Ein sozialkulinarisches Experiment der Fastenzeit von Tinker Tappe
Tag 1
Zunächst musste ich mit dem ersten Blick in den Kühlschrank erschrocken feststellen, dass nichts zu essen da war. Außer trocken Brot. Frustriert sah ich nun also die Magerine an und verfluchte das Wort “Buttermilch” das so groß und breit auf ihr ruhte… Buttermilch… aber naja, noch steht man ja am Anfang und wenn dann soll’s auch richtig gemacht werden. Also kein Frühstück. Uneeeendliches Leid!
Aber die Einkaufsliste war ja bereits getätigt und die Magarine gibt’s dann zum Milchkaffee am Wochenende. Was man sich nicht so als Fastenzeit-Werktagsveganer erlaubt.
Nach der ersten Schüssel 3-Korn-Crunch (das klang so niedlich^^) mit Soja-Vanille-Milch (danke Ralf, diese Milch hast du verbrockt) war die erste Nahrungsaufnahme erfolgreich absolviert. Ein wenig stolz und gar nicht mal so schlecht für den Anfang, das nächste Frühstück ist zumindest gesichert.
Später dann der schwerere Teil: Jetzt verstehe ich was sie mit geraspelt meinten… wirklich geraspelt – klitzeklein hacken war eine gute Idee mit schlechtem Abgang… aber… aaaaaaaaach, zur Not mache ich einfach die doppelte Portion, da fallen die Stückchen dann nicht mehr so auf. Warten und ziehen lassen…
Und alles nur, weil man Kichererbsen 12 Stunden vorher einlegen muss, wenn ich das gewusst hätte wäre meine spontane Stückelaktion wahrscheinlich geriebener gewesen. Aber naja, dann eben morgen Falafel.
Jetzt heißt es durchhalten bis Freitag. Aber zumindest gibt es Haferkakao und den Pudding auch als Soyavariante…
Tag 2
Haferkakao… oh ja, Haferkakao… das bringt einen durch einen Lernnamittag! Und während ich so fröhlich meine nicht Vegane Wolle am stricken war und mir den Rest Gemüselasagne hinein verleibte war ich bereits wieder belustigt über die allgemeine Veganerdebatte.
Da ich selbst das hier tue um einfach mal ein Gefühl dafür zu bekommen was vegan ist und was nicht, und vor allem wie das schmeckt, aber auch um der damit verbundenen Konversation zu lauschen – herrlich, ich sag’s euch. Fazit ist, von jeder Partei kommen immer die selben Argumente und man kann wenn man möchte bei Parteien bis zu einem gewissen Punkt widerlegen. Leider fängt jeder mit den selben schwachen Argumenten an, die die andere Partei dazu bringen Abneigung zu entwickeln.
Zu viel positive Verstärkung bei der ersten Möhre kann stark nach hinten los gehen, genau wie die ständige Erinnerung daran in veganen Augen ein Tiermörder zu sein – bei sowas entsteht eher Trotz und Unverständnis statt der “gewünschten Reflektion”.
Zu viel Abneigung gegen etwas nur weil es weder Fleisch noch Tierprodukte in sich hat ist genau so albern – schließlich muss mir mein Essen in erster Linie schmecken.
Das ist zumindest mein Tag 2 Standpunkt. Zeit für Tag 3.
Worauf ich nie verzichten könnte ist Wolle, die bei Benutzung genau so vegan ist wie Honig zu essen, auf den ich auch nicht verzichten will. Und das aus gutem Grund wie ich finde. Und wieder gibt es ein neues Diskussionsthema – Tatsache, ich bin und bleibe amüsiert darüber.
Die Gemüselasagne war vor allem Angebraten immer noch gut, aber irgendwas fehlt da noch… mal sehen, vielleicht komme ich drauf. Als Beilage ist das was feines, als Hauptgericht bin ich mir noch unsicher. Die nächste Aufgabe naht bereits: Falafel!
Aber egal was man macht, eins habe ich gemerkt – das Leben mit Gemüse braucht deutlich mehr Zeit, was Vor- und Nachteile hat.
Werden die Kichererbsen das einweichen überstehen?
