Die arabisch-islamische Expansion
Eigentlich wollte ich eine Kritik zu der von dem ZDF als Doku-Highlight des Jahres gepriesenem "Der Heilige Krieg" schreiben. Doch der Islamwissenschaftler Prof. Schöller kam mir zuvor und hat quasi all meine hier schon im Entwurf aufgeschriebenen Gedanken in Worte gegossen, so dass ich ihn nun zitiere werde, und meinen Entwurf gelöscht habe. Des weiteren gebe ich als Zugabe die Information, wie man sich denn islamische Expansion in etwa vorzustellen hat.
Nur soviel vorweg. Ich teile die Ansicht von Prof. Schöller, dass hier eine Chance vertan wurde, eine bessere Doku zu erstellen. Zumal beim Budget nicht gekleckert sondern geklotzt worden sein soll.
Und ich befürchte noch "schlimmeres" für die folgenden Dokus dieser Serie, schaut man sich die Literaturempfehlungen an. Sind diese noch für die erste Folge als gut zu bezeichnen, wechselt deren Qualität für die folgenden Serienteile doch deutlich.
Um es zu betonen: Was mich immer am meisten ärgert, sind faktische Fehler die zu vermeiden wären, würde man mal die Expertenstimmen nicht nur interviewen und irgendwie als schmückendes Beiwerk in die Doku einbetten, sondern sie bitten über das endgültige Skript des Autoren zu schauen.
Es zeigt sich das Bemühen, einerseits ein ausgewogenes Bild der islamischen Welt zu zeichnen, also nicht nur Blut und Terror des Islams zu zeigen, wie es seit Peter Scholl-Latour im ZDF üblich geworden war, andererseits wird gleichzeitig in den dargestellten Bildern das Gegenteil gemacht, indem zum Beispiel möglichst grimmig dreinblickende Schauspieler gecastet wurden, die die Mauren und Araber darstellen sollten. Weiterhin zeigt sich hier ein Geschichtsbild in dem Offsprecherkommentar, welches noch manchmal auf dem Forschungsstand der 1950er Jahre steckengeblieben ist, einerseits bei den Fakten, anderseits eine künstliche Dichotomie, also eine Überbetonung von "wir" gegen "die da unten" erzeugt wird, vor allem ein unzulässiger roter Faden von Tours und Poitiers bis zum 11. September gezogen wird.
Das fängt schon damit an, dieses Scharmützel um Tour und Poitiers als "Entscheidungsschlacht" hochzustilisieren, und dieses Ereignis überhaupt so groß zu thematisieren, andererseits betont die Doku, dass dieses Ereignis eigentlich relativ unbedeutend war für die arabisch-abendländischen Beziehungen.
Und hört damit auf, die Kreuzzüge in der Doku quasi mit der alten "Kirchenpropaganda" zu legitimieren, dass der Papst "nur" den freien Zugang zu den Pilgerstätten wiederherstellen wollte, und die geschändete Grabeskirche rächen wollte. Unterschlägt aber, dass zu der Zeit, wo der Papst dieses propagierte, schon Generationen (!) von Pilgern in eine schon vor Generationen wiederaufgebaute Grabeskirche (1009 zerstört, durch einen fanatischen schiitischen Fatimiden) frei pilgern konnte, also dieser konkrete Anlass nur ein Vorwand war. Wenn der Papst diese Gründe aufführte, dann log er bewusst seine Zuhörer an, denn ihm musste die Lage der christlichen Pilger zu seiner Zeit bekannt gewesen sein. Was anderes war die Lange des byzantinischen Reiches, welches durch die Seldschuken in die Defensive geriet.
Siehe Kreuzzüge im Schnelldurchgang hier im Blog, wo ich in etwa die wichtigsten Gründe aufzählte.
