Aufruf Blogparade #NoMobbing

Ein wichtiges Thema

Nachdem Dani (die liebe „Glucke“) einen Artikel zum Thema Cybermobbing und ich über das Mobbing an Schulen geschrieben habe, merkten wir an der Resonanz aber auch beim gegenseitigen Lesen der Artikel, wie wichtig und weitreichend das Thema Mobbing ist.

Viele Menschen haben eigene, sehr schlimme Erfahrungen machen müssen. Viele von ihnen spüren die Verletzungen noch als Erwachsene. Andere begleiten ihre eigenen Kinder durch die schweren Erlebnisse. Andere erlebten Mobbing in der Kindheit und sehen teilweise hilflos mit an, wie ihrem Kind das Gleiche widerfährt.

Nicht schuld

Hier fragen sie sich schnell, ob sie vielleicht schuld am Mobbing sind. Oder es vielleicht als Kind bereits waren.

Vermutlich waren sie irgendwie „seltsam“ oder hatten äußere Auffälligkeiten wie Übergewicht, Narben, Behinderungen, „billige Kleidung“, Sprachfehler oder Anderes.

Und nun geschieht ihrem Kind vielleicht das Selbe. Vermutlich haben sie es falsch auf das Leben vorbereitet oder es teilt diese äußeren Auffälligkeiten ja vielleicht.

Diese Gedanken sind verständlich. Psychologisch gesehen wollen wir Menschen dadurch die Kontrolle über das Unkontrollierbare erhalten. Wenn wir Auslöser sind und Schuld haben, dann haben wir ja eben doch irgendeinen Einfluss. Kontrollverlust gehört für uns Menschen nun mal zu den schlimmsten Erlebnissen.

Oftmals wird Gewaltopfern die Schuld an der Tat eingeredet. Wir kennen das besonders bei  als sehr unmoralisch empfundenen Gewalttaten: Sexuelle Handlungen werden schnell mit dem „Victim Blaming“  (‚dem Opfer die Schuld geben‘) beantwortet. Bei Quälereien, die einen scheinbar schlechten, hässlichen oder sadistischen Charakter des Täters zeigen, reagieren viele Beteiligte ähnlich: Gemobbte Kinder (und natürlich auch Erwachsene) werden in eine Ecke gedrängt:

„Du bist auch zu empfindlich!“

„Du fühlst dich eben immer gleich als Opfer.“

„Du verstehst eben keinen Spaß.“

Zeugen oder Beteiligte wollen mit dem Konflikt – mit den Taten – am liebsten nichts zu tun haben. Sie wollen so etwas nicht in ihrem Umfeld wissen und fürchten zugleich, selber Opfer zu werden. Daher beschuldigen sie das Opfer. Wieso tun sie das?

Um sich selbst zu suggerieren, dass man die Gewalt selbst verursacht. Und wenn sie nur genau das nicht tun, was das Opfer vermeintlich tat, dann wird ihnen auch nicht das Gleiche zustoßen.

„Geh im Dunkeln eben nicht raus und trage keine sexy Kleidung. Selbst schuld, wenn dich einer anpackt. Man muss als Frau eben aufpassen.“

oder

„Wer auch so blöd ist und Nacktfotos von sich herumschickt, muss sich nicht wundern, wenn die ganze Firma/Klasse sie zu sehen bekommt.“

Selbstverständlich ist ein Gewaltopfer niemals schuld.

Es ist immer der potentielle Täter, der sich entscheidet. Für oder gegen den Angriff.

Ebenso, wie selbstverständlich auch Frauen, die Hosen tragen, Opfer sexualisierter Gewalt werden, so kann jedes Kind Opfer von Mobbing werden.

Es liegt nicht an den Opfern. Die Verantwortung liegt alleine bei den Tätern und im Falle von Kindern dann auch bei den Eltern, Lehrern und weiteren lebensbegleitenden Erwachsenen.

Eure Erfahrungen

Diese Informationen wollte ich vorweg nehmen, um sie wie einen Weg für Eure Erfahrungen auszubreiten.

1. Niemand ist schuld

2. Jeder hat ein Recht auf Hilfe

3. Mobbing kann beendet werden

4. Kein Gewaltopfer muss sich für die an ihm verübte Tat schämen

5. Es gibt viele Hilfsangebote und Möglichkeiten

6. Man sollte frühzeitig gegen das Mobbing vorgehen, auch wenn dies mit sich bringt, dass man als empfindlich gilt.

Gemeinsam können wir aufräumen mit dem Bild des schuldigen Opfers, das sich zu schämen hat und im Gegenzug einander trösten, Respekt zurückgeben und einander spüren lassen, dass die uns umgebenden Menschen durchaus sehr liebevoll sind.

