to come out of the closet – sich outen (“aus dem Schrank kommen”)
Neulich bin ich auf einen Artikel zum Thema Bi-Invisibility gestoßen, der sich mit der Frage beschäftigt, ob Bisexuelle, die sich noch nicht geoutet haben, selbst Schuld daran sind, dass sie von einem Großteil der Gesellschaft nicht ernst genommen oder gar ignoriert werden. Als Schrank-Bisexuelle gab mir dieser Text ein wenig zu denken.
Meine Sexualität war für mich einerseits nie ein Thema, das ich mit Familie oder Freunden großartig ausdiskutieren würde. Andererseits mache ich aber auch kein großes Geheimnis daraus. Ich habe auch nie versucht meine Bisexualität zu unterdrücken. Selbst als ich noch in der Pubertät war und meine Gefühle mich mehr als verwirrten, haben die lustigen Stimmen in meinem Kopf nie gesagt, “Du bist ein Mädchen, du musst auf Jungs stehen.” Aber sie sagen mir auch nicht, “Du bist bisexuell und du musst es in die Welt hinausposaunen.”
Menschen, die Teil meines Sexuallebens sind, wissen davon. Für einige Freunde bin ich auch schon aus dem Schrank gekrochen, wenn es gerade zum Thema einer Unterhaltung gepasst hat. Jedoch hatte ich nie ein großes, schockierendes Coming-Out. Ich habe meine Sexualität beiläufig erwähnt und sie wurde bisher auch ebenso beiläufig akzeptiert. Keine große Sache. Meine Familie ist ahnungslos. Ich habe mich deswegen nie schlecht gefühlt.
Doch je mehr ich mich mit meiner Sexualität beschäftigte, desto mehr stellte ich mir die Frage, ob das der richtige Weg sei. Man liest und hört sehr viel über Menschen, die regelrecht darunter leiden, dass sie nicht hetero sind und deswegen nicht selten in eine tiefe Depression verfallen. Sie haben Angst vor Zurückweisung und unterdrücken deshalb ihre Sexualität. Leider ist diese Angst nicht immer unbegründet. Und irgendwie bekam ich ein schlechtes Gewissen. Ich fühlte mich schlecht, weil ich weiß, dass mein Umfeld nicht negativ reagieren würde und ich mich trotzdem nicht vor jedem Einzelnen outen möchte. Weil ich selbstbewusst genug bin zu sagen, dass meine Sexualität niemanden etwas angeht und ich wunderbar damit leben kann.
Der oben erwähnte Artikel weckte in mir zudem die Frage, ob ich andere Bisexuelle mit meinem Schrank-Dasein verrate. Bin ich nicht Teil des Problems, sprich Bi-Invisibility/Bisexual Erasure?
Andererseits: Ist das Coming-Out aller Bisexueller wirklich die Lösung? Fakt ist, dass eine bisexuelle Person in der Öffentlichkeit selten als solche erkannt wird. In einer Beziehung mit dem anderen Geschlecht werden wir von Außenstehenden als heterosexuell abgestempelt, in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung als homosexuell. Der Gedanke, dass mindestens ein Partner bisexuell sein könnte, kommt nur den Wenigsten.
Was meint ihr? Coming-Out von Bisexuellen zum Wohle der Gemeinschaft oder ist das Privatsache?
Eure