Nun ist es amtlich: Auch Bischöfe müssen hin und wieder bei der Wahrheit bleiben! Das Bundesverwaltungsgericht stellte in seinem heute zugestellten Urteil (BVerwG 7 B 41.11) fest, dass „die religiöse Äußerungsfreiheit, auch soweit es um eine Predigt geht, keinen absoluten Vorrang vor den Belangen des Persönlichkeits- und Ehrenschutzes“ genießt. Damit hat die dreijährige gerichtliche Auseinandersetzung zwischen dem Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, Michael Schmidt-Salomon, und dem Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller ein Ende gefunden.
Ausgangspunkt des Rechtsstreits war eine Predigt, die Müller im Mai 2008 in Tirschenreuth gehalten hatte. Darin hatte Müller die Religionskritiker Richard Dawkins und Michael Schmidt-Salomon als Vertreter eines „aggressiven Atheismus“ beschimpft und die Behauptung aufgestellt, Schmidt-Salomon würde Kindstötungen beim Menschen legitimieren, da dies bei Berggorillas eine natürliche Verhaltensweise sei. Tatsächlich jedoch hatte Schmidt-Salomon in seinem Buch „Manifest des evolutionären Humanismus“ das Gegenteil geschrieben: Anhand des Beispiel des Infantizids bei Berggorillas hatte der Philosoph begründet, dass ethische Normen nicht unreflektiert aus der Natur abgeleitet werden dürfen.
Nachdem der Inhalt der Predigt medial verbreitet worden war, ließ Schmidt-Salomon dem Regensburger Bischof eine Unterlassungserklärung zukommen. Müller stellte daraufhin eine veränderte Version seiner Predigt ins Internet, weigerte sich aber, die Unterlassungserklärung zu unterschreiben, was er mit seiner besonderen Stellung als Bischof der katholischen Kirche begründete. Zunächst schien diese Strategie aufzugehen: Im September 2009 wies das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg Schmidt-Salomons Unterlassungsklage ab, da bei Bischof Müller als einem „Vertreter einer Körperschaft des öffentlichen Rechts“ keine „Wiederholungsgefahr“ bestehe.
Erst im Berufungsverfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof musste Müller eine Niederlage einstecken. Im Urteil vom 24. Februar 2011 hieß es, dass die Behauptungen des Bischofs im Widerspruch zu Schmidt-Salomons tatsächlichen Veröffentlichungen standen und geeignet waren, dessen Ansehen in der Öffentlichkeit zu schaden. Da der Bischof seine „Pflicht zur Sorgfalt, Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit nicht erfüllt“ habe, sei der Philosoph in seinem „Persönlichkeitsrecht verletzt“ worden.
Daher verurteilte das Gericht das Bistum Regensburg dazu, die Schmidt-Salomon entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu erstatten. Die Berufung wurde vom Gericht nicht zugelassen, wogegen Müllers Anwaltskanzlei Beschwerde einreichte, die nun vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen wurde.
Schmidt-Salomon erklärte zum Ausgang des Rechtsstreits: „Dies ist ein wichtiges Signal für den Rechtsstaat: Endlich ist juristisch geklärt, dass die Kirche kein rechtsfreier Raum ist. Herr Müller und seine Kollegen sind nun, wie alle anderen Bürger auch, dazu verpflichtet, wahrheitsgemäß zu zitieren. Vielleicht sehen sie es irgendwann sogar selber ein, dass es ratsam wäre, ein Buch erst einmal zu lesen, bevor sie es in einer Predigt verdammen.“
Weitere Informationen zum Verfahren (incl. Gerichtsdokumente):
http://www.schmidt-salomon.de/mss-mueller.htm
NEUSTART DES GREAT APE PROJECT: WEBSITE KLÄRT ÜBER TIERRECHTE AUF
Das Great Ape Project (GAP) gilt als eines der Vorzeigeprojekte der internationalen Tierrechtsbewegung. Nach der Verleihung des gbs-Ethikpreises an die GAP-Initiatoren Paola Cavalieri und Peter Singer vor drei Monaten übernahm gbs-Beirat Colin Goldner den Posten des GAP-Koordinators im deutschsprachigen Raum. Seine erste „Amtshandlung“: Unterstützt von der Giordano-Bruno-Stiftung, der Albert-Schweitzer-Stiftung, der Tierschutz-Stiftung sowie den Vereinen „Menschen für Tierrechte“, „Tierrechte aktiv“ und „Die Tierfreunde“ brachte er eine Website an den Start, die über die Ziele und Strategien des Great Ape Project aufklärt.
Mit www.greatapeproject.de verfügt das Great Ape Project endlich über eine deutschsprachige Online-Präsenz, die Informationen über die Großen Menschenaffen und ihre aktuellen Lebensbedingungen bereitstellt. Vorrangiges Ziel ist es, mithilfe der Website ein Unterstützer-Netzwerk aufzubauen, das der Forderung nach einem fairen Umgang mit unseren nächsten Verwandten größeren Nachdruck verleiht.