Diejenigen, die komplexbehaftet und sadistisch vorgehen – also die Mobber – sind in der Minderheit.

Mobbing (eigentlich ist dies die Attacke einer Person gegen eine andere, bei einer Gruppe heißt das dann „Bullying“) ist kein „Ärgern unter Kindern“. Es ist eine Gewaltsituation, die tiefe Verletzungen im Opfer hinterlässt und diese für ihr Leben prägt.

Meine Erfahrung

Ich machte den Start zum Thema Mobbing an der Schule ja bereits durch den Brief an unsere Tochter.

Doch auch ich habe eigene Erfahrungen in meiner Kindheit gemacht. Ich wurde von der Klasse 2 bis zur Klasse 8 gemobbt.

Beleidigungen und Ausgrenzungen sowie Bedrohungen begrüßten mich an der Bushaltestelle am Morgen. Mittags gab es etwas wie „Gleich verhauen wir dich an der Haltstelle!“ – was dann auch passierte, wenn nicht mein Lieblingsbusfahrer fuhr und mich vor der Haltestelle nahe meines Elternhauses aussteigen ließ …

Es gab immer mindestens einen Jungen, der mich quälte. In der Grundschule und auch in der weiterführenden Schule. Meist waren es mehrere.

Einer wohnte in meiner Nähe und war – in der Retrospektive – ein sehr vehaltensauffälliges Kind. Er legte sich beispielsweise während einer Busfahrt auf mich und versuchte mich zu küssen. Er stellte mir richtig nach. Zwischen Prügeln und diesem Bedrängen waren seine Attacken gelagert.

Ich besuchte ihn anfangs zu Hause einmal, da er neu in der Klasse war und in meiner Nähe wohnte. Zu diesem Zeitpunkt griff er mich noch nicht an. Da erzählte mir seine kleine Schwester, dass er sie manchmal einsperren und fesseln würde. Er würde sie mit einem Gürtel schlagen und dabei lachen.

Ich hielt das wohl für eine Phantasiegeschichte oder ich nahm es auf die Weise an, wie Kinder nun einmal skurrile oder bedenkliche Dinge annehmen.

Inzwischen sehe ich durchaus den Zusammenhang zwischen der Gewalt zuhause und seinem Verhalten mir gegenüber.

Es gab viele Situationen. Ich wurde wegen meiner Brille gehänselt und wegen meines „bescheuerten“ Bruders (mein Bruder fiel durch seinen, leider erst sehr spät diagnostizierten, Asperger Autismus in unserer Dorf-„Gemeinschaft“ doch ziemlich auf) oder einfach auch weil „ich so komisch sei“. Klar, ich war ein ehemaliges Missbrauchsopfer, Kind zweier persönlichkeitsgestörter Eltern, die keine erwachsene Verantwortung für mich übernehmen konnten. Sicherlich war ich „komisch.“

Aber ich hätte auch rotes Haar oder/und Sommersprosssen haben oder einfach mal an einem tag mir den Kakao zum Amüsement der Klasse versehentlich auf die Hose schütten können: Mobber finden immer einen Ansatzpunkt. Am besten die verletzlichen Punkte eines anderen Kindes.

Ich fühlte mich irgendwann lächerlich. Egal, wo ich war. Ich war fehl am Platz, seltsam und eine Art Alien. Ich war immer verunsichert. Das war ich ohnehin schon, da meine Eltern mir keinen Halt geben konnten in ihrer überbordenden und unzuverlässigen Art von Bindung sowie ihrem zerfahrenen Emotionalhaushalt.

Das Mobbing war daher einfach nur eine weitere Bürde in meinem Leben. Ich musste mich verteidigen und genau das hatte ich nicht gelernt. Die „Glaubenssätze“ (hier gemeint als: psychologischer Fachbegriff für die negativen Sätze/Formulierungen/Annahmen über einen selbst, die man in der Kindheit verinnerlicht) meiner Kindheit waren: „Halte still und harre aus.“ sowie „Sei brav und störe uns nicht!“ Ich erzählte daher wenig und immerhin kam meine Mutter eine Weile lang mit zur Haltestelle. Dies gefiel den Mobbern natürlich, da sie es aufgreifen konnten. Meine Mutter war schon immer eine auffallend attraktive Frau, die stets mindestens zehn Jahre jünger aussah.

