Herzlichen Glückwunsch! Das Beratungsprojekt ist fast unter Dach und Fach. Einzig über die Details zu Infrastruktur & Logistik müssen Du und Dein neu gewonnener Kunde sich noch einigen. Grob hast Du es bereits durchgerechnet – pro Woche fallen rund 600 Euro Reisekosten an. Hinzu kommt die von Dir aufgebrachte Reisezeit. Wer trägt diese Aufwände? Du allein? Der Neukunde? 50:50 Split? Im Beitrag gehe ich auf die im Consulting üblichen Verrechnungsmodelle für Dienstreisen ein.
Reisezeit & Reisekosten clever abrechnen
Du bist fast am Ziel. Das Beratungsangebot ist nahezu gewonnen. Einzig der Punkt ‚Projektbedingte Dienstreisen‘ im Kapitel ‚Kommerziellen Bedingungen‘ steht noch zur Diskussion. Bei regionalen Kunden mit der Möglichkeiten zu Hause zu schlafen fallen Reisezeit und Reisekosten kaum ins Gewicht. Doch wie gehst Du bei entfernten Engagements vor? Schnell summieren sich hier die Ausgaben für die Reise auf über 200 Euro – pro Reisetag. Die mehrstündige An- und Abfahrt, die Pendelzeiten vor Ort und die vielen Reisestrapazen nicht mit eingerechnet.
Kunde oder Berater – mindestens einer muss die Reisezeche zahlen. Clever, wer da eine gute Verhandlungsposition besitzt und die verschiedenen Verrechnungsmodelle samt ihrer Vor- und Nachteile kennt.
Reisekosten mit dem Beratungskunden abrechnen
Modell #1: Der Unternehmensberater zahlt die Reisekosten
Im ersten der drei Verrechnungsmodelle übernimmt Dein Beratungsunternehmen die finanziellen Aufwände für die Dienstreise komplett. Ob Flug, Bahnfahrt, Mietauto, Hotelübernachtung, nationaler Tagestrip oder Langzeitreise – Du multipliziert die Anzahl der projektbedingten Reisen mit den Kosten je Trip und addierst diese zu Deinen Gestehungskosten hinzu. Der Kunde bezahlt einen Gesamtpreis, die Reiseaufwendungen liegen vollständig bei Dir.
- Mit diesem Modell hast Du vollständige Autonomie, wie und zu welchen Niveau bzw. Kosten Du reist.
- Für den Beratungskunden fallen keinerlei administrative Aufgaben an.
- Leider knabbern hohe Reisekosten für überteuerte Hotels sowie lange Anfahrten an Deinen Projektmargen. Gerade in wettbewerbsintensiven Mandaten kannst Du nicht alle Kosten auf den Kunden abwälzen. Dann reist Du entweder unter Deinem Standard oder berätst unter Deinem sonst üblichen Tagessatz.
2018 trainierte ich Mitarbeiter eines Spezialchemieherstellers in Frankfurt am Main. Der Kunde buchte ein All-inklusive-Paket. Die Anreise mit der Bahn und Übernachtung im Mittelklassekettenhotel organisierte und trug mein Unternehmen. Im Beratungsangebot machte ich dem Kunden beide Kostenpositionen transparent. Das gab dem Klienten die Möglichkeit den Angebotspreis in Relation zu den Aufwendungen zu setzen.
Modell #2: Der Kunde zahlt die Reisekosten
Bei diesem Modell reichst Du Deine Reisespesen 1:1 nach dem Trip beim Kunden ein. Ob Taxi-Quittung, Hotelrechnung oder Zugbillet – der Kunde bezahlt Deine Reise- und Übernachtungsauslagen, manchmal sogar auch für die Verköstigung unterwegs.
- Anders als zu Modell #1 belasten die Reisekosten nun nicht mehr Deine Margen, sondern zehren an den Consulting Budgets des Kunden.
- Allen Beteiligten ist klar, welche Aufwendungen für die Reise entstehen und welche für den Berater.
