Aus dem Homeoffice (7) – Ein Schaufensterbummel durch das München der 1920er-Jahre

Die meisten Geschäfte in der Münchner Innenstadt sind mittlerweile wieder offen. Ein unbesorgter Schaufensterbummel bleibt jedoch undenkbar. Wo derzeit Abstand gehalten und nur das Nötigste besorgt wird, herrschte vor 100 Jahren geschäftiges Treiben. Warum also nicht einmal einen Schaufensterbummel in die Vergangenheit machen? Wir besuchen das Spitzenhaus „Rosa Klauber", zu dem zurzeit im Homeoffice eine Ausstellung entsteht.

Mode in der Krise

Zu Beginn der 1920er Jahre konnten die meisten Münchnerinnen und Münchner von den neuen Kreationen der Modeateliers nur träumen. Nach dem Ersten Weltkrieg waren die wirtschaftlichen Folgen noch deutlich spürbar, es kam zu Versorgungsengpässen und Inflation. Der Gürtel wurde buchstäblich enger geschnallt, vorhandene Kleidungsstücke umgeändert und aufgetragen. Anzüge und Mäntel aus alten Uniformen oder Heeresdecken waren keine Seltenheit.

Beim Schaufensterbummel durch die Münchner Theatinerstraße bot sich ein anderes Bild:

Ein Leben und Treiben wogt durch das Innere der Stadt, besonders durch die Theatinerstraße. Vor den hell erleuchteten Schaufenstern des Spitzenhauses Rosa Klauber wird halt gemacht und sehnsüchtige Frauenblicke richten sich nach den duftigen Geweben und feinen Spitzen aus Silber und Seidenstoffen in modernen Pastellfarben. (Allgemeine Zeitung, 11.11.1925)

In dem 1859 gegründeten Spitzenhaus „Rosa Klauber" wurde Spitze jeder Art angeboten, vom handgefertigten Einzelstück bis hin zur Meterware. Spitzendecken, -vorhänge und -gardinen, Kragen und bestickte Taschentücher waren hier zu bekommen, dazu Stoffe aus Waschseide, Crêpe de Chine und Batist. Die Schaufenster wurden zum Anziehungspunkt insbesondere für weibliche Kundschaft - so will es zumindest die Werbebotschaft.

Die schöne Sprache der Werbung verdeckt nicht, dass es insbesondere im Inflationsjahr 1923 für viele beim Schaufensterbummel und sehnsüchtigen Blicken geblieben sein dürfte.

„Die Kultur der Unterwäsche"

Mitte der 1920er-Jahre verbesserte sich die wirtschaftliche Situation für viele und auch in München war etwas vom Lebensgefühl der Roaring Twenties zu spüren. Tanzveranstaltungen, Maskenbälle und Theaterbesuche boten Anlass für große Garderobe. Das Spitzenhaus „Rosa Klauber" veranstaltete eigene Modeschauen und eröffnete 1927 eine zweite Filiale an prominenter Stelle am Münchner Marienplatz. Bald setzten die Inhaber des Spitzenhauses auf einen neuen Geschäftszweig, die Wäscheproduktion. In der Dachauerstraße 112 eröffnete die „Rosa Klauber Wäschefabrik", in der Damenwäsche aus Kunstseide hergestellt wurde.

Unter- und Nachtwäsche aus Baumwolle und Batist waren aus der Mode gekommen. In ihrem Buch „Auferstehung der Dame" wirft Paula Stuck von Reznicek einen humoristischen Blick auf die neue „Kultur der Unterwäsche". Für sie ist die Wäschemode ihrer Zeit Symptom eines neuen Frauenbildes:
Der doch etwas degenerierte Körper unserer Generation behauptet, keinen Batist, keine Baumwolle, kein Fil d'Écosse mehr zu vertragen, die Haut sträube sich ostentativ dagegen - fröstle und friere, jedoch Seide, Crêpe de Chine, Seiden-Georgette und künstliche Seide seien prädestiniert, Wohlbefinden, Wärme und Erfrischung zu erzeugen. Und deshalb - in der kleinsten Kommode, in dem prachtvollsten Kleiderschrank ruhen die weichen, zärtlichen Stoffe, die kleinen, modern zugeschnittenen Hemdhosen, die Schlüpfer, in Einzelfällen die fast überflüssig gewordenen Hemden und Untertaillen, die Nachthemden nicht zu vergessen. [...] Unser Jahrhundert ist typisch für die Verfeinerung der Sinne - Fingerspitzenerotik verdrängt primitiven Sexualtrieb. (Paula Stuck von Reznicek, Auferstehung der Dame, 1928, S. 43-44)

Die Produktion der „Rosa Klauber Wäschefabrik" wurde ein Erfolg und „Klauber-Wäsche" im In- und Ausland zu einem Begriff. Drei Generationen zuvor war Rosa Klauber, Spitzenhändlerin aus Böhmen, auf die sogenannte „Judenreihe" der Auer Dult gekommen und hatte 1859 einen kleinen Laden im Münchner Tal gegründet. Daraus war ein Unternehmen mit rund 200 Angestellten entstanden.

1938 wurde die Erfolgsgeschichte der Familie Klauber jäh unterbrochen. Rosa Klaubers Enkel wurden von den Nationalsozialisten als Juden verfolgt, das Spitzenhaus und die Wäschefabrik mussten sie unter Zwang an nicht-jüdische Geschäftsleute verkaufen. Anstelle von Damenwäsche produzierten die neuen Inhaber Ausstattung für die SS in Dachau.

Eine zufällige Entdeckung

Die Geschichte der Familie Klauber wäre wohl in Vergessenheit geraten, hätten Rosa Klaubers Enkel nicht eine besondere Verbindung zum Münchner Fußball gepflegt: 1939 verhalfen Maria Klopfer, geborene Klauber, und ihre Brüder dem ehemaligen F.C. Bayern-Präsidenten Kurt Landauer zu dessen Flucht in die Schweiz und unterstützten ihn während seiner achtjährigen Emigration. Zwischen 1935 und 1938 hatte Landauer als kaufmännischer Angestellter in der „Rosa Klauber Wäschefabrik" gearbeitet. (Mehr dazu hier.)

Im Rahmen der Recherche zu Kurt Landauers schriftlichem Nachlass gingen wir der Geschichte der Familie Klauber weiter nach. Aus dem ländlichen Böhmen führt sie uns über München bis New York:

Rosa Klaubers Enkel hatten vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten in die USA fliehen können und dort wieder im Spitzenhandel Fuß gefasst. In New York produzieren ihre Nachfahren heute in der 6. Generation Spitze. In München war der Familie Ende des 19. Jahrhunderts der Aufstieg ins Bürgertum gelungen, nur wenige Jahrzehnte später war sie von hier vertrieben worden. Ihr Schicksal ist beispielhaft für das hunderter Familien jüdischer Herkunft, die im 19. Jahrhundert vor allem aus den ländlichen Gebieten nach München kamen.

Im Frühjahr 2021 widmen wir dem Spitzenhaus „Rosa Klauber" eine Ausstellung in unserem Studienraum.

Mehr zum Projekt erfahren Sie demnächst hier auf dem Blog und auf unserer Webseite.


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