Br.Wendelin hat Uwemba etwas hinterlassen, das in Tansania fast einzig dasteht: Eine Pferdezucht. Als er vor ziemlich genau einem Jahr in seine Schweizer Heimat zurückkehren musste, ließ er Zuchthengst Simba (der Name bedeutet “Löwe”) und drei Pferdepfleger zurück. Kurz vor seiner Abreise hatte er noch eine Stute an ein Ehepaar in Mbeya verkauft. Weil die Stute noch ein Fohlen säugte, blieb das Fohlen bei ihr, mit der Vereinbarung, dass es zu uns zurückkehren solle, sobald es nicht mehr saugen würde. Diese Zeit ist jetzt abgelaufen. Die neuen Besitzer der Stute haben keine Anstalten gemacht, mit Br.Robert, meinem jungen Namensvetter, dem neuen Leiter der Farm, in Kontakt zu treten. Da die neuen Besitzer einen unserer Pferdepfleger abgeworben haben, liegt der Verdacht nahe, dass er ihnen geraten hat, darauf zu spekulieren, dass Br.Robert nichts von dem Fohlen wüsste. Von dem Wechsel des Pferdepflegers haben wir übrigens nur dadurch erfahren, dass er nach seinem Urlaub nicht wieder bei uns zur Arbeit erschien.
Nachdem Br.Robert von den anderen beiden Pferdepflegern über das Fohlen informiert worden war, nahm er Kontakt auf, die Antwort lautete, sie würden das Fohlen uns gerne für 250.000 Schilling abkaufen. 100 Euro für ein Reitpferd ! Der junge Hund, Promenadenmischung, den er neulich einem örtlichen Lehrer abgekauft hat, hat 100.000 Schilling gekostet.
Br.Robert antwortete, er würde kommen und das Fohlen abholen. Da die neuen Besitzer Europäer sind, bat er mich, ihn zu begleiten. Um 12 Uhr mittags fahren wir mit dem Lieferwagen, der auch als Pferdetransporter dient, los – das Foto zeigt einen anderen Pferdetransport an unserer Tankstelle, mit Br.Robert, einem Pferdepfleger und Frau Clementina. Bei der Abfahrt frage ich, ob die neuen Besitzer eigentlich wissen, dass wir heute kommen. Br.Robert antwortet, es sei besser, wenn sie das nicht wüssten. Es ist in Tansania ziemlich üblich, auch in geschäftlichen Angelegenheiten unangemeldet bei jemandem vorbeizukommen, insbesondere, wenn es darum geht, Schulden einzutreiben.
Ich habe nicht bedacht, dass der Lieferwagen ziemlich langsam ist, und dass “in Mbeya” nach hiesigem Sprachgebrauch meistens bedeutet, “irgendwo im Bezirk Mbeya”, in diesem Fall konkret, anderthalb Stunden hinter Mbeya. Wir kommen gerade bei Sonnenuntergang an, siehe das Foto mit dem Blick auf das malerisch gelegene Gutshaus. Das Ehepaar wohnt inmitten der riesigen Avocado-Plantage, die es betreibt.
Der Empfang passt allerdings nicht zu der malerischen Abendstimmung. Der Hausherr ist nicht da, nur seine Frau und ein deutscher Medizinprofessor, der gerade zu Besuch ist. Wir bekommen zu hören, dass wir keine Kinderstube (“no manners”) hätten, und dass wir das Pferd auf keinen Fall heute mitnehmen können. Der Professor fragt zunächst freundlich, ob er als neutrale Person mit dazukommen dürfe. Er sagt mir dann, dass alle Weißen mich schneiden würden, wenn sie erführen, dass ich hier tansanisches Recht durchsetzen wolle (typisches Phänomen aus der Kolonialzeit: ein Weißer, der sich für Schwarze einsetzte, wurde aus der Gemeinschaft ausgestoßen). Dadurch, dass die Familie das Pferd gepflegt und geimpft hätte, erwürbe sie ja schließlich auch Eigentumsrechte. Das geht der Frau dann anscheinend doch etwas zu weit, sie sagt, dass sie keine Gauner (“crooks”) seien, und dass ihr Mann das Pferd nach Uwemba zurückbringen werde, wenn wir uns nicht einigen könnten. Ich lege sie auf einen Termin sechs Wochen später fest. Br.Robert ist damit nicht zufrieden, aber ich kann ihn davon überzeugen, dass wir ohne körperliche Gewaltanwendung nicht weiterkommen. Ich versichere der Frau, wenn ihr Mann nach Uwemba komme, werden wir ihn freundlich und zivlisiert empfangen. Das meine ich durchaus ernst, aber ich hoffe auch, dass sie die Spitze gegen ihren barbarischen Empfang versteht.
Br.Robert fordert am nächsten Tag per SMS von dem Ehemann unserer “freundlichen Gastgeberin” 2,3 Millionen Shilling (1000 Euro) statt wie bisher 2 Millionen, der Aufschlag als Entschädigung für unsere Fahrtkosten. Der bittet um eine ordentliche Rechnung und schreibt, er werde auch uns eine Rechnung für die Pflege der Pferdes zustellen. Ich antworte, dass von Anfang an vereinbart war, dass sie das Fohlen kostenlos pflegen, solange es saugt. Wenn er das anders sehe, könnten wir gerne bei einer Tasse Tee und der guten Wurst von Sr.Marciana in Uwemba darüber sprechen, nur solle er bitte das Fohlen mitbringen. Daraufhin bezahlt er.
Als wir von der Plantage abfuhren, hatte ich das Gefühl, alle Probleme zu verstehen, die es zwischen Afrikanern und Europäern gibt, und die vor allem in Simbabwe und Südafrika zu einer Menge Hass geführt haben. Ich verstehe beide Seiten: Natürlich ist es nicht “die feine englische Art”, unangekündigt bei Sonnenuntergang anzukommen. Auch kann ich eine gewisse Sympathie für die Frau empfinden, Mutter von zwei Töchtern, die in Tränen ausgebrochen wären, wenn ihr geliebtes Fohlen weggefahren wäre.
Andererseits hat das Ehepaar so ziemlich alle Fehler gemacht, die Europäer im Umgang mit Afrikanern machen können, angefangen damit, einen unrealistischen Preis zu bieten. In Tansania ist es üblich, dass man über den Preis verhandelt, aber das erste Angebot liegt oft nur 10 bis 20 Prozent von dem endgültigen Preis entfernt. 250,000 Schilling zu bieten für ein Pferd, das Millionen wert ist, muss ein Tansanier als Verstoß gegen die guten Geschäftssitten empfinden, oder als Zeichen dafür, dass die arroganten Europäer denken, mit dem Afrikaner könnten “sie’s ja machen”. Und gerade das mit der Arroganz ist seit der Kolonialzeit ein sehr wunder Punkt, denn viele Europäer haben auf die Afrikaner herabgeblickt, und manche tun das noch heute.
Ausflug in die Kolonialzeit
Autor des Artikels : rsk6400
Zum Original-ArtikelErlebnisse eines deutschen Mönchs im Alltag auf Kuba.