Muslimische Verbände verdrängen Risiko der Radikalisierung in den eigenen Reihen
Kritik gab es an der Plakataktion des Bundesinnenministers schon seit Beginn: Ob nun als Steckbrief oder Vermisstenanzeige gedacht, provozieren sollten die Aushänge allemal, mit denen Hans-Peter Friedrich auf muslimische Jugendliche aufmerksam machen will, die in die Gewaltbereitschaft und Gesetzlosigkeit abzudriften drohen. Beispielhaft und exemplarisch waren die gezeigten Bilder gedacht, islamische Verbände befürchteten aber wohl ein pauschales Vorurteilen gegenüber jungen Menschen muslimischen Glaubens. Und so reagierten vier von ihnen mit einem Austritt aus der Sicherheitsvereinbarung mit dem Innenministerium, die noch nicht seit allzu langer Zeit bestand und das Ziel hat, muslimische Gesellschaftsschichten für das Problem der Radikalisierung von gerade jungen Gläubigen zu sensibilisieren.
Man mag tatsächlich streiten, ob und in wieweit die Aktion und die Motive, die Aufmachung und die Idee für die Plakate gelungen sind. Und auch mag man daran zweifeln, ob für eine wesentliche Vereinbarung zur Sicherheit des Landes nicht mehr Feingefühl nötig wäre, um gerade das so wichtige Vertrauen zwischen den einzelnen Beteiligten nicht unnötig zu gefährden. Doch gleichermaßen muss man auch zur Debatte stellen, in wie weit solch ein Vorfall tatsächlich allein zu einer derart entschlossenen Reaktion geführt hat. Die „kooperative Haltung“, die sich die Verbände laut „Welt Online“ selbst attestieren (http://www.welt.de/newsticker/news2/article108903362/Islamische-Verbaende-beenden-Mitarbeit-in-Sicherheitspartnerschaft.html), gab es wohl nur bei einseitigem Wohlwollen. Schon länger wird von Unstimmigkeiten im Integrationsdialog berichtet, fühlen sich Islamverbände zu wenig eingebunden oder generell benachteiligt. Der Verdacht liegt nahe, dass der aktuelle Grund dazu genutzt wurde, um ein unliebsames Miteinander begründet beenden zu können. Denn wie ernst war es den muslimischen Vertretern wirklich mit dem Willen der Zusammenarbeit, wenn nun