Facebook war immer mehr oder weniger eine Bekenntnismaschine. Man ließ dort heraushängen, wofür oder wogegen man war. Das schuf imaginäre Identität. «Je suis Charlie« war ein berühmtes Beispiel dafür. Plötzlich waren sie alle dieses Karlchen und hatten Bilder und Avatare davon auf ihrer Seite. In den letzten Monaten häuft sich das Bekenntnis zu einem Deutschland, das schrecklich ausgetrickst wird und ins Hintertreffen gerät. Freiheitskampf und Patriotismus dominiert manches Profil bei Facebook. Es ist, als ob die Deutschen in einen Endkampf geraten seien. Und das, obgleich sie synchron die Rolle einer Hegemonialmacht in Europa eingenommen haben. Völlig paradox tun manche so, als müsse Deutschland eine Opferrolle erfüllen. Sie bauen auf, muntern sich auf und deklarieren das Deutsche, das die Welt angeblich aus der Welt züchten will.
Ich habe selbst Leute in meiner Freundesliste, die ich für relativ unverdächtig hielt. Sie kommen aus der Klasse, die man früher mal «Arbeiterklasse« nannte. Sie posten, dass sie sich von Merkel und der politischen Klasse verarscht fühlen. Die Politik der USA stinkt ihnen. TTIP halten sie für gefährlich. Sinkende Löhne und diesen Arbeitsmarkt, der immer mehr Zumutungen birgt, möchten sie so nicht aktzeptieren. Beste Voraussetzungen für Bedachtsamkeit eigentlich. Aber gleichzeitig kehren sie den Patrioten heraus, wettern gegen Flüchtlinge und Überfremdung und gerieren sich als die letzten deutschen Eichen, die sich dem Fällen zur Wehr setzen. Alles trägt dabei den Unterton des Opfers. Das deutsche Volk ist demnach Opfer von hoher Politik und von Fremden. Oder besser noch: Die Politik holt Flüchtlinge ins Land, um das Deutsche langsam auszurotten. Verschwörungstheorien fallen derzeit auf fruchtbaren Boden.
So spielt man dann auch die Armen gegeneinander aus. Für Flüchtlinge habe man Geld, zahle man allerlei. Aber Arme mit deutschem Pass müssten Flaschenpfand sammeln, auf der Straße leben und von Resten leben. Die Relationsetzung zwischen Zeltlager und Hartz IV ist grotesk und lächerlich, kommt aber gut an. Vor der Flüchtlingswelle waren Bezieher von Sozialleistungen noch Abschaum. Obdachlose ein Fall für Arbeitshäuser. Heute werden sie völkisch aufgewertet. Jetzt sind auch sie zugehörig. Zeltlager und Hartz IV kann man jedoch gar nicht miteinander vergleichen. Aber das stört die neue Bekenntnis-Tour dieser Patrioten nicht sonderlich. Es geht nur um so ein Bauchgefühl, nicht um durchdachte Ansätze. Um völkische Ansätze halt. Um die Auflösung der Erkenntnis, dass wir alle die Opfer von Eliten sind, die uns gegeneinander aufwiegeln.
Dieser neue deutsche Stolz, er generiert Bekenntnisse. Zum Glück noch bei Facebook. Ist in Heidenau das Internet ausgefallen? Repariert es! Schnell! Zurück dorthin, wo der Aufschrei der Dummen sich in Bildchen und Statements erschöpft. Baut DSL aus, macht es schneller, damit diese Leute dort bleiben und nicht dort, wo sie ihren Wahnsinn realiter werden lassen können. Wer Dingen die Relevanz nehmen will, stellt es ins Internet, schrieb Grabow mal. Schafft also Zugänge zum Net. Ohne Störungen. Denn solange sie dort rummachen, sind sie zu beschäftigt mit dem echten Leben. Hoffentlich. Denn wenn sie doch mal von ihrem Kasten hochsehen, dann wird es gefährlich. Denn Bekenntnisse, das sind die Vorboten.
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