August Bebel
Das berühmte Erfurter Programm der Sozialdemokratie, welches heute noch als vorbildlich für linke und sozialistische Parteien gesehen wird, beeinflusste er wie kein anderer. Nahezu unvorstellbar scheint es, dass die Sozialdemokratie “nicht bloß die Ausbeutung und Unterdrückung der Lohnarbeiter, sondern jede Art der Ausbeutung und Unterdrückung, richte sie sich gegen eine Klasse, eine Partei, ein Geschlecht oder eine Rasse bekämpfe”, wenn sich Bebel nicht für ein umfänglichen Kampf gegen jegliche Form der Diskriminierung stark gemacht hätte.
Die Frau und der Sozialismus
In der männlich dominierten Sozialdemokratie war es August Bebel, der die Frauenfrage auf die Tagesordnung setzte und sich gegen den Gedanken von Haupt- und Nebenwidersprüchen stellte. Sein Werk “Die Frau und der Sozialismus” war 1879 erstmals in Zürich erschienen und stellte das erste Werk eines bekannten Parteipolitikers dar, der die Frauenfrage nicht nur in einer kleinen Broschüre oder am Rande es einen großen Buchs betrachtete. In Deutschland wurde es sofort verboten. Bebel versuchte nicht nur auf die aktuelle Stellung der Frau einzugehen, sondern beschriebt die Entwicklung von der Urgesellschaft bis in die Moderne. Er übernahm dabei Thesen von Charles Fourier und in späteren Auflagen vieles aus Friedrich Engels Standardwerk “Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats” von 1884. Er entwarf Zukunftsvisionen eines gleichberechtigten Alltags, zum Beispiel in einem Kapitel über kommunistische Küche: “Die Privatküche ist für Millionen Frauen eine der anstrengendsten, zeitraubendsten und verschwenderischsten Einrichtungen, bei der ihnen Gesundheit und gute Laune abhanden kommt (…). Die Beseitigung der Privatküche wird für ungezählte Frauen eine Erlösung sein.” Bebel forderte kollektive Großküchen, eine Forderung die später von Clara Zetkin aufgenommen und erweitert wurde: “Kein Rauch, keine Hitze, keine Dünste mehr; die Küche gleicht mehr einem Salon als einem Arbeitsraum, in dem alle möglichen technischen und maschinellen Einrichtungen vorhanden sind, welche die unangenehmsten und zeitraubendsten Arbeiten spielend erledigen.” Im Gegensatz zur kapitalistischen Gesellschaft solle “Die Frau der neuen Gesellschaft sozial und ökonomisch vollkommen unabhängig” sein, “sie ist keinem Schein von Herrschaft und Ausbeutung mehr unterworfen, sie steht dem Manne als Freie, Gleiche gegenüber und ist Herrin ihrer Geschicke.”
Sein Werk “Die Frau und der Sozialismus” erschien zu seinen Lebzeiten in mehr als 50 Auflagen und war wegen seiner einfachen Sprache und der detailierten Beschreibung einer anderen Gesellschaft eines der meist gelesenen Werke der sozialistischen Bewegung.
Bebel als Vorkämpfer gegen Homophobie
Bebel der schon im Erfurter Programm seiner Partei deutlich machte, dass die Diskriminierung von Menschen auf Grund ihrer Herkunft oder ihrer sexuellen Orientierung nicht zu tolerieren ist, war einer der ersten, der in der Öffentlichkeit gegen Homophobie und die Verfolgung von Homosexuellen kämpfte.
Im Zentrum der Debatte stand dabei der Paragraph 175 des deutschen Strafgesetzbuches, der sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte. Weibliche Homosexualität war nicht gesetzlich verboten, konnte jedoch zur Einweisung in psychiatrische Einrichtungen führen, ein Schicksal, welches teilweise noch schlimmer war.
Während viele Sozialdemokraten der damaligen Zeit den Kampf gegen Homophobie allerhöchstens als Nebenschauplatz sahen, gehörte Bebel zu den Ersten, die die Petion, des 1897 gegründeten “Wissenschaftlich-humanitären Komitee”, unterschrieben. Das von Magnuns Hirschfeld gegründete Institut sah die revolutionäre Sozialdemokratie als Bündnispartner im Kampf für die Rechte von Homosexuellen, besonders Bebel tat sich als einer von vier Erstunterzeichnern in diesem Kampf hervor.
Er trug die Petition im Januar 1898 auch in den Reichstag und forderte dort öffentlich die Streichung des Paragraphen 175. Es war die weltweit erste Parlamentsdebatte gegen die Diskriminierung von Schwulen. Bebel argumentierte zwar vorsichtig, verwies vor allem auf die widersprüchliche Handhabung des Paragraphen und die faktische Unmöglichkeit, privates Sexualverhalten staatlich zu regulieren. Wenn seine Versuche auch Vorsichtig waren, so war der erste Politiker, der sich an das Thema wagte und somit Tausenden Menschen Mut gab für ihre Rechte zu kämpfen. Die Erfüllung seines Kampfs erlebte Bebel nicht mehr mit, si wurden Homosexuelle Beziehungen zwischen erwachsenen Männern wurden in der DDR seit 1957 nicht mehr mit Strafe bedroht, die BRD folgte dem erst 1969. Eine vollständige Streichung des Paragraphen 175 erfolgte erst 1994, fast hundert Jahre nach dem Bebel im Reichstag die Aufhebung gefordert hatte.
Bebel heute
Auch heute noch versuchen sich die verschiedensten politischen Gruppierungen auf Bebel zu berufen, so auch die SPD, die wenig gemeint hat, mit der Partei der Bebel angehörte. Auf Facebook heißt es “Die SPD erinnert in diesem Jahr nicht nur an August Bebel sondern auch an 150 Jahre Arbeit für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Für ein besseres Land.” Wenig hat dies zu tun mit den Visionen August Bebels, der für eine Gesellschaft ohne kapitalistische Ausbeutung, Kriege und Diskriminierung kämpft. Die heutige Sozialdemokratie mag zwar August Bebel als ehemaliges Parteimitglied sehen, wohl wissend, dass dieser mit seinen Idealen heute wohl kein Mitglied ihrer Partei wäre. Hartz IV, Kriegseinsätze und die rasstischen Äußerungen einiger SPD-Politiker von heute hätte Bebel niemals als Position seiner Partei akzeptiert, wenn ihm schon die Zustimmung zu bürgerlichen Haushalten als falsch erschienen, dann die Zustimmung zur Diskriminierung von Armen und die schlechte Bezahlung von ErwerbsarbeiterInnen mit Sicherheit.