- Manche Kunden setzen Grenzen, mit welchen Beträgen eine Übernachtung bzw. eine Fahrt maximal zu Buche schlagen darf. Damit schrumpft Deine Flexibilität.
- Auch die Abrechnung von reiseübergreifenden Investitionen (z.B. BahnCard, Airline Kreditkarten, Projektappartments) oder reisevor-/nachgelagerte Aktivitäten (z.B. Kurzurlaub am Projektstandort, Nutzung Mietwagen für Privattrips nach Feierabend) müssen der Kunde und Du apriori abstimmen.
2017 begleitete ich einen Energienetzausrüster bei Mannheim in der Neuentwicklung von Geschäftsmodellen. Der Kunde bezahlte unsere Reisespesen, fixierte jedoch eine Obergrenze von 150 Euro pro Naht und 100 Euro für An-/Abfahrt. Für weitere Ausgaben am Standort musste mein Unternehmen selbst aufkommen.
Modell #3: Der Unternehmensberater reist wie ein Kundenmitarbeiter
Schließlich gibt es auch die Option, dass Du analog einem internen Firmenmitarbeiter reist. Der Kunde übernimmt erneut Deine Reisekosten – nur gibt er Dir die Übernachtungsmöglichkeit und Reiseverbindungen vollständig vor. Üblich ist dieses Modell insbesondere bei mittleren und großen Klienten. Diese verfügen über eine eigenen Reisebüro-Service, der Deine Business Trips für Dich organisiert.
- Wie beim Modell #2 greifen die Reiseaufwendungen nicht Deine Vergütung, sondern die finanziellen Mittel des Klienten an.
- Auch profitierst Du von kundeninternen Sonderkontingenten, beispielsweise der Fahrt in der ersten Klasse oder einer Übernachtung im Luxushotel.
- Im Gegenzug bist Du vollständig an die Reisestrukturen & – vorgaben des Kunden gebunden und verlierst an Flexibilität. Reisebuchungen am Wochenende? Abstieg im entfernten Hotel im Grünen? Flug zu einer alternativen Destination? Kaum möglich! Oft untersagen die strikten Reiserichtlinien der Kunden jede Abweichung vom Standard.
- Hinzu gesellen sich zusätzliche Sonderformulare und Abstimmungsaufwände. Individuelles Reisen mittels Buchungsportal und Smartphone App geht definitiv schneller.
2014 leitete ich ein Projekt bei einem Automobilhersteller in Niedersachsen. Übernachten durfte ich im 5-Sterne Hotel Ritz-Carlton Wolfsburg, die An- & Abfahrt bestritt ich in der ersten Klasse im ICE. Jede Dienstreise musste ich spätestens eine Woche vor Antritt angemeldet haben, kurzfristiges Umbuchen der Zugverbindung war nicht möglich.
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Reisezeit mit dem Beratungskunden abrechnen
Modell #1: Der Kunde vergütet keine Reisezeit
Im ersten Modell fallen die zeitlichen Aufwände für An- und Abreise vollständig zu Deinen Lasten. Fordert der Kunde obendrein Deine persönliche Präsenz während der Projektarbeit, dann kann bei langen Wegen rasch ein zusätzlicher Überstundentag in Deiner Arbeitswoche dazukommen. Dieser Zusatztag bleibt natürlich unvergütet.
- Dieser Modus bietet keinerlei Vorteile für Dich. Am besten Du nutzt die Reisezeit für Themenentwicklung, Marketing & Vertrieb oder andere Projekte.
- Speziell Kunden, für welche Zeit – nicht Ergebnis – die ultimative Größe im Projektalltag ist, fahren dieses Modell.
2015 begleitete ich einen Kunden in der Bankenbranche für die Vorbereitung einer IT-Systemabschlussprüfung nach IDW PS 330 Standard. Meine Anreise nach Frankfurt am Main begann Montagmorgen 5:30h, die Abreise Donnerstagnachmittag 17:00h. Der hohe Gesamtwert des Engagements kompensierte die nicht vergüteten Reisezeit von wöchentlich rund 8 Stunden.
Modus #2: Der Kunde vergütet die Reisezeit anteilig
Alternativ einigen sich der Kunde und Du auf eine anteilige Vergütung Deiner Reisezeiten. Liegt der ausgehandelte Satz beispielsweise bei 50 Prozent, wird Dir eine Reisestunde mit Deinem halben Stundensatz verrechnet. Alternativ vereinbart ihr einen fixen Betrag pro Reisetag.
- Mit diesem Modell erkennt ein Kunde an, dass Deine Reisezeit investierte Zeit in sein Unternehmen und seine Problemstellung ist. Ihr agiert bereits bei der Dienstreise auf Augenhöhe.
- Wiederum bist Du jetzt motiviert bereits während der Fahrt an Kundenaufgaben zu arbeiten. Schließlich wird Deine Zeit aus Achse anteilig finanziert.
- Der Kunde und Du möchten in diesem Modus Reisezeiten minimieren. Immerhin kostet der Business Trip beiden Parteien Geld.
- Einige Kunden bestehen darauf, dass Du ein Reiseprotokoll über die verwendeten Zeitumfänge führst. Für Dich sind das zusätzliche Aufwände.
2017 führte ich für ein Automobilhersteller im Großraum München mehrere Interviews im Themengebiet Prüfmittelmanagement durch. Die eingebrachten Reisezeiten bezahlte mir der Kunde mit 70 Euro pro Stunde.
Modus #3: Der Kunde vergütet die Reisezeiten vollumfänglich
Ebenfalls möglich ist die komplette Kompensation Deiner Reisezeit durch den Kunden. Will heißen: Dein Klient vergütet Deine Reisezeiten zum Tagessatz bzw. zu einem zuvor verhandelten Betrag. Aus meiner Erfahrung greift dieses Modell bei Langstreckenreisen ins internationale Ausland. Meist bezahlt der Kunde dann beides – die Reisekosten und die Reisezeit.
- Ein voller Reisetag ist ein voller Arbeitstag. Auch wenn Du (deutlich) weniger Kundennutzen leistest, als beim Regulärbetrieb im Büro.
- Wie beim Modell #2 erkennt ein Kunde Deine eingebrachte Zeit an. Du wiederum bist nun eher bereit auch während der Fahrt Energie in den Kunden zu stecken.
- Unter Umständen verlangt Dein Kunde ein Reiseprotokoll. Wie beim Stundenzettel bedeutet dies für Dich Extraarbeit.
Eine gute Kollegin wurden 2016 für ein Projekt nach China entsendet. Ihre Reise bezahlte der Kunde vollumfänglich. Auch kam er für die eingebrachten Reisezeiten auf.
Was Du tun kannst
- Vereinbare im Rahmen der Beauftragungsphase mit dem Kunden sowohl den Umgang mit Reisekosten als auch den mit Reisezeiten.
- Frage den Kunden, welche Verrechnungsmodelle bei ihm im Unternehmen üblich sind. Setzt gemeinsam auf diesen etablierten Abläufen auf.
- Falls Dein Kunde keine Verrechnungsmodelle besitzt, machst Du einen Vorschlag. Dieser ist aus Kundensicht formuliert, nachvollziehbar und einfach in der Administration.
- Erkundige Dich beim Kunden bzgl. Verträge mit Reise- & Übernachtungsanbietern. Speziell große Kundenunternehmen bieten oft attraktive Sonderkonditionen, die auch für Externe nutzbar sind.
- Sei bei der Verrechnung von Reisekosten &- zeit fair. Im Zweifel rundest Du im Sinne des Kunden ab. Klienten merken, wenn ein Berater mittels Spesen ein paar extra Euros dazuverdienen möchte.
- Rechne Reisekosten und Reisezeit unmittelbar nach Deinem Business Trip ab. Dann sind die Erinnerungen noch frisch bzw. sollten alle Nachweise noch vorliegen.
> Wie rechnest Du Reisezeit und Reisekosten mit Deinen Beratungskunden ab?
Ich freue mich über Deinen Kommentar!