30. Genauso alt wie meine Bekannte Suse, die von heute auf morgen alle motorischen Fähigkeiten in ihrem Körper verlor, weil ihr Hirn meint es müsste aus der Reihe tanzen und einfachste Dinge nicht mehr kommunizieren. Ursache unbekannt! Diagnose: Fehlanzeige. Und doch…. Mitten aus dem Leben! Von Hundert auf Null! Ausgebremst.

Sich der Situation stellen mit dem Leben das einem noch bleibt muss eine so unglaubliche Herausforderung sein. Etwas das ich nicht nachvollziehen kann. Ich bin beschämt angesichts der Kraft die diese Menschen jeden Tag aufbringen müssen um ihn zu bestehen. Da geht es nicht darum die Karriereleiter hinaufzuklettern, ein Paar neue Schuhe zu bestellen und weils so einfach ist gleich in verschiedensten Grössen, es ist auch unwichtig ob es heute der VeggieBurger, der Spinatsmoothie oder der rote Pulli sein sollen. Es geht auch nicht um ein erfülltes Liebesleben, die nächste coole Party, da skommende Urlaubsziel, Sport ist mindestens so nebensächlich wie ein Tanzkurs und trotzdem sind die Entscheidungen die diese Menschen Tag für Tag treffen müssen elementar, unabdingbar. Und JA! Sie haben definitiv auch ganz viel Spass verdient. Ich wünsche mir das sie an dem bisschen Leben das Ihnen am Ende bleibt Freude haben. Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen das sie lange autark leben können, das sie Mut fassen, Hoffnung, Freude empfinden.
Wenn ich Heike heute in den Medien sehe ziehe ich den Hut das sie die Kraft aufbringt für Ihren Jungen dazu sein und zu lächeln. Sehe ich Suse und den Trotz in ihren Augen dann ziehe ich den Hut. Vor all dieser Kraft sich gross zu machen und zu verlangen “Ich will…..!” Es ist Ihr Recht und es ist unsere Pflicht Ihnen diesen Wunsch vielleicht zu erfüllen wenigstens jedoch Ihnen zu helfen.
Und darum liebe Leute! Hilfe beginnt auch damit nach dem Eisbad das Onlinebanking zu aktivieren und drei Minuten Zeit zu investieren.
Denn morgen kann es sein das Du und Du! Oder auch ich mit einer dieser Diagnosen nach Hause kommen und Mitten aus dem Leben! Ausgebremst!

Spendenkonto Charité
Kasse der Charite
Berliner Sparkasse
IBAN:
DE53 1005 0000 1270 0055 50
BIC: BELADEBEXXX
Zweck: 89758004/ALS

Ab 200 Euro bekommt Ihr eine Spendenquittung. Darunter könnt Ihr den Betrag beim Finanzamt geltend machen.

Sofort verfügbar ist das gute Gefühl!

Weiterführende Informationen :  http://www.als-hilfe.org/index.html



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