Augsburg, 31.01.2012

Von Cangrande
denkmalsIm Prinzip sollte es ein Einkaufsbummel sein, doch bringe ich für einen solchen wenig Geduld mit (es sei denn, ich bummele durch Buchantiquariate oder Buchläden - oder über schöne Flohmärkte).
Außerdem brauchte ich nichts, und als Konsument bin ich (Bücher wiederum ausgenommen) ausgesprochen bedarfsorientiert.
Also flugs aus der Einkaufsmeile der Bürgermeister-Fischer-Straße seitwärts geschlagen durch die Philippine-Welser-Str. zum Rathausplatz. Der ist auch nicht mehr das, was er (bis zum 2. Weltkrieg) mal war: erst ein britischer Bombenangriff hat die Alte Börse beseitigt und uns, bzw. den Augsburgern, dadurch diesen schönen großen Platz geschenkt. Den wollte man später wieder vollstellen (Stadtväter haben wohl überwiegend ein horror vacui), aber zum Glück haben sich die Augsburger erfolgreich dagegen gewehrt (zur Platzgeschichte vgl. neben dem oben verlinkten Wikipedia-Eintrag auch das einschlägige Stichwort im Augsburger Stadtwiki).
(Dem Inneren des Rathauses war die Bombardierung weniger zuträglich: da ging einiges an historischer Ausstattung hopps.)
Das Rathaus und der Perlachturm, beide am Vorabend bzw. in den Anfangsjahren des 30jährigen Krieges erbaut, bieten (nicht zuletzt auch dank des vergrößerten Rathausplatzes) einen außerordentlich imposanten Anblick.

Mit der alten Reichsherrlichkeit (Reichsunmittelbarkeit) der Stadt Augsburg ist es natürlich schon lange vorbei, aber der im Giebel aufgemalte Doppeladler erinnert noch an jene stolzen Zeiten, als in Augsburg zahlreiche und wichtige Reichstage abgehalten wurden, z. B. jener von 1530, auf dem die Protestanten dem Kaiser die Confessio Augustana, die Augsburger Konfession, überreichten. (Zur Entwicklung der Reformation in Augsburg vgl. den außerordentlich informativen - und langen - Artikel "Augsburg in der Reformationszeit" von Rolf Kießling im "Augsburger Stadtlexikon".)

Über dem Eingangsportal halten - ja: was sind das für Tiere? Wahrscheinlich die mythischen Greifen - eine Zirbelnuss, das Augsburger Wahrzeichen.

Von Norden, aus Richtung Dom durch die Karolinenstraße kommend (wie ich auf meinem Rückweg), sehen der Perlachturm bzw. die beiden Rathaustürme (mit den großen Zwiebelkuppeln) so aus:

Bei dieser Gelegenheit möchte ich evtl. einschlägig interessierte Leserinnen und Leser auch auf das "Augsburger Stadtlexikon" verweisen, das mit seinen 16 Überblicksartikeln und über 3.000 Stichworten wohl alles Wissenswerte über die Stadt enthält. (Allerdings sind die Einträge zu Rathaus oder Rathausplatz deutlich knapper als in der Wikipedia bzw. im Augsburger Stadtwiki.)
Eigentlich war mein Ziel aber der Hofgarten, und ganz speziell der dortige Bücherschrank (der den ursprünglichen Bücherturm mittlerweile abgelöst hat).
Auf dem Weg dorthin findet man dieses Ensemble; über das linke Gebäude weiß ich nichts; das rechte gehört offenbar zum früheren Schloss des in Augsburg residierenden Fürstbischofs. (Das Bistum besaß zu Zeiten des Heiligen Römisches Reiches Deutscher Nation, also vor der Säkularisierung, ein großes weltliches Territorium, u. a. gehörte auch Füssen dazu. Augsburg selbst war allerdings freie Reichsstadt, stand also nicht unter der Herrschaft der Bischöfe). Heute wird die ehemalige fürstbischöfliche Residenz von der (Bezirks-)"Regierung von Schwaben" genutzt. (Zur Geschichte des Schlosses s. a. deren Webseite.)

Ein Durchgang führt eine Straße durch dieses Gebäude



Die andere Seite der Durchfahrt (also vom Fronhof weg Richtung Hofgarten) schmückt ein Rokoko-Stuckrelief:

Und hier das Wappenschild der "Regierung" des bayerischen Verwaltungsbezirks Schwaben (Foto des ganzen Eingangs in der Wikipedia).

Der Hofgarten, den (bzw. dessen Bücher-Givebox) ich eigentlich aufsuchen wollte, ist im Winter leider geschlossen:

Ein weiterer Durchgang durch das Schloss / Regierungsgebäude präsentiert auf der inneren Seite (zum Fronhof hin) zwei interessant dekorierte Türflügel:
Und darüber einen prächtigen Schmuckgiebel mit Balkon:


Das älteste weltliche Gebäude am Fronhof ist der sog. "Burggrafenturm".

Einige Fotoimpressionen aus dem (öffentlichen Park) "Fronhof":

Das sog. "Friedensdenkmal" mitten im Park, das seinerzeit zur Erinnerung an den deutschen Sieg von 1871 im Krieg gegen Frankreich aufgestellt wurde:


Die ganz große Sehenswürdigkeit hier ist natürlich der Augsburger Dom, dessen offizielle Bezeichnung allerdings etwas umfangreicher ist: "Hohe Domkirche Unserer Lieben Frau zu Augsburg".

Hier die an den Fronhof grenzende Westseite:

Für mich gänzlich unerwartet waren die Ziegelsteine (Backsteine) als Baumaterial; die hätte ich eher mit Norddeutschland in Verbindung gebracht. Indes belehrt uns der Themenartikel des Augsburger Stadtlexikons zur Topographie der Stadt: "Der lehmig-sandige Untergrund bot Rohstoffe für das Baumaterial aus Lehm und Ziegeln. Da im näheren Umkreis kein massives Baugestein ansteht, herrschte in Augsburg bis ins 20. Jahrhundert der verputzte Ziegelbau vor. Zahlreiche Ziegeleien entlang der Hochterrasse deckten jahrhundertelang den Bedarf. "





Eindrucksvoll ist der Figurenschmuck im Tympanon des Südportals (Nr. 2 auf dem hier auf der Homepage der Stadtpfarrei - der Augsburger Dom ist sowohl Kathedrale, also Bischofskirche, als auch Pfarrkirche für die Stadt - am Textende eingestellten Grundrisses) des Domes:

Die Holztüren des Eingangs sind mit einem großen sog. "Türzieher" geschmückt (der allerdings nicht identisch ist mit dem im Wikipedia-Artikel, der offenbar an einem anderen Portal sitzt):

Diese Aufnahme eines Glasfensters im Augsburger Dom ist mir in technischer Hinsicht irgendwie misslungen. Aber irgendwie schaut sie doch trotzdem ganz interessant aus?

Hier Fenster des Ostchores; die sind nicht sehr alt, aber schön bunt. Ich hatte meine Besichtigung, für die ohnehin nur wenig Zeit war, nicht vorbereitet. So wusste ich auch nicht, dass das Mittelschiff des Langhauses auf seiner Südseite den ältesten Glasfensterzyklus seiner Art in Europa beherbergt (ca. 1100; mehr hier). U. a. sieht man dort auch eine Abbildung eines mittelalterlichen Judenhutes.



Das nördliche Seitenschiff:.

Die beiden südlichen Seitenschiffe:

Ausführliche baufachliche bzw. denkmalpflegerische Informationen über den Dom bietet auch die Webseite "baufachinformation.de" des "Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau IRB".
Für mich wird es nun höchste Zeit, zu meiner Frau zurück zu kehren, welche die ganze Zeit geduldig in den Kaufhäusern in der Bürgermeister-Fischer-Straße ausgeharrt hat (mutmaßlich ohne dass sie sich gelangweilt hätte). An der Ecke zur Maximilianstraße werfen wir einen Blick auf die Nordwand der Kirche St. Moritz und kommen zu dem Schluss, dass dieser Rittersmann sein Schwert wohl dringend benötigen wird, um die gordischen Knoten der Straßenbahnoberleitungen zu durchtrennen.
Wir haben halt heut' 'ne schwere Zeit für die alten Rittersleut!

Übrigens braucht man heute keine Säkularisation mehr, um die (katholische) Kirche klein zu kriegen: das besorgt die schon von sich aus - dank Priestermangel. Den haben sich die klerikalen Zölibats-Freaks natürlich ebenfalls selbst zuzuschreiben. Atheisten bleibt das Schmunzeln über den "zölibatären Gottesbeweis".
Textstand vom 02.02.2012. Fotos können durch Anklicken vergrößert werden.