Und wieso sich auch in dieser Doku die Skript-Autoren gelegentlich über die zitierten Experten erheben, und nach dem Interview ihre eigene Sicht darlegen, mit dem Wort "dennoch" oder "aber" einleitend, bleibt nur ihr eigenes Geheimnis. Dabei sind durchaus honorige Experten für arabisch-islamische Geschichte geladen worden, was bei etlichen Dokus nicht immer der Fall ist, da oft auch Allgemeinhistoriker oder Generäle a.D. diese Rolle ausfüllen müssen.
Und geradezu lächerlich wird diese Doku, und die suggerierte Seriosität und der publizierte Aufwand, wenn man sich neben dem historisch nicht immer korrekten Equipment der Protagonisten - als gäbe es keinerlei Kataloge mit islamischer Kunst, Waffen, Ausrüstungen, etc - einige Computersimulationen anschaut. So wird zum Beispiel das neu gegründete Bagdad mit osmanischen Moscheenachbauten gezeigt (neben der Stilistik liegen 800 Jahre dazwischen!), so als würde man Paris statt mit dem Notre Dam, mit der Jahrhunderte später errichteten St. Pauls Kathedrale darstellen, oder mit der Sagrada Família aus Barcelona von Gaudi. Das zeigt einmal mehr, wie wenig Ahnung diejenigen haben, die die Gesamtleitung besitzen und alles zu überblicken und abzusegnen haben.
Aber ich breche hier mal ab, sonst schreibe ich noch genau dieselbe Kritik, die ich im Entwurf bereits verfasste, oder greife der sowieso unten noch folgenden Kritik zu viel vorweg.
Ich schrieb im Titel des Blogs "Ausbreitung des Islams mit "Feuer und Schwert"?" bewusst mit Fragezeichen.
Damit will ich auch die in dieser Doku (eher leise) anklingenden Mär ansprechen, dass die Religion des Islams sich mit Feuer und Schwert verbreitete, wie es in der Öffentlichkeit allgemein geglaubt wird. Also nach dem Motto: "Stirb, oder konvertiere zum Islam!"
Nein.
Man muss die territoriale Ausbreitung des arabischen und folgender Reiche trennen von der Ausbreitung der Religion des Islams.
Ich hatte dazu im Blog schon ein Gespräch aus einem Forum zu diesem Missverständnis gepostet, ein Missverständnis, welches sich wohl aus Erfahrungen mit christlichen Reichen speist, und dieses auf die islamischen Reichen unzulässigerweise übertragen bzw. pauschalisiert wird.
Islam eine Missionsreligion?
Trotz all der Kritik, die Prof. Schöller und ich gleichermaßen haben, müssen wir die Kirche auch im Dorf lassen, denn es ist einerseits nicht alles falsch, was in der Doku gesagt wird, erst recht nicht von den interviewten Experten, es gibt qualitativ sehr hochwertige Bilder, und man muss auch bedenken, dass wir schon wesentlich schlechtere Dokus gesehen haben. Immerhin wird ja erwähnt, dass die Religion oft nur Vorwand war, dass die eigentlichen Beweggründe nicht selten auch oder vorrangig Machtpolitik war. Oder Beute. Und dieses auf beiden Seiten. Damit bekommen wir gleichermaßen einen Einblick in den stattgefundenen oder stattfindenden Wandel des historischen Bildes des "Glaubenskriegers des Islams", also von der Vorstellung des Ghazi, des "islamische Ritters", der aufgrund seines Glaubenseifer so viel Erfolg bei der Gründung islamischer Reiche hatte, hin zu einer anderen Bewertung seiner Beweggründe oder der Erfolgsfaktoren bei der Expansion zum Beispiel des Osmanischen Reiches. Siehe z.B. die Wittek-Debatte.
Aber wie schon erwähnt, leider trotz GEZ-Millionen Chance vertan!
Hier kann man sich den ersten Teil der Serie Der heilige Krieg: Das Schwert des Propheten vollständig anschauen:
(Bitte Doppelklick auf das Fenster für Vollbildansicht)
Bitte hier weiter lesen: