Mitunter zieren das Banner entblößende Kommentare. Beispiel: »Rischdisch. Wir müssen jetzt endlich mal unser maul aufmachen. [...] Also schluss damit jeden retten zu wollen erst mal ans eigene volk denken. Also schluss mit Almosen für Schmarotzer und die wo ihr land in den Abgrund reiten.« Oder dieser, der ausdrücken möchte, dass man es entspannt sehen sollte: »was juckt heute die amis noch was sie mit den indianern oder den negern gemacht haben?« Ein anderer empfiehlt zum Beispiel solchen, die »Soldaten sind Mörder« sagen, als Staatsfeinde zu behandeln. Und einen jungen Kritiker machen sie auf der persönlichen Schiene fertig, verspotten die gymnasiale Bildung des »Jüngelchens«. Er könne ja nichts dafür. In den Schulen wiehere heute außerdem der linke Zeitgeist und man würde nur allerlei gutmenschlichen Unsinn gelehrt bekommen. Nettes Völkchen in diesem aufgeklärten Medium Facebook - das muss man schon sagen.
Die Mehrzahl dieser Leuchten rechtfertigt sich damit, dass sie nicht schuld sei. Stimmt. Das sind die Leute auch nicht. Hat aber auch niemand behauptet. Es sind ja nicht mal alle schuld, die vor 1945 geboren wurden. Selbst die nicht, die damals schon erwachsene Menschen waren. Was dieses polarisierende Banner aussagt, ist ja eigentlich viel perfider. Es distanziert sich nicht von den Beschuldigungen - es entschuldet. Es spielt gekonnt mit Schuld und Schulden. Letzteres soll für die Spätergeborenen nicht gelten. Anders gesagt: Wir schulden der Welt keine kollektive Verantwortung für das, was damals geschehen ist. Und demgemäß sind die Ereignisse jener Zeit kein Auftrag und keine Mahnung an die nachfolgenden Generationen. Man schuldet der Welt schließlich nichts, ist befreit von der Bürde, das politische und gesellschaftliche Handeln an den menschenverachtenden Affekten jener Jahre zu messen. Sarrazin schuldet mit seiner Eugenik der Welt schließlich auch einen Scheiß. Bürgerwehren gegen Roma auch nicht. Das Banner fordert die Loslösung von dieser ethischen Bezugnahme auf die unmoralische Geschichte Deutschlands im letzten Jahrhundert. Schwamm drüber.
Wir sollen also aufhören darüber nachzudenken, woher wir kommen und in die Zukunft blicken. So in etwa die Botschaft. Wer aber blind für die Vergangenheit ist, wird sich nicht in die Zukunft vorantasten, sondern blind vorpreschen. Dieses aufgemotzte Motto hat nicht mal entfernt etwas mit Party-Patriotismus zu tun. Es ist eine Absage an das Erbe dieser Republik, etwas, das ganz gut zum neuen Verantwortungsdiskurs einiger Politiker passt. Einige Facebookianer haben aber wohl ihre Freude über die Nationalelf mit Geschichtsrevisionismus gepolt und sind reichlich stolz drauf. Bewusst oder unbewusst. Die sozialen Netzwerke haben den Stammtisch, an dem solche Parolen früher bei einem ordentlichen Schluck formuliert wurden, ganz schön groß werden lassen. Facebook ist letztlich auch nur ein Wirtshaus.
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