„Hat dich deine Schwester gebracht, hä, Müller?“ (Sie sprachen mich stets mit meinem Nachnamen an. Diese Mädchennamen habe ich aus Gründen der Anonymität meiner Eltern geändert)

Da war ich noch recht schlagfertig, denn am kommenden Morgen wurde einer der Jungs von seiner Mutter begleitet, welche äußerlich eher der Gegenentwurf meiner Mutter war und so konnte ich kontern: „Na, und hat dich heute deine Oma gebracht?“

Ich dachte. „Mann, sind die dämlich. Als ob mich das ärgert, dass meine Mutter jung aussieht. Wie blöde sind die eigentlich?“

Das Menschenbild verzerrt sich im Eindruck vom Mobbing sehr negativ. Auch einer der vielen schlimmen Effekte.

Ein Mal ging mein Vater, nachdem meine Mutter ihn wochenlang bequatscht hatte, zu den Eltern eines der Bushaltestellen-Mobber und wurde deutlich. Danach ließ mich der Junge in Ruhe. Natürlich beschwerte er sich bei mir über diese Beschwerde – er hatte ziemlichen Ärger bekommen. Aber das war für mich völlig in Ordnung.

In der nächsten Schule gab es so einen Jungen, den mein bester Freund mal als „Klassenarsch“ bezeichnet. Diese Rolle erfüllte der Junge gut.

Einmal im Schwimmunterricht im Freibad öffnete er mir vor der gesamten Klasse im Vorbeigehen das Bikinioberteil. Dies rächte ich damit, dass ich ihm umgehend – ich stellte mich dazu hinter ihn – die Badehose bis zu den Knien herunterzog. Sehr zur Belustigung der Klasse.

Den Ärger bekam natürlich ich. Ganz typisch.

Schule bedeutete für mich Angst und Demütigung. Ich hatte Freunde und diese gaben mir Halt. Aber die Angst war immer da. Und das Gefühl, wertlos und lächerlich zu sein.

Dieses hatte ich ja ohnehin schon und dann wurde es aufgegriffen und verstärkt.

Apropos „verstärkt“: Stärke ist etwas, das ich aus diesen Erlebnissen auch zog. Neben all der Verletzung, der Verunsicherung und dem Schmerz. Ich hatte schon früh – im Rahmen meines ausgeprägten Selbsterhaltungstriebs – eine gute Analysefähigkeit. Ich begann, ab der Klasse 7 mein Umfeld noch genauer zu beobachten und zu analysieren. Dann ging ich planvoll vor und zog einen nach dem anderen Klassenmitglied auf meine Seite. Es endete darin, dass ich fast nicht mehr gemobbt wurde, sondern in jenem Jahr sogar zur Klassensprecherin gewählt wurde. Diese Manipulation war das Endergebnis. Und irgendwie schämte ich mich dafür, so vorgegangen zu sein, da ich es als unmoralisch empfand. Aber es hatte geholfen.

Dies schildere ich alles als groben Umriss meiner Erfahrungen, die ich recht gut verarbeiten konnte. Auch, weil Mobbing leider nicht das größte Problem meines Lebens war. Ich habe es so „mitverarbeitet“ als ich ohnehin schon in der Therapiephase meines Lebens war.

Zusehen zu müssen, wie jemand mit meinem Kind ähnlich umgeht, ist natürlich dennoch ein Albtraum. Oder vielleicht auch gerade deswegen: Ich weiß, wie es sich anfühlt.

Immerhin kann ich ihr dadurch geben, was mir damals fehlte: Eltern, die auf meiner Seite waren. Klar, mein Vater gab mir tolle Tipps, wie ich die Überzahl an Jungs einschüchtern sollte und fand auch, ich sei wohl ein wenig feige, wenn ich mich immer wieder nur beschwerte, anstatt mal ordentlich „auf den Tisch (oder in’s Gesicht) zu hauen.“

#NoMobbing

Jede Erfahrung, jeder Tipp ist wichtig und kann dazu beitragen, dass wir aufgeklärter sind und wache Augen haben, um Mobbing begegnen zu können.

Schreibt Eure Erfahrungen auf und schickt mir oder auch Dani den Link zum Blogpost. Wir werden die Artikel lesen und die Links gemeinsam veröffentlichen.

Ihr lieben Leserinnen und Leser kommentiert ruhig. Schreibt Eure Erfahrungen als Kommentare und teilt sie dadurch mit Anderen.

Und vielleicht ist auch jemand unter Euch, der (vielleicht anonym) mitteilen will, dass er selber einmal Mobber war und vielleicht berichten möchte, wie sehr er sich veränderte.

Hier sollen keine Verurteilungen entstehen, sondern der Wunsch im Zentrum stehen, alle Beteiligten und die Vorgänge des Mobbings zu begreifen.

Die Blogparade läuft bis zum 25. November 2016.

Das Bild könnt Ihr sehr gerne als Element nutzen.

Hier geht es zu Danis Artikel #NoMobbing

Gemeinsam können wir einander unterstützen!

Mobbing #NoMobbing



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