In einem Interview mit dem „Evo-Magazin“ erklärte Goldner sein Engagement für den Neustart des GAP folgendermaßen: „Die Zuerkennung von Grundrechten an Menschenaffen sehe ich als einen ersten Schritt hin zu einem dringend notwendigen Paradigmenwechsel: Menschenaffen stellen den Dreh- und Angelpunkt dar des Verhältnisses Mensch-Natur, sie definieren wie nichts und niemand sonst die sakrosankte Grenzlinie zwischen Mensch und Tier: Sind sie festgeschrieben ‚auf der anderen Seite‘, sind das alle anderen Tiere mit ihnen. Würde die Grenze zu den Affen hin durchlässig, könnte das ein ‚Türöffner‘ sein, der letztlich allen Tieren zugutekäme. Im besten Fall könnte dies – in Analogie zur Abschaffung der Sklaverei – zu besagtem Paradigmenwechsel
führen, zu einem radikalen Wandel des gesellschaftlichen Konsenses über das Verhältnis Mensch-Tier.“
Links zu dieser Meldung:
Die neue GAP-Website:
http://www.greatapeproject.de
Interview mit Colin Goldner im Evo-Magazin:
http://www.darwin-jahr.de/colin-goldner-great-ape-project
gbs-Broschüre „Bruder Schimpane, Schwester Bonobo – Grundrechte für Menschenaffen“:
http://www.giordano-bruno-stiftung.de/sites/default/files/download/menschenaffen.pdf
„Brother Chimp, Sister Bonobo: Rights for Great Apes!” (englische Version):
http://www.giordano-bruno-stiftung.de/sites/default/files/download/greatapes.pdf
PLAKATAKTION ZUM PAPSTBESUCH: „NEHMEN IST SELIGER DENN GEBEN!“
Wenn Papst Benedikt XVI. im September Berlin besucht, soll er angemessen empfangen werden: Zu diesem Zweck hat die Kampagne „Kirchenaustrittsjahr.de“ Werbeflächen für Großplakate in der Hauptstadt gebucht. Das Bildmotiv des Plakats, das mit seiner satirischen Version der Arche Noah sicherlich für Aufregung sorgen wird, stammt von gbs-Beirat Jacques Tilly. Die Aktion wird unterstützt vom Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA), der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) dem Bund für Geistesfreiheit Bayern (bfg) und dem Alibri Verlag Aschaffenburg.
An rund 20 Orten in Berlin soll mit den Großplakaten für den Kirchenaustritt geworben und gegen das Finanzgebaren der Kirchen protestiert werden, die nur 10 Prozent der Kirchensteuereinnahmen für öffentliche soziale Zwecke aufbringen, aber Jahr für Jahr mit Milliardenbeträgen der öffentlichen Hand bezuschusst werden. Damit die Aktion in Berlin stattfinden kann, müssen etwa 7.000 Euro aufgebracht werden. Wie schon bei der Buskampagne „Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott“ soll dieses Geld unter anderem durch Spenden über das Portal helpedia.de eingeworben werden.
Wer dazu beitragen möchte, dass beim Papstbesuch in Berlin Kirchenkritik deutlich sichtbar wird, kann sich unter diesem Link an der Spendenaktion beteiligen:
http://www.helpedia.de/spenden-aktionen/kirchenaustrittsjahr
Weitere Informationen zum Kirchenaustrittsjahr „Mehr Netto, mehr Freiheit, mehr Solidarität“ gibt es hier:
http://www.kirchenaustrittsjahr.de/
„DER PAPST KOMMT!“: GEGENVERANSTALTUNGEN IN BERLIN
Mehr als 50 Organisationen haben sich zum kirchenkritischen Bündnis „Der Papst kommt“ zusammengefunden. Entsprechend bunt ist der Reigen der Veranstaltungen anlässlich des Papstbesuchs in Berlin. Aus gbs-Sicht besonders hervorzuheben sind die Tagung „Was Sie schon immer über den Vatikan wissen wollten“ am 10. September, die doppelte Buchpremiere „Heilige Scheiße – Die Hand Gottes“ am 21. September und natürlich die große Anti-Papst-Demo am 22. September.
Die Tagung „Was Sie schon immer über den Vatikan wissen wollten“ findet am 10.9. von 12.00-18-00 Uhr im Raum H 0106 der TU Berlin (Straße des 17. Juni Nr. 135, 10623 Berlin) statt. Zum Auftakt der Tagung wird der Historiker Rolf Bergmeier (gbs-Mitglied und Autor des Buchs „Kaiser Konstantin und die wilden Jahre des Christentums“) über „Die christliche Staatskirche und ihr neues Weltbild“ referieren. Anschließend gibt der ehemalige Theologe und bekannte Religionskritiker Prof. Dr. Horst Herrmann einen Einblick in den „Vatikan von Innen“.
