Aus dem GBS-Newsletter vom 05.07.2011

Aus dem GBS-Newsletter vom 05.07.2011ETHIK-PREIS AN CAVALIERI UND SINGER: EINE ERSTE BILANZ

Wie erwartet (siehe vorausgegangenen Newsletter) hat die Vergabe des „Ethik-Preises der Giordano-Bruno-Stiftung“ an die Initiatoren des „Great Ape Project“, Paola Cavalieri und Peter Singer, höchst unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Der schärfste Angriff auf die Stiftung ging wohl vom Behindertenbeauftragten der Bundesregierung Hubert Hüppe (CDU) aus, der den Festakt in der Deutschen Nationalbibliothek in letzter Minute noch verhindern wollte. Die gbs reagierte darauf mit einer Rücktrittsforderung gegenüber Hüppe, den sie, nachdem der Festakt in Frankfurt ungestört stattfinden konnte, wieder zurücknahm.

Der gbs-Vorstand äußerte zwar Verständnis dafür, dass Hüppe, der Grußworte zum „Marsch für das Leben“ radikaler Abtreibungsgegner beigesteuert hatte, mit Peter Singers Eintreten für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch nicht einverstanden sei. Allerdings, so die Kritik der gbs, hätte Hüppe diese eindeutige Meinungsverschiedenheit herausstellen müssen, statt künstlich einen Dissens zu konstruieren, der in Wirklichkeit gar nicht existiert.

„Niemand von uns bestreitet doch, dass behinderte Menschen jede Unterstützung verdienen, um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können!“, heißt es in der Erklärung des gbs-Vorstands. „Wir sind allerdings anderer Meinung als Hubert Hüppe, was etwa das Recht auf Schwangerschaftsabbruch betrifft. Und auch viele behinderte Menschen widersprechen Hüppes Auffassungen in diesem Punkt deutlich.“

Viele Behindertenaktivisten, so der gbs-Vorstand, würden in puncto Schwangerschaftsabbruch oder PID nicht die Positionen Hubert Hüppes, sondern die Positionen der Giordano-Bruno-Stiftung vertreten. Das erkläre auch, warum in den letzten Tagen „überdurchschnittlich viele behinderte Menschen und engagierte Sonderpädagogen“ in den Förderkreis der Stiftung eingetreten seien. Die gbs bemüht sich nun um eine Diskussionsveranstaltung, die klären soll, ob Schwangerschaftsabbruch oder Präimplantationsdiagnostik tatsächlich „behindertenfeindlich“ seien. Der in Frankfurt von Behindertenaktivisten eingenommene Standpunkt, man dürfe „nur nicht-behinderte Föten abtreiben“, sei ethisch kaum überzeugend.

Angriffe ganz anderer Art kamen vom „linken“ Publizisten Peter Bierl, der sich u.a. in den Zeitschriften „Jungle World“ und „Standpunkte“ (Rosa-Luxemburg-Stiftung) bemühte, der säkularen Szene im Allgemeinen und der gbs im Besonderen „rechtes Gedankengut“ zu unterstellen. „Bierls Unterstellungen sind so absurd, dass man sich dazu eigentlich gar nicht äußern müsste“, erklärte gbs-Sprecher Michael Schmidt-Salomon. „Da aber leider einige Redaktionen diesen kolossalen Unsinn abdruckten, waren wir gezwungen, dazu Stellung zu beziehen.“

Ansonsten waren die Reaktionen auf die Preisvergabe der Stiftung überwiegend positiv, wie Schmidt-Salomon ausführte. „Wir hatten weitaus schlimmere Hetzkampagnen erwartet. Umso mehr freuen wir uns, dass der Festakt so gut aufgenommen wurde. Viele, die an einer rationalen Debatte über Ethik interessiert sind, gratulierten uns zu dem Mut, diese Preisvergabe durchzuführen. Besonders positiv waren die Reaktionen aus der Tierrechtsszene. Ich bin zuversichtlich, dass wir auf diesem Gebiet zu fruchtbaren Kooperationen kommen werden. Als Stiftung werden wir jedenfalls unser Möglichstes tun, um die berechtigten Anliegen des ‘Great Ape Project’ in die öffentliche Debatte einzubringen.“

Links zu dieser Meldung:

Videos vom Frankfurter Festakt:
http://www.giordano-bruno-stiftung.de/meldung/videos-frankfurter-festakt

Diskutieren statt Diffamieren – gbs lädt Behindertenaktivisten zu gemeinsamer Veranstaltung ein:
http://www.giordano-bruno-stiftung.de/meldung/diskutieren-statt-diffamieren

Verleumdung als Methode (mit Links u.a. zu den Bierl-Artikeln):
http://hpd.de/node/11742

Wie man in Deutschland nicht mehr mundtot gemacht wird (Telepolis-Kommentar):
http://www.heise.de/tp/artikel/34/34921/1.html

Interview mit Michael Schmidt-Salomon zum Frankfurter Festakt:
http://www.wissenrockt.de/2011/06/10/das-braucht-brennende-geduld-20043/

Interview mit gbs-Beirat Colin Goldner zum Neustart des „Great Ape Project“:
http://hpd.de/node/11684

Albert-Schweitzer-Stiftung gratuliert gbs zur Verleihung des Ethikpreises:
http://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/ethikpreis-fur-paola-cavalieri-und-peter-singer-great-ape-project

LETZTE VERANSTALTUNG IN MASTERSHAUSEN: „LEIBNIZ WAR KEIN BUTTERKEKS“

Am kommenden Sonntag, dem 10. Juli, wird es die wohl letzte Gelegenheit geben, den alt-ehrwürdigen Sitz der Giordano-Bruno-Stiftung in Mastershausen zu besuchen. Denn schon in den nächsten Wochen zieht die Stiftung nach Oberwesel an den Rhein (Nähe Loreley, mehr dazu in einem der kommenden Newsletter). Auf der Abschlussveranstaltung in Mastershausen werden Michael Schmidt-Salomon und seine Tochter Lea Salomon aus ihrem gemeinsamen Buch „Leibniz war kein Butterkeks – Den großen und kleinen Fragen der Philosophie auf der Spur“ lesen und anschließend mit dem Publikum über den „Sinn und Unsinn des Lebens“ diskutieren.

Die Veranstaltung beginnt um 14.00 Uhr. Der Eintritt ist frei. Eine Anmeldung ist erforderlich (gbs-Büro Mastershausen, Tel: 06545 910286, Fax: 06545 910287, Email: [email protected], eine Rückmeldung erfolgt nur, falls bereits alle Plätze vergeben sind).

Infos zum Buch:
http://www.leibniz-war-kein-butterkeks.de/

DER ANARCHISTISCHE VATER DER SOZIOBIOLOGIE: KROPOTKIN-BUCH „GEGENSEITIGE HILFE“ WIEDER ERHÄLTLICH

Die Soziobiologie, die auf evolutionsbiologischer Grundlage das Sozialverhalten von Tieren (einschließlich des Menschen) untersucht, steht bei manchen „linken“ Publizisten (etwa Peter Bierl, siehe oben) im Ruf, „rechtes Gedankengut“ zu verbreiten. In Wahrheit jedoch war der eigentliche Ahnherr der Soziobiologie ein berühmter russischer Revolutionär und Anarchist: Peter Kropotkin. 1902 erschien Kropotkins bedeutendes Buch „Gegenseitige Hilfe in der Tier und Menschenwelt“, das Darwins Ausführungen zu den „sozialen Instinkten“ weiterführte und die massiven (nicht zuletzt politisch motivierten) Fehldeutungen der Evolutionstheorie („Sozialdarwinismus“) mit deutlichen Worten kritisierte.

Dem Trotzdem-Verlag kommt das Verdienst zu, diesen leider in Vergessenheit geratenen Klassiker der Evolutionsbiologie wieder zugänglich gemacht zu haben. Das Vorwort zur gerade erschienenen Neuausgabe schrieb gbs-Beirat Franz M. Wuketits, der Kropotkins Buch als „Meilenstein in der Geschichte der Biologie und der Anthropologie“ wertet:
„Zum einen beseitigt es manche, damals wie heute, gängige ‘darwinistische’ Missverständnisse, zum zweiten kann es als einer der ersten Beiträge zur Soziobiologie gelesen werden (…). Schließlich aber – und vielleicht noch wichtiger – zeigt dieses Buch einige Linien auf von der Evolutionstheorie zu einem säkularen Humanismus und einer ‘realistischen’ Ethik, die einer metaphysischen oder theologischen Begründung der Moral nicht (mehr) bedürfen…“

Urteil der Newsletter-Redaktion: Wer sich für die Geschichte der Evolutionsbiologie (bzw. des evolutionären Humanismus) interessiert, sollte sich dieses Meisterwerk Kropotkins nicht entgehen lassen.

Das Buch bei unserem Kooperationspartner denkladen.de:
http://www.denkladen.de/product_info.php/info/p1684


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