Aus dem GBS-Newsletter vom 16. April 2011

Von Nicsbloghaus @_nbh

GBS FORDERT NEUBESETZUNG DES DEUTSCHEN ETHIKRATES: POLITIKER DEBATTIEREN ÜBER PID AUF BASIS VON EMPFEHLUNGEN, DIE KEINER KRITISCHEN PRÜFUNG STANDHALTEN

Kurz vor der ersten Lesung der Gesetzesentwürfe zur Präimplantationsdiagnostik (PID) im Deutschen Bundestag hat die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) die politischen Empfehlungen des Deutschen Ethikrats scharf kritisiert. “Der Deutsche Ethikrat hat in Sachen PID versagt”, erklärte Stiftungssprecher Michael Schmidt-Salomon. “Die Parlamentarier debattieren auf der Basis von Vorschlägen, die keiner kritischen Prüfung standhalten.”
Als “höchst problematisch” bewertete der Philosoph, “dass insbesondere die theologischen Mitglieder des Ethikrats, die geschlossen für ein Verbot der PID votierten, ihre weltanschaulichen Vorbehalte über die Prinzipien des liberalen Rechtsstaates stellten.” Diesem Beispiel folgend würden die Parlamentarier nun ebenfalls “ihre subjektiven Glaubensüberzeugungen zum Maßstab staatlicher Gesetzgebung” machen, “was mit den Grundanforderungen an eine rationale Ethik und Politik nicht zu vereinbaren ist”.

Schmidt-Salomon erinnerte daran, dass der Staat sich “weltanschaulich neutral” zu verhalten habe:
“Natürlich steht es gläubigen Politikern frei, empfindungslose Zellformationen als ‚vollwertige Personen‘ zu erachten und PID für sich persönlich abzulehnen. Diese religiöse Privatmeinung darf aber andersdenkenden Bürgern nicht aufgezwungen werden! Der Ethikrat hätte klarstellen müssen, dass die subjektiven Glaubensüberzeugungen der Politiker die Entscheidungsfreiheit mündiger Bürger nicht begrenzen dürfen. Er hätte verdeutlichen müssen, dass es das elementare Recht der betroffenen Paare ist, sich nach eigenem Ermessen für oder gegen PID zu entscheiden. Stattdessen hat sich der Ethikrat als ‚Moralwächterrat‘ aufgespielt und rechtsstaatliche Prinzipien verraten.”

Angesichts der “weltanschaulichen Befangenheit des Ethikrates” forderte Schmidt-Salomon eine Neubesetzung des Gremiums. Dabei sollten “Philosophen, die sich mit Fragen der Ethik im säkularen Staat beschäftigen, Vorrang haben vor Theologen, die sich offenkundig schwer damit tun, die eigenen Präferenzen mit gebührendem Abstand zu betrachten”. Ohnehin sei “die starke Präsenz von Kirchenvertretern im Ethikrat nicht mehr zeitgemäß, da die Kirchen ihren weltanschaulichen Kredit in der Bevölkerung weitgehend verspielt haben.”

Wie Schmidt-Salomon berichtete, hat die Giordano-Bruno-Stiftung in der vergangenen Woche sämtlichen Bundestagsabgeordneten eine alternative Stellungnahme zur PID zugesandt, an der führende deutsche Bioethiker mitgewirkt haben. Mittlerweile seien auf das Gutachten der “gbs-Ethikkommission” zahlreiche Reaktionen aus der Politik eingegangen. Bis auf wenige Ausnahmen sei die Argumentation der Bundestagsabgeordneten “erschreckend naiv” ausgefallen, meinte Schmidt-Salomon:
“Viele Politiker schrieben, dass sie als Christen an eine Beseelung der Embryonen glaubten – als ob dies ein guter Grund sein könnte, konfessionsfreien Menschen zu verbieten, mithilfe von PID ein gesundes Kind auf die Welt zu bringen! Andere meinten, dass die bewusste Reduktion von Behinderungen zur Diskriminierung von Behinderten führen würde, obwohl dies in keinem Land geschah, in dem PID erlaubt ist. Einige schienen sogar den einfachen Sachverhalt nicht zu begreifen, dass es darum gehen muss, Kranke und Behinderte zu unterstützen – nicht aber Krankheit und Behinderung! Ich muss zugeben, dass mich die logischen Schnitzer in diesen Politikerschreiben beunruhigt haben.”