Ulrich Kessler spricht hiernach über die „Geschlechterpolitik der Päpste“ und Lukas Mihr über das brisante Thema „Der Vatikan und die totalitären Regime im 20. Jahrhundert“. Zum Abschluss der Veranstaltung widmet sich gbs-Kurator Carsten Frerk den „Finanzen des Vatikans“, während Alan Posener (Chefkommentator der „Welt“ und Autor des Buchs „Benedikts Kreuzzug“) die „Rolle Benedikts XVI. in einer modernen Welt“ thematisiert.
Am 21.9.2011, dem Vorabend der Papst-Demo, werden die beiden Bestsellerautoren Anne Weiß und Stefan Bonner („Generation Doof“) ihr neues (überaus amüsantes!) Buch „Heilige Scheiße – Wären wir ohne Religion wirklich besser dran?“ vorstellen. Zudem wird Thriller-Autor Thore D. Hansen aus seinem Roman „Die Hand Gottes“ vortragen, der von dem „größten Prozess aller Zeiten“ erzählt: einem Gerichtsverfahren gegen den Vatikan am Supreme Court in Washington. Nach den beiden Lesungen wird Michael Schmidt-Salomon ein Gespräch mit den drei Autoren führen und die Diskussion mit dem Publikum moderieren. Die Veranstaltung im Umspannwerk Kreuzberg (Ohlauer Straße 43, 10999 Berlin) beginnt um 19.00 Uhr. Einlass ist gegen 18:30 Uhr.
Die große Demonstration gegen die menschenfeindliche Politik des Papstes startet am 22.9. um 16.00 Uhr. Ursprünglich sollte die Demo mit einer Kundgebung am Brandenburger Tor beginnen, doch dies wurde vonseiten der Berliner Versammlungsbehörde untersagt. Zurzeit läuft eine Klage gegen diese Anordnung der Behörde. Sollte die Klage nicht erfolgreich sein, wird die Eröffnungskundgebung wohl am Potsdamer Platz (in der Nähe der Giordano-Bruno-Skulptur von Alexander Polzin) stattfinden. Weitere Informationen hierzu (wie auch insgesamt zum Papstbesuch) gibt es im nächsten gbs-Newsletter.
Links zu dieser Meldung:
Website des Bündnisses „Der Papst kommt“:
http://www.derpapstkommt.de
hpd-Rezension des Buchs „Heilige Scheiße: Wären wir ohne Religion wirklich besser dran?“:
http://hpd.de/node/11854
Giordano-Bruno-Denkmal am Potsdamer Platz:
http://www.bruno-denkmal.de
KURZ NOTIERT
- Die Forderung nach Grundrechten für Menschenaffen (siehe oben) wird mittlerweile auch von Boulevardmagazinen aufgegriffen. So widmete die Fernsehzeitschrift HÖRZU dem Thema in ihrer Ausgabe Anfang August gleich vier Seiten, wobei erfreulicherweise auch die gbs-Preisverleihung an Cavalieri und Singer Erwähnung fand. Eine grafisch abgespeckte, auf zwei Seiten reduzierte Version des Artikels ist online verfügbar:
http://www.hoerzu.de/wissen-service/natur/menschen-und-affen
- Wolfgang Thierse (SPD), Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken und Bundestagsvizepräsident, nahm die Gründung des „Arbeitskreises der Christinnen und Christen in der SPD Mecklenburg-Vorpommern“ zum Anlass, um den Forderungskatalog der SPD-Laizisten zu kritisieren. Die einstimmige Ablehnung des Laizisten-Arbeitskreises durch den SPD-Bundesvorstand im Mai 2011 sei „aus gewichtigen Gründen“ erfolgt. Denn der Staat des Grundgesetzes sei zwar ein säkularer, aber kein „säkularistischer Staat“.
Die Laizisten würden ihre wahren Motive verstecken, meinte Thierse. Schließlich werde der Zusammenschluss der laizistischen Parteigenossinnen und -genossen „systematisch von der Giordano-Bruno-Stiftung vorangetrieben“ – was zwar messerscharf an der Realität vorbeizielte, aber in den Ohren einiger SPD-Christinnen und -Christen wohl hinreichend dramatisch klang. Weitere Infos unter:
http://hpd.de/node/11862
- Niko Alm, Vertreter der Giordano-Bruno-Stiftung in Österreich und Vorsitzender des österreichischen Zentralrats der Konfessionsfreien, hat die österreichische Regelung, auf Führerscheinfotos nur „religiöse Kopfbedeckungen“ zuzulassen, ad absurdum geführt: Als Anhänger des „Pastafarianismus“ und Mitglied der „Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters“ ließ sich Alm mit einem Nudelsieb auf dem Kopf fotografieren und reichte das Bild bei den Behörden ein.
Nach einer Vorladung bei einer Amtsärztin, die bestätigte, dass Alm in der Lage sei, Auto zu fahren, sowie drei Jahren behördlichen Zauderns konnte der Wiener Unternehmer Mitte Juli seinen neuen „Heiligen Führerschein“ abholen. Die Meldung über den Nudelsieb-Führerschein sorgte international für Erheiterung, siehe:
http://www.giordano-bruno-stiftung.de/meldung/kurioses-aus-oesterreich
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