“Aufstand – sonst nichts”


Philosophie. Slavoj Žižek über den »revolutionären Akt« in ausweglosen Zeiten

„…Der Kapitalismus besitzt für Žižek nicht nur eine ¬schier unzertrümmerbare Stabilität, weil man den Menschen vorgaukle, sie hätten freies Mitspracherecht. Nein, es ist noch viel perfider: Sie wissen, daß sie nur zum Schein frei sind, sie wissen – kurz gesagt – um die Ideologie, aber sie handeln so, als ob sie nichts davon wüßten. In Anlehnung an seinen konservativen Wahlverwandten, den Philosophen Peter Sloterdijk, meint auch Žižek, Menschen hätten ein »aufgeklärt falsches Bewußtsein« (Sloterdijk: Kritik der zynischen Vernunft, 37). Der paradigmatische Satz der Fetischanalysen im Marxschen Kapital, »sie wissen das nicht, aber sie tun es« (MEW 23, 88), wird also geradezu in sein Gegenteil verkehrt: Sie wissen zwar, aber sie tun es trotzdem. Das hört sich paradox an, läßt sich aber an zwei Beispielen erläutern: Sobald man sich in der kapitalistischen Gesellschaft bewegt, stützt man sie durch das eigene Handeln im Alltag. Es gibt kein Außen; die Wahl besteht, wie Žižek anführt, zwischen Coca-Cola und Pepsi (und: ja, auch wer Bionade trinkt, macht mit). Auch wenn man weiß, daß man – wie in diesem Fall – kapitalistische Produkte konsumiert, die auf Ausbeutung basieren, stützt man diese Ordnung in der eigenen Praxis. Kurz: Das Denken kann zwar über das Gegebene hinausgehen, aber in der Praxis kann man sich nach Žižek keine Freiräume schaffen, ohne nicht gleich wieder am Kapitalismus zu partizipieren. Ein zweites Beispiel. In der Schrift »Auf verlorenem Posten« setzt er sich mit der Krise linker Bewegungen auseinander. Die Schwierigkeit linker Politik liegt für ihn darin, daß sie trotz besseren Wissens den Kapitalismus nicht untergräbt, sondern ihn in ihrer Praxis stützt. Linke Bewegungen ergänzen seine »imaginative Vielfalt« (Žižek: Auf verlorenem Posten, 95) durch ihren Versuch, sich kritisch zum und im Regierungshandeln zu verhalten. Dadurch werden sie in das System integriert und – trotz gegenteiliger Intention – zu seiner Stütze.

die Passivisierung der politischen Akteure. Ist der politische Akt nur dann revolutionär, wenn er durch seine radikale Überwindung des Bestehenden bestimmt ist, dann ist jede Form von einzelnen politischen Aktionen, der alltägliche Eingriff, bloß eine Stütze des Kapitalismus – und soll für Žižek letztlich aufgegeben werden: »Besser nichts tun, als sich an vereinzelten Aktionen zu beteiligen, deren Funktion es letztlich ist, das System reibungsloser laufen zu machen (an Aktionen wie etwa der, den Raum für die Vielheit neuer Subjektivitäten bereitzustellen usw.). Die große Gefahr heute ist nicht Passivität, sondern Pseudoaktivität, der Drang, ›aktiv zu sein‹, ›teilzunehmen‹, die Nichtigkeit dessen, was geschieht, zu verschleiern.«

Quelle und gesamter Text: http://www.jungewelt.de/2014/09-23/024.php


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