aus einem fernen, fernen Land

H.- P. Schröder

aus einem fernen, fernen Land

Rene Margritte, 1950 – Die Arbeiten Alexanders

 

Wie alles anfing? Mit Raketen fing es an. Zuerst so zwei, drei die Woche. Sie verursachten keine großen Schäden. Aber die psychologische Wirkung müssen Sie sich vorstellen, die schlugen kreuz und quer ein, nicht voraus zu sehen, mal da, mal dort. Am Tag und in der Nacht. Die Regierung stellte ein Team zusammen, um die Vorfälle zu untersuchen und die Ursache herauszufinden.

Wir begannen vor 45 Jahren mit leeren Händen, alles noch ziemlich improvisiert, ohne Erfahrungen, auf die wir aufbauen konnten, vier Wissenschaftler, zwei Doktoranden, zwei Schreibtische und eine Sekretärin. Wir sammelten Informationen, jedes Fetzchen trugen wir zusammen, wir lasen alle Fachzeitschriften, alle wichtigen Tageszeitungen, wir schauten rund um die Uhr Fernsehen, wir nahmen Proben, vermassen Einschlagtrichter und sprachen mit Zeugen. Es reichte noch nicht `mal zu einem Denkansatz.

Wir zogen in ein größeres Gebäude, schafften eine zweite Sekretärin und mehrere Computer an. Wir wussten wo sie herkamen, aber nicht wieso. Als die Regierung nach zwanzig langen, ergebnislosen Jahren die Geduld verlor, sollte die Abteilung aufgelöst werden.

Und da gelang der Durchbruch. Kollege N. erschien eines Morgens mit der Bitte, daß sich alle im Konferenzraum versammeln sollten. Er erwartete uns, leicht gerötet, mit einem Stapel von Zeitungsausschnitten!

Wir dachten zuerst, er sei betrunken. Zugegeben, sein Vortrag war nicht flüssig, aber er war schlüssig. Am Ende herrschte Schweigen. Wir schauten uns an. Keiner wagte zu reden, alle sahen auf den Chef.

Der Chef dankte N. mit belegter Stimme, bevor er seine Verwunderung darüber äusserte, daß bisher noch niemanden der jenseits aller statistischen Unwahrscheinlichkeiten liegende Zusammenhang aufgefallen sei. Wir dachten: „Das gilt auch für dich“, aber niemand unterbrach ihn. Der Chef sagte, daß die Arbeit jetzt erst anfinge, denn obwohl ziemlich klar zu sein scheine, daß zwischen dem Fällen von Olivenbäumen und dem Einschlag von Raketen eine Beziehung zu bestehen scheine, blieben die Mechanismen in tiefstes Dunkel gehüllt und eigentlich hätte sich das Problem durch N.s Entdeckung eher vertieft anstatt geklärt.

Er schloß mit den Worten: „Seid wachsam und vermehrt euere Anstrengungen, nehmt euch ein Beispiel am Kollegen N., der nicht nur Zeitungen liest, sondern alle Zeitungen und der nicht nur Fernsehen sieht, sondern alle Sender. Gut gemacht N.! An`s Werk!“

Leider verhalf die neue Einsicht nicht dazu, eine Theorie zu formulieren und so verstrichen 8 weitere Jahre ohne Fortschritte. Unser gutes Verhältnis zur Regierung bekam einen Knacks, als sich herausstellte, daß sie uns frisierte Daten geliefert hatten. Das Auftreten von Raketen war nämlich kein neuzeitliches Phänomen, wie man immer behauptete. Nachdem dies bekannt wurde, dauerte es nicht allzu lange, bis sich herausstellte, daß dies auch auf das Fällen von Olivenbäumen zutraf.

Es kam zu Mißtrauenskundgebungen und zu schweren Fällen von eigenbrödlerischem Verhalten im Team. Manche weigerten sich, ihr Labor zu verlasssen.

Wir saßen auf einem Berg von Daten und sahen kein Land. Jede Nacht löste irgendwo irgendjemand Luftalarm aus, weil er glaubte ein verdächtiges Geräusch gehört zu haben oder weil der Nachbar eine dieser dicken kubanischen Zigarren auf dem Balkon rauchte.

Egal was wir versuchten, wir fanden keine Anhaltspunkte, die auf die Art der Korrelation zwischen dem Fällen von Olivenbäumen und der Ankunft von Raketen in unserem Land hindeuteten.

Unsere Nerven waren am Ende. Sechs Jahre nach dem Datenleak und vierzehn Jahre nach N.`s folgenloser Entdeckung, am 23. des Monats, schrien wir uns die üblichen Beschimpfungen zu, als sich ein zartes Stimmchen zu Wort meldete. Das zarte Stimmchen steigert seine Lautstärke, bis es nicht mehr zu überhören war.

Es gehörte der jungen Frau, die die Reagenzgläser spült. Spülte. Das war die Höhe. „Was bilden Sie sich eigentlich ein, wir sind hier mitten in einer Besprechung!“, begann der Chef, „uns zu unterbrechen! Sie sind wohl von allen Geistern verlassen… .“

„Entschuldigen Sie vielmals, es geht mich überhaupt nichts an, aber weil, aber weil,…“ – sie stotterte – „Genau“, brüllte der Chef ausser sich, „genau, es geht sie nichts an, nichts geht sie was an, verstanden ?“

„Ja entschuldigen Sie, es tut mir so leid…“ und dann begann sie zu schluchzen, was uns alle sofort beruhigte. „Na, na, wer wird denn gleich, was machen Sie hier überhaupt noch, haben sie nicht längst Feierabend ?“ , schwirrten die Stimmen durcheinander.

„Es ist doch nur, weil, weil, ich spüle doch schon seit Jahren ihre Gläser und da hört man doch vieles mit, ob man will oder nicht und, und ..“, sie schniefte,… „Haben Sie schon einmal daran gedacht, mit dem Fällen von Olivenbäumen aufzuhören?“

Man hätte einen toten Araber zu Boden fallen hören können, so still war es. Mit dem Chef ging eine erstaunliche Veränderung vor sich, er wechselte die Farbe von hellgrün zu weiß, dann sackte er zusammen und schlug die Hände vor das Gesicht. Er stand auf und verließ den Raum, ohne sich umzusehen.

Zwei Tage später kam ein Brief, in dem er anordnete, keine Aufzeichnungen anzufertigen und die Seite vom 23. aus dem Laborprotokoll zu reißen. Der Chef meldete sich krank. Herzprobleme.

In den nächsten Wochen mussten wir ohne ihn auskommen. Als wir anfingen, über die Olivenbäume nachzudenken, braute sich etwas zusammen, als wir darüber redeten, brach es aus.

Eine Hälfte lehnte es rundweg ab, den Gedanken überhaupt zu diskutieren und konzentrierte sich auf Argumente wie, „die kleine Spüle habe null wissenschaftliche Ausbildung und wäre gar nicht befugt gewesen, sich zu äussern, deshalb wäre es für Alle das Beste, den Vorfall als nicht geschehen zu vergessen.“

Die andere Hälfte forderte eine Untersuchung, mit der Zielvorgabe, zu untersuchen, ob die Einsetzung eines Aktionsuntersuchungskomitees gerechtfertigt sei. Zu diesem Zweck schlug sie die Wahl eines Komitees vor. Das war vor dreizehn Jahren.

Sie konnten sich nicht einigen.

Wieder einmal steht das Volk der überlegenen Intelligenz – hilflos – vor einem Rätsel.


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