Trotz dieser “ernüchternden Erfahrung” rief der Stiftungssprecher die Parlamentarier dazu auf, “ihre Haltung zur PID noch einmal grundsätzlich zu überdenken”. Auf längere Sicht müssten ohnehin neue Lösungswege gefunden werden, da selbst der liberalste der im Bundestag verhandelten Gesetzesvorschläge “wenig zeitgemäß” sei und der “Leitidee der offenen Gesellschaft” widerspreche.

Das PID-Gutachten der gbs-Ethikkommission im Internet:
http://www.giordano-bruno-stiftung.de/pid.pdf

FILMDOKUMENTATION ÜBER GBS-BEIRAT VOLKER SOMMER AUF ARTE: “ICH BIN EIN MENSCHENAFFE”

gbs-Beirat Professor Dr. Volker Sommer ist einer der bekanntesten und angesehensten Primatenforscher unserer Zeit. Am kommenden Sonntag (17.4., 16.30 Uhr) strahlt ARTE eine fünfundvierzigminütige Filmdokumentation über den leidenschaftlichen Forscher, Philosophen und Tangotänzer aus.

Der 1954 im nordhessischen Holzhausen geborene Forscher hat am renommierten University College in London den Lehrstuhl für Evolutionäre Anthropologie inne. Über 100 wissenschaftliche Fachpublikationen und zahlreiche populärwissenschaftliche Bücher zählen zu den Ergebnissen seiner jahrzehntelangen Freilandforschung. In Indien, Thailand und Nigeria beobachtet und analysiert Volker Sommer das Sozialverhalten wilder Primaten, Affen und Menschenaffen.

Der Film von Anja Krug-Metzinger begleitet den Primatenforscher in eine der letzten großen Wildnisse Westafrikas: den Bergurwald Nigerias, wo Sommer eine neu entdeckte, seltene Schimpansenunterart erforscht und dabei vom Wissenschaftler auch zu einer Art Ökokrieger wurde: Vor zehn Jahren begann der Anthropologe, sich aktiv für die Einrichtung des Gashaka Gumti Nationalparks als Naturschutzgebiet einzusetzen, um den vom Aussterben bedrohten Nigerianischen Schimpansen wenigstens ein letztes Refugium zu bieten.

Informationen zur Sendung auf Arte:
http://www.arte.tv/de/woche/244,broadcastingNum=1222169,day=2,week=16,year=2011.html

DISPUT BERLIN: “OHNE RELIGION WÄRE DIE WELT BESSER DRAN”

Am 24. März fand in der Villa Elisabeth in Berlin die erste Veranstaltung von Disput\Berlin! statt. Die These des Abends lautete “Ohne Religion wäre die Welt besser dran”. Die Kontrahenten des Disputs waren Wolfgang Huber, Matthias Matussek, Wilhelm Imkamp und Gloria von Thurn und Taxis, die gegen die These und für die Religion stritten, auf der Seite der Religionskritiker hielten Monika Frommel, Necla Kelek, Philipp Möller und Alan Posener dagegen. Wie die Videodokumentation des Disputs zeigt, gelang es gbs-Pressereferent Philipp Möller dabei in besonders charmanter Weise, innerhalb der begrenzten Redezeit von vier Minuten die zentralen Argumente der modernen Religionskritik auf den Punkt zu bringen.

Die Rede von Philipp Möller auf YouTube:
http://www.youtube.com/watch?v=PV8tUv-6X8Q

Website von Disput/Berlin!:
http://www.disput-berlin.de/

KARTENVORVERKAUF FÜR DAS “1. INTERNATIONALE DENKFEST ZÜRICH”: NAMHAFTE REFERENTINNEN AUS ALLER WELT, SONDERKONDITIONEN FÜR GBS-MITGLIEDER

Vier Tage Wissenschaft, kritisches Denken und intelligente Unterhaltung – dies bietet das Denkfest Zürich vom 8. bis 11. September. 34 Referentinnen und Referenten versprechen ein abwechslungsreiches Programm auf höchstem Niveau. Zum Auftakt am Donnerstagabend gibt es zwei Workshops für Lehrpersonen sowie ein Podiumsgespräch mit skeptischen Bloggern (u.a. mit der rumänischen Videobloggerin Christina Rad, deren erfrischend eigenwilliger YouTube-Kanal mittlerweile 70.000 Abonnenten hat). Anschließend beweist “Deutschlands lustigster Physiker”, der Kabarettist Vince Ebert, dass Selberdenken nicht nur vernünftig ist, sondern auch großen Spaß macht.

Am Freitag gibt es einen dreiteiligen Block zum Thema “Wissenschaft für Kinder”. Daraufhin wird CERN-Forscher Ueli Straumann dem Publikum einen Insider-Einblick in die Spitzenforschung zur Frage nach der Beschaffenheit der Materie im Universum gewähren. Anschließend finden Vorträge zum Thema “Skeptische Blicke auf Therapien” statt. Dabei wird u.a. die britische Medizinjournalistin Rose Shapiro verraten, wie man Guru der Alternativmedizin wird, während Edzard Ernst (mit Simon Singh Autor von “Gesund ohne Pillen – Was kann die Alternativmedizin?”) den wundersamen Erzählungen der Homöopathie auf den Grund gehen wird.

Am Samstagvormittag geht es weiter mit skeptischen Blicken auf religiöse Verlautbarungen. Neben dem Herausgeber von “Rationalist International”, dem indischen Guru-Entzauberer Sanal Edamaruku, und gbs-Sprecher Michael Schmidt-Salomon treten hier die Vorkämpferin gegen Kreationismus an US-Amerikanischen Schulen, Eugenie Scott, und der Astrophysiker und «The Science of Star Trek»-Autor Lawrence Krauss auf. Nach der Mittagspause folgen eine Einführung ins Gehirnsimulationsprojekt der Uni Lausanne sowie Vorträge zur “Psychologie seltsamer Überzeugungen”.

Am Sonntag, genau zehn Jahre nach 9/11, geht es passenderweise um Verschwörungstheorien. Dabei wird der amerikanische Journalist John Ray über das «9/11 Truth Movement» aufklären, während gbs-Beirat Beda Stadler die sogenannte “Impfverschwörung” zum Thema hat. Nach einem Vortrag über aktuelle Trends des “Bioengineerings” endet das Denkfest mit einer prominent besetzten Podiumsdiskussion zum Thema “Kritisches Denken richtig gemacht: Die Gratwanderung zwischen Skeptizismus und dem Leugnen von Fakten”.

Da die gbs das Denkfest als Kooperationspartner finanziell unterstützt, erhalten gbs-Fördermitglieder CHF 40 Rabatt (ca. EUR 30) auf den Tagungspreis (Normalpreis bzw. reduzierter Preis). Wer darüber hinaus seinen Festivalpass bis zum 15. Juni bestellt, kann weitere CHF 40 (30 Euro) sparen. Wenn Sie als gbs-Fördermitglied ermäßigte Karten für das Denkfest erwerben möchten, schreiben Sie uns bitte eine Mail an presse(at)giordano-bruno-stiftung.de.

Link zur Website des Denkfests:
http://www.denkfest.ch/

NEU IM BUCHHANDEL: “MENSCH UND WELTKULTUR” VON CHRISTOPH ANTWEILER, “DAS HEDONISTISCHE MANIFEST” VON BERNULF KANITSCHEIDER

Christoph Antweiler: Mensch und Weltkultur. Für einen realistischen Kosmopolitismus im Zeitalter der Globalisierung. 321 Seiten. Bielefeld 2011.
Steckt in der Forderung nach der Geltung universeller Menschenrechte ein imperialistischer Angriff auf die kulturelle Vielfalt der Menschheit? Oder gibt es Universalien des Menschseins, auf die sich ein “planetarer Humanismus” stützen kann? gbs-Beirat Prof. Dr. Christoph Antweiler geht diese brennenden politischen Probleme in “Mensch und Weltkultur” aus einer anthropologischen, ethnologischen Perspektive an. In einer bestechend klaren Diktion zeigt Antweiler auf, wie notwendig es ist, gerade auch in der Behandlung solcher normativer Fragen empirisches Wissen zu berücksichtigen. Sein Buch ist ein Muss für jeden, der nach realistischen Wegen sucht, den Humanismus im Zeitalter der Globalisierung zu stärken.
Link mit weiteren Informationen zum Buch (Tipp: Hören Sie auch das auf der Website verlinkte WDR-Gespräch mit dem Autor):
http://www.transcript-verlag.de/ts1634/ts1634.php

Bernulf Kanitscheider: Das Hedonistische Manifest. 303 Seiten. Stuttgart 2011.
“Heidenspaß statt Höllenqual!” – Mit diesem Motto rief die Giordano-Bruno-Stiftung 2005 zur ersten “Religionsfreien Zone” anlässlich des katholischen “Weltjugendtags” in Köln auf. gbs-Beirat Prof. Dr. Bernulf Kanitscheider liefert nun mit seinem neuesten Buch eine umfassende philosophische Begründung dieses Slogans. “Das Hedonistische Manifest” verfolgt die Entwicklung der hedonistischen Philosophie von der Antike bis zur Gegenwart. Herausgekommen ist ein fulminantes Plädoyer für eine diesseitsorientierte Lebensführung, die nach individueller Freude, Glück und Lust strebt, ohne dabei die Interessen anderer zu ignorieren.
Überzeugend zeigt Kanitscheider dabei auf, dass der Hedonismus heute aktueller ist als je zuvor, obgleich er weiterhin starken Widerständen ausgesetzt ist. Denn die Freiheiten, die von den Hedonisten der Vergangenheit gegen staatliche und religiöse Bevormundung erstritten wurden, sind keineswegs nachhaltig gesichert. Sie müssen immer wieder aufs Neue verteidigt werden. Insofern ist das hedonistische Streben nach einer selbstbestimmten Lebensführung auch keineswegs bloß eine privatistische Veranstaltung, wie so oft gemunkelt wird, sondern seinem Wesen nach zutiefst politisch.
Informationen zum Buch:
http://www.hirzel.de/sachbuch/geschichte/view/titel/58403.html

ANZEIGEN ZUM KIRCHENAUSTRITTSJAHR: DIE INITIATOREN BITTEN UM UNTERSTÜTZUNG

Im November letzten Jahres startete der Alibri Verlag mit Unterstützung des IBKA, der gbs und des bfg Bayern die “Kampagne zum Kirchenaustrittsjahr”. Nachdem in den letzten sechs Monaten fast 50 000 Flyer verschickt wurden, geht das Kirchenaustrittsjahr nun in die zweite Runde: Mit einer Anzeige, die in verschiedenen Medien Deutschlands erscheinen soll und ein Bild des Künstlers Jacques Tilly (gbs-Beirat) zeigt, soll über die Verwendung der Kirchensteuern informiert werden.

Damit die Anzeige in möglichst vielen Medien erscheinen kann, sind Spenden erforderlich. Interessierte können dabei entweder einen kleinen Betrag für eine Sammelanzeige spenden oder auch eine komplette Anzeige sponsern. Die erste Anzeige ist bereits in der “Jungen Welt” erschienen (http://www.kirchenaustrittsjahr.de/node/70), gesponsert von dem Kooperationspartner denkladen.de (http://www.denkladen.de/). Die Initiatoren hoffen auf zahlreiche Nachahmer.

Weitere Informationen zur Kampagne und zum Spendenkonto:
www.kirchenaustrittsjahr.de

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