Aufregung über Panzerlieferung nach Saudi-Arabien

Ich habe zum ersten Mal seit langem einen Eintrag von mir gelöscht, der unter der Überschrift „Politikwissenschaft im arabischen Frühling“ stand. Es war konkret der Versuch, unsere neuen Leitlinien für Waffenexporte humoristisch aufzuarbeiten, gemäß meiner Überlebensstrategie: Wenn es Dich krank macht, lach es aus. Dafür musste ich schon einen verdammt weiten Bogen schlagen, und wirklich lachen konnte ich trotzdem nicht darüber. Normalerweise würde ich jetzt sagen: Gut, dann halte ich mich ganz davon fern - ändern kann ich es ohnehin nicht, und wozu soll ich mich dann aufregen.

Aufregung über Panzerlieferung nach Saudi-Arabien

In diesem Fall komme ich aber schlichtweg nicht an meinem totgeglaubten Restidealismus vorbei. Ich muss mich aufregen. Und das heißt: Ich muss mich nicht nur darüber aufregen, dass wir scheinbar 200 Panzer an Saudi-Arabien verkaufen. Ich muss mich über den explosionsartigen Anstieg unserer Waffenexporte insgesamt aufregen. Ich muss mich über Rot-Grün aufregen, unter deren pazifistischer, nicht-am-Irakkrieg-teilnehmender Regie wir unsere Rüstungsexporte nahezu verdoppelt haben. Ich muss mich darüber aufregen, dass 11% der weltweiten Waffenexporte das Siegel „made in germany“ tragen. Ich muss mich darüber aufregen, dass wir uns im entsprechenden Ranking in den letzten 20 Jahren von einem erschreckenden 5. Platz auf einen grauenerregenden 3. Platz vorgearbeitet haben.

Ich muss mich darüber aufregen, dass unser Bruttosozialprodukt eine katastrophale Delle erhalten würde, bräche plötzlich der Weltfrieden über uns herein. Ich muss mich darüber aufregen, dass hierzulande 80.000 Existenzen davon abhängen, dass sich die Leute da draußen abschlachten. Ich muss mich darüber aufregen, dass unsere Soldaten, wenn sie angeschossen werden, häufig nicht etwa ein Souvenir aus der Ferne, sondern einen Gruß von zu Hause erhalten. Ich müsste mich darüber aufregen, dass Einsparungen im Verteidigungshaushalt Löcher in die Kassen von Rüstungsbetrieben reißen, die wir jetzt mit der Lockerung von Exportrichtlinien stopfen.

Und natürlich müsste ich mich darüber aufregen, dass das ganz ernsthaft geheimgehalten werden soll und dass selbst jetzt, wo die Katze längst aus dem Sack ist, „geheim“ alles ist, was ich von meiner Regierung dazu zu hören bekomme. Aber noch mehr aufregen müsste ich mich über das, was dann doch aus den Regierungsfraktionen kommt, wie zum Beispiel vom ewigen JU-Vorsitzenden Phillip Mißfelder, der dazu ernsthaft sagt:

Zum einen kaufe Saudi-Arabien ansonsten die Panzer in anderen Ländern. Zum anderen sei das Land ein wichtiger strategischer Verbündeter etwa in der Debatte mit Iran.

Welt.de

Ich müsste mich also darüber aufregen, dass ausgerechnet Waffenexporte nur eine Moral kennen, nämlich die niedrigste „in anderen Ländern“. Und ich müsste mich darüber aufregen, dass ein Land, dass z.B. in Bahrain dabei hilft, Demonstranten abzuschlachten, für uns ein „strategischer Verbündeter“ gegen irgendwas sein könnte. Würde ich mich nicht schon darüber aufregen, dass Saudi-Arabien ja auch unser Verbündeter gegen das böse Libyen ist, das wir aber bis letztes Jahr ebenso mit Waffen bedient haben, worüber ich mich nochmal zusätzlich aufregen müsste.

Und ich habe schon eine chronische Magenschleimentzündung und eine überlaufende Galle. Wenn ich also so darüber nachdenke, lasse ich den Eintrag doch stehen, rege mich nicht auf und präsentiere Ihnen stattdessen

Das Wetter.


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