Wird die selbstgemachte Falafelgewürzmischung dem Geschmackstest stand halten?
Werden die Bällchen rund?
Und überhaupt: Was wird es mit bei geben?
Tag 3
Was für ein Tag – zunächst ging er ganz friedlich los. Der nun doch zur neige gehende Auflauf (der unendlich schien) ging heute mit Zwiebeln und Mais in der Pfanne seine letzten Wege. Alles wird besser mit Zwiebeln und Mais… hehe…
Da in dem Falafelrezept eine Menge Sonnenblumenöl verlangt war und ich kein’s mehr hatte ging ich also in einen Laden – nicht irgendeinen, nein, einen Bioladen. Damit ich mir direkt diese “Hefeflocken” die es im Kaufland nicht gab besorgen konnte. Bioläden sind tatsächlich wie ich sie mir vorgestellt hatte. Etwas freiräumiger, bewusst etwas bunter, weniger Konservativ bis auf die Ordnung die keiner außer die am besten eingearbeiteten Mitarbeiter je vollkommen nachvollziehen konnten und definitiv preislich deutlich gehobener. Meinen Brokkoli habe ich dann doch lieber beim Aldi nebenan geholt. *Asche auf meinen Brokkoli*
Also ging ich aus dem Laden mit einer Miniflasche “Rotbäckchen – Lernstark” (steht so drauf und als reflektierter Mensch muss ich sagen: dann muss das ja stimmen!), Hefeflocken und neuem Soyapudding. Ihr glaubt garnicht wie schön die Erkenntnis zu Hause war
Aber zum Glück gibt es ja noch Mitbewohner, die einem Sonnenblumenöl mitbringen können Im Eifer des Gefechts verschwitzt.
Nebst meines Rechnungswesendebakels welches sich überhaupt nicht mit Kurzanekdoten von Lorio verträgt, weichten die Kichererbsen schweigend vor sich hin um gegen Abend dann liebevoll zermalmt zu werden.
Jetzt weiß ich, dass ein Stabmixer dazu nicht in der Lage ist. Ich schreibe es auf meinen Lebenserfahrungen die ich mir vorher hätte denken können Zettel. Zum glück gibt es noch das Hexeltöpfchen.
Auch die Masse an Öl ist mir immernoch irgendwie… Beatrice, werden wirklich die gesamten 300ml in den Teig hinein püriert oder bin ich einfach zu deppert das Rezept richtig zu verstehen? Ich habe jedenfalls nur 2/3 der Menge genommen…
Es schmeckt auch wirklich irgendwie nach Sonnenblumenöl auf der einen Seite – auf der Anderen muss man sagen mit Ajvar, Mais, Zwiebel (alles wird besser mit Zwiebeln und Mais ) oder sogar Ketchup (man probiert mal alles durch) auf Salat… joa, schlecht ist das trotzdem nicht. Ausfeilbar aber definitiv nicht schlecht. Und was wäre ich für ein Künstler wenn es nicht auch glorreich ausschauen würde. Vielleicht bin ich ein bisschen stolz.
Tag 3 und ich bin bereits ein wenig am Verzweifeln Morgen wird der Rest Teig verarbeitet – vielleicht nochmal ein wenig mehr Gewürze, ich werde das durchtesten.
Ich bin gespannt ob das jetzt immer so enden wird: ich teste ein Rezept in enormer Masse und bin die nächsten zwei Tage damit beschäftigt Abänderungen davon zu kreieren. Meine Mitbewohner haben zumindest immer mal wieder was mitgegessen, ganz miserabel kann meine Kochkunst also nicht sein.
Wieso heißen diese schweigsamen Kugeln eigentlich Kichererbsen?
Ein langer, langer Tag – morgen kommt wieder eine neue Herausforderung. Kombiniere Rechnungsabgrenzung mit Falafel á la Tinque…
Gute Nacht Welt! Bis morgen!
