Aufruf zum passiv-aggressiven Widerstand

Geduld.der+Apotheker.ortsausgang.dlNochmals Deutschland- an der Stelle füge ich jetzt mal ein, dass wann immer ich mit Schweizer Apothekern auf die Zustände in Deutschland zu sprechen komme der Konsens eindeutig ist: die deutschen Apotheker sind wirklich schlimm dran (und ihr habt unser Mitgefühl).

Nun also geht herum, wie manche Krankenkassen dort etwas neues gefunden hat, um die Apotheker zu retaxieren. Als Erinnerung (vor allem für die Schweizer Leser, aber auch den grossteil der Deutschen, denen das nicht bewusst ist): In Deutschland bestimmt praktisch die Krankenkasse welches Medikament abgegeben werden muss. Dafür haben sie sogenannte Rabattverträge geschaffen, in denen sie von den Pharmafirmen Geld zurück bekommen, während die Apotheke gezwungen ist den Patienten (öfter mal wechselnde) Generika abzugeben. Gibt die Apotheke aus irgendeinem Grund das „falsche“ (also das nicht von der Krankenkasse vorgeschrieben) Generikum ab und dokumentiert das nicht ausgesprochen sorgfältig, so retaxiert die Krankenkasse: das bedeutet, sie verlangt von der Apotheke das Geld für das Medikament zurück. Nicht nur Anteilsmässig, was der Preisunterschied (so es einen gibt) wäre, sondern für das gesamte. Das ist für die Apotheke ein Verlustgeschäft, da sie es in Deutschland auch nicht vom Patient zurückfordern darf. Die Krankenkassen haben das nicht nur als Sparmöglichkeit, sondern wahrscheinlich auch zum Geld verdienen erkannt und stellen zunehmend strengere und abstrusere Regeln auf, was die Forderungen an die Rezepte und Abgaben und Dokumentation angeht. Ein kleiner Formfehler wie eine fehlende Telefonnummer auf dem Rezept, ein Unterschied in der Registernummer auf Rezept und Stempel, ein fehlendes Kreuz … und es gibt wieder eine Retaxation.

Apothekerin Sabine Michaela Erge-Dett macht das deutlich:

Als ob wir Apotheken-Mitarbeiter nicht schon gestraft/gestresst genug wären, muss die DAK mal wieder eins draufsetzen.

Ob DAK-Versicherte eigentlich wissen, dass Apothekers inzwischen auf Kriegsfuß mit der einst so renommierten Krankenkasse stehen, da dieser keine Schikane zu albern, kein bürokratischer Pferdefuß zu weit hergeholt scheint, um die Zeche bei Deutschlands Apothekern zu prellen?

Neuestes Glanzstück der DAK ist es, nur noch Nicht-Lieferfähigkeitserklärungen der Hersteller und nicht mehr der Großhändler zu akzeptieren, wenn ein Rabatt-Vertrag von der Apotheke mangels Lieferfähigkeit des Arzneimittels durch den unter Vertrag genommenen Hersteller nicht bedient werden kann.

Zur Erklärung: Der Arzt verordnet ein Arzneimittel der Firma X, der Apotheker muss per Kassennummer auf dem Rezept ein wirkstoffgleiches Präparat der Firma Y, Z oder ABX mit gleicher Dosierung heraussuchen, mit der die Kasse einen Rabattvertrag (mit immenser Preisersparnis) geschlossenen hat.
Ist, wie so oft, ein rabattiertes Präparat nicht lieferbar, darf das verordnete oder eines der „billigsten“ 3 Anbieter abgegeben werden.
Vergisst allerdings nun der Apotheker die Sonder-Pharmazentralnummer für die Nicht-Lieferfähigkeit eines Rabatt-Arzneimittels aufzudrucken ODER eine handschriftliche Begründung mit Datum und Unterschrift auf das Rezept zu schreiben (jawohl! Beides ist laut Kassen nötig!), wird das belieferte Rezept auf Null retaxiert, obwohl der Patient sein Medikament erhalten hat. Die Kasse lässt also dann den einzelnen Apotheker wegen Flüchtigkeitsfehlern die Medikamente ihrer Versicherten bezahlen, obwohl sie dafür Kassenbeiträge erhält und der Patient ordnungsgemäß versorgt wurde.
Dass dafür inzwischen Fremdfirmen a la protaxplus. eingekauft werden, ist ein offenes Geheimnis. Auch, dass diese Firmen erfolgsabhängig entlohnt werden und deshalb gezielt Hochpreiser nach allen Regeln der Kunst durchleuchten und retaxieren. Oft mit sehr zweifelhaften Begründungen.
Auch dass viele Apotheken dies finanziell nicht mehr verkraften und schließen müssen, ist bekannt.

Zusätzlich zur handschriftlichen Begründung und Sonder-Pharmazentralnummer, darf die Kasse auch noch den schriftlichen Nachweis des Lieferengpasses verlangen. Bisher reichte dazu eine Bestätigung des Großhandels, der vom Hersteller nicht ausreichend versorgt wurde.
Die DAK wittert nun eine neue Einnahmequelle, indem sie auf einem Nachweis des Herstellers selbst besteht. Das bedeutet, bei jedem Lieferdefekt muss der Hersteller kontaktiert und ein Fax angefordert werden. Dies ist im hektischen Tagesgeschäft schier unmöglich. Außerdem ist es absolut patientenunfreundlich, eine schnelle unbürokratische Versorgung praktisch unmöglich zu machen. Denn die Lieferschwierigkeiten geben Hersteller äußerst ungern zu, werden sie damit doch vertragsbrüchig.
Was genau aber der Apotheker nun dafür kann, wenn eine Kasse Verträge schließt, die der Vertragspartner nicht einhalten kann, erschließt sich uns nicht.
Wieso unser Rechtsstaat diese vorsätzliche Ausbeutung eines Berufsstandes, der einen gesetzlichen Auftrag zur Versorgung mit Arzneimitteln hat (und diese im Prinzip auch nicht ablehnen kann) zulässt, verstehen wir ebenso wenig.

Klar ist nur, dass wir langsam wütend werden.
Es reicht!!!
Wir haben lange genug brav unseren Auftrag erfüllt, obwohl sich außer uns in diesem „Spiel“ niemand an die Spielregeln hält!
Unser Gesundheitssystem ist krank.
Pflegestationen vor dem Kollaps!
Unterbesetzte Notaufnahmen!
Unhaltbare hygienische Zustände in Kliniken!
Und eben Apotheken, die den „Mangel“ verwalten und am Ende dafür noch den Kopf hinhalten.

Weil Manager und Betriebswirte entscheiden, wo medizinischer und pharmazeutischer Sachverstand entscheiden müsste.
Fangen wir an uns zu wehren!”

Dazu gäbe es eine … nun, wenn nicht gerade Lösung, so doch ein Weg zum Widerstand gegen solche Praktiken. Es nennt sich „Wunscharzneimittel“ – wenn ein Fehler auf dem Rezept ist oder das Medikament nicht lieferbar, oder der Patient weiterhin das nehmen will, was er schon einmal hatte … dann kann er das. Voraussetzung: es darf nicht “aut idem” angekreuzt sein. Er muss es dann einfach in der Apotheke bezahlen, die reicht das Rezept mit dem entsprechenden Formular bei der Krankenkasse ein … der Patient bekommt dann die Differenz zum „rabattierten“ Arzneimittel von der Krankenkasse zurück – und die Apotheke für den Aufwand 0,50 Euro. Eigentlich eine Win-Win Situation: Patient erhält gewünschtes Medikament, Apotheke erhält das Geld dafür (und sogar 50 Cent für die Arbeit)… nur die Krankenkasse reklamiert bei den paar wenigen schon, wegen dem „Mehraufwand“ den ihr das verursacht.

http://www.aok-gesundheitspartner.de/imperia/md/gpp/nds/apotheke/ablaufschema_kostenerstattung_wunscharzneimittel.pdf

Ich finde, das sollte viel mehr angewendet werden, nicht nur bei der DAK – bei all den Kassen, die gezeigt haben, dass sie auf den Rücken der Apotheker mit Retaxationen Geld verdienen. Schon alleine das Erklären weshalb und was die Alternativen sind (Retax der Apotheke, Patient muss neues Arztrezept bringen …) hilft in der Bevölkerung das Verständnis um die aktuelle Situation zu verbessern. Und wenn das ganz viele Apotheken machen würden, statt wie immer still und leise den Patienten die Arbeit und den Ärzten die Verantwortung abzunehmen … ich träume gerne, aber das dürfte wirklich etwas bewegen.


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