Wenn es trocken ist, durchquert Florian die Wüste lieber bei Nacht, tagsüber ist wegen der Hitze die Belastung der Reifen sehr groß. Aber es hat geregnet, und 20 km vor Marsabit geraten wir gegen Mitternacht in ein Matschstück. Am linken Straßenrand sind mehrere große LKWs abgestellt, deren Fahrer anscheinend den Morgen abwarten wollen. Florian hat inzwischen Vinzenz am Steuer abgelöst und fährt rechts vorbei – zu nahe ! Ein lautes “Gong” zeigt an, dass unser Laster gegen den stehenden gerutscht ist – Matsch ist die hiesige Entsprechung zu Glatteis. Noch ein “Gong”, dann sind wir vorbei, und die Seitenwand hat zwei Dellen mehr, wie wir am Morgen sehen. Kurz danach kommen wir an einem Kleinbus vorbei, der mit seinen zehn oder 15 Passagieren im Matsch steckengeblieben ist. Auch der Geländewagen, der im Straßengraben steckt, macht nicht gerade Mut zum Weiterfahren. Wir halten an, Vinzenz und Florian gehen ein Stück voraus, um die Lage zu erkunden. Dann beschließen sie, es zu versuchen. Gegen 2 Uhr sind wir in Marsabit und schlafen die paar Stunden, die von der Nacht noch übrig sind, im Lastwagen. Marsabit ist die Bezirksstadt, hier gibt es die letzte Tankstelle und die letzte Autowerkstatt. Außerdem gibt es ein paar Gaststätten, der Bischof hat hier seinen Sitz, aber alles ist sehr ländlich und dörflich. Nach dem Besuch beim Bischof und ein paar Einkäufen geht es am frühen Nachmittag weiter in die Wüste. Florian und ich steigen in den Geländewagen um, den er gerade in der Autowerkstatt abgeholt hat – ein altes russisches Modell, bei dem nur Dieselmotor, Fahrgestell, Lenkung, Getriebe und Bremsen funktionieren. Das reicht für Florian, schließlich hat er das Autofahren von seinem Onkel, einem Ralleyfahrer, gelernt. Zum Vorglühen hält Florian einen losen Draht an einen Knopf auf dem Armaturenbrett. Um Sechs trennen wir uns von Vinzenz und seinem LKW, weil wir einen Umweg über Maikona machen, um eine Schülerin mitzunehmen, die zum Ferienbeginn nach Hause fährt. Die beiden rumänischen Priester dort, sympathische Menschen, bei denen man sich sofort wohlfühlt, zwingen uns geradezu, an ihrem Abendessen teilzunehmen. Dann fahren wir weiter in die Salzwüste Tschalbi hinein. Nach einer halben Stunde – Wasser ! Der Regen hat die Piste überschwemmt, wir müssen umkehren. Insgesamt haben wir durch den Umweg zwei Stunden verloren. Florian zeigt jetzt, was er von seinem Onkel gelernt hat, und als wir um halb Elf in North Horr ankommen, ist der LKW uns nur 10 Minuten voraus. Die Pfarrei in North Horr wird von drei Augsburger und einem kenianischen Priester geleitet, es gibt eine Dusche, ein sauberes Bett und eine saubere Toilette. So gestärkt, stellt der vierte Reisetag dann kein Problem mehr da, die einzigen Ereignisse der gemütlichen Fahrt von morgens 11 bis abends um Acht sind eine große Straußenherde, viele Kamele und mehrmaliges Nachfüllen von Kühlwasser.
Ich bin also in Illeret, mit Blick auf den Turkana-See. Es gibt auch hier ein sauberes Bett, Dusche und Toilette. Außerdem gibt es regen Straßenverkehr – gestern habe ich zwei PKWs, einen LKW und ein Motorrad gezählt, und sogar Internet über Handy funktioniert. Und dann gibt es noch etwas, von dem ich schon zu Schulzeiten gelesen habe, das Turkana Basin Institute von Richard Leakey, dem berühmten Paläontologen (Fossilienforscher). Die heutigen Forscher gehen davon aus, dass irgendwo hier die Gegend war, von der aus sich die Menschheit in alle Himmelsrichtungen ausgebreitet hat, also die Mitte der Welt.
Das untere Foto zeigt die Wüste einige Stunden vor Illeret.