Tag 4
Guten Abend, guten Abend…
Wie es mir bislang erging: wir schreiben Tag 4, das Subjekt Tinker scheint nicht gesünder oder ausgeglichener als sonst zu sein, jedoch sieht man es öfter mit scharfen Messern auf bunte Nahrungsmittel zugehen was ihm sichtlich Freude zu bereiten scheint. Besondere Ab- oder Zuneigungen haben sich seit dem der Fokus einmal auf Käsekuchen, Kakao und Pfannekuchen gelegt hat, bis auf weiteres nicht verschoben…
Aber mal ganz ehrlich, ich bin froh, dass niemand in meiner Umgebung in letzter Zeit Pfannekuchen gemacht hat, da wär’ ich bestimmt schwach geworden
Was mir bislang schon ein wenig hart vorkam war der Dienstag Abend, an dem ich vor Schokosplitterkeksen saß und mein Kopf mir sagte: Das ist nicht vegan und es ist nicht Wochenende. Es ist so schwer nicht schwach zu werden… nein, kein Gemüse kann mir die Cookies ersetzen!
Aber Soyapudding ist ein guter Anfang.
Jetzt muss ich nur noch eine gute Lösung für Nutella finden…
Aber zurück zu aktuellen Dingen, des Mittags war es soweit:
Falafel Teil zwei… aber heute dann mal richtig!
Zunächsteinmal musste ich feststellen, dass man jedes Mal wenn man am Teller mit den Restfalafen von gestern vorbei ging danach eine auf mysteriöse Weise fehlte…
Dann kam die große Lernorgie – Klausurenphasen sind wirklich kein Spaß. Aber zumindest entstehen so Texte zu Käufern kubanischer Konkubinen welche asiatische Plagiate sein könnten… naja, vielleicht hierzu irgendwann mehr.
Wie immer wenn man also mit dem Lernen nicht mehr weiter kommt fällt einem plötzlich ein was man sonst noch alles tun könnte:
Schnell wurde der Restteig zu drei Teilen in Schüsseln verteilt, zwei mit Paprika (selbst püriert), zwei mit Knoblauch, eine mit Mais und dann nochmal mit Kräutermischungen – und voilà! Drei verschiedene Falafelsorten!
Nur die mit mehr Paprika wollte zunächst nicht, aber was zu flüssig wird wird mit Toastkrümeln angedickt bis es wieder passt, das hat meine Mutter zumindest immer in die Frikadellen geschmissen. Das scheint mit Falafeln ganz ähnlich zu funktionieren.
Der Dip bestand aus den restlichen pürierten Paprika die da so einsam herum standen… und dann kam noch ein wenig Knoblauch bei… und dann noch Mais… und Ketchup… und Gewürz… und Möhre… und Petersilie… und noch einmal püriert… man fühlt sich wieder wie ein Kind beim backen: schmeiß mal alles mit bei und eigentlich ist doch egal was heraus kommt, hat Spaß gemacht!
Überraschend hat es dann aber total gut geschmeckt! Zwar auch mit den Falafel aber am besten als Dip für Toastbrot, also wurde das zufällige Gemüsegemantsch gleichzeitig mein Abendbrot.
Was mir auffällt, seit ich das Experiment angefangen habe höre ich oft den Satz: “Kannst du das essen?” als ob ich eine starke Allergie gegen nicht-vegane Nahrung bekommen hätte. Faszinierend, aber auch irritierend. Auf der anderen Seite: wie soll man sonst fragen wenn man wissen möchte, ob ich bei den Gnokki mit esse oder nicht. Wenn man reflektiert über Dinge nachdenkt die einen zunächst empören stellt man öfter als man meint fest, dass man selbst nicht wüsste wie es besser auszudrücken wäre. Naja, zumindest in solchen Dingen…
Aber ich habe einen schönen Spruch gehört:
“Woran erkennt man einen Veganer? – Er sagt es dir!”
Darüber musste ich erst einmal nachdenken. Tatsächlich kenne ich viele Leute die mir zunächst einmal mitteilten, sie seien Veganer. Ist das nicht irgendwo eine Art automatische (wenn auch nicht bewusst gewollte) Distanzierung von allen anderen? Nicht, das das schlecht oder gut oder sonst irgendwas ist, aber irgendwie kommt es mir bei genauerem darüber nachdenken dennoch distanziert vor. Dabei ist doch die allgemeine Idee Inklusion in den allgemeinen Alltag. Oder ist der Inklusionsgedanke eher eine Art “Szeneding”?
Eigentlich sind das gerade zu viele Gedanken für einen Abend und müde wie ich bin werde ich mich morgen garantiert fragen was ich damit eigentlich sagen wollte. Sehen wir es mal als Denksatz für weitere Gedanken.^^
Soooo – nach dem ganzen gemüsegeschwemmten Frikadellen, Auflauf, Falafelzeug brauche ich mal wieder was festes… das heißt morgen keine Bratlinge.
Aber vielleicht Bratkartoffeln? Mit Zwiebeln und irgendwas veganes, das Tzatziki gleich kommt? Oder Ofenkartoffeln mit Aioli?
Oder ich bin faul: Nudeln mit Tomatensoße! Ich glaube ich brauche echt was mit weniger Aufwand, schließlich bin ich Student, da habe ich meinen schlechten Ruf zu verlieren.
Aber jetzt brauche ich vor allem erst einmal eine oder zwei Ohrenmützen voll Schlaf – gute Nacht und bis morgen!
Tag 5
Heute ist Freitag und nicht Samstag. Wenn man sich das oft genug vorsagt merkt man es sich irgendwann. So ungefähr ist zumindest heute mein Zustand. Den halben Tag durch die Gegend fahren und dann zu Hause ankommen um zu bemerken: “Mimimi ich weiß nicht was ich essen soll!”
Alle meine Pläne – dahin. Zu anstrengend, och nee, lieber nicht. Dann bin ich mal tief in mich gegangen und habe mich gefragt: Gäbe es denn etwas nicht veganes, dass du gerne essen möchtest? Aber anscheinend war es wirklich nur diese grundsätzliche Anti-Haltung die man bei Buchführung und Bilanzierung bekommt, die sich dann auf’s Essen abgefärbt hat.
Das schöne: ein, zwei Falafel kann man trotzdem immernoch nebenher snacken. (Jaaaa, ich habe unendlich viele gemacht! )
Mein Nahrungstag sah wie folgt aus:
Erstmal Toastfrühstück. Später am Nachmittag habe ich dann Tzaziki gemacht. Ich bin mir auch Sicher ich hatte einen Plan damit, aber den habe ich danach verworfen. Zumindest steht da jetzt Tzaziki. Das war eigentlich auch ganz lustig, ich habe mir drei Rezepte herausgesucht, mir überlegt was davon mir gerade zuspricht und diese dann gemischt. Und noch was Knoblauch, noch was Pfeffer, noch was Olivenöl… wer sich an Rezepte hält mag nur keine Überraschungen.^^
Ich wollte irgendwas mit Kartoffeln machen. Wobei eigentlich mit Pilzen. Am Ende wurden es die Ofenwedges mit selbstgewürztem Curryketchup. Vielleicht bin ich ein wenig inkonsestent… vielleicht mache ich mir aber später doch noch die Pilze… mit Zwiebeln und Tzaziki…^^
Was ich mir definitiv überlegt habe: ich brauche eine Alternative zu Soyamilch. Das ist mir einfach zu süß. Als Vanillemilch ist das ja okay, aber für alles andere brauche ich etwas, das mehr an normale Milch dran kommt. Ich meine ich liebe Milch, enorm und wirklich! Vor allem Morgens – meine Milch ist mir an schlechten Tagen immer ein Trost und ein treuer Begleiter gewesen – da kommt Soya einfach nicht dran.
Heute ist Tag 5 vorbei und als Werktagsveganer heißt das die nächsten Zwei Tage gibt es Kekse, Döner und Brokkoli.
Vermissen tue ich noch nicht so viel – außer Milch. Und Magarine, aber bei der war ich einfach nur zu dusselig sie zu besorgen.^^ Aber kochen macht Spaß. Auch die ganzen Diskussionen um mich herum bleiben spannend, man bekommt immer neue Gesichtspunkte mit.
Sollte die nächsten zwei Tage etwas spannendes passieren wird natürlich berichtet, ansonsten geht das Experiment am Montag in aller Frische weiter.
Ich wünsche euch ein schönes Wochenende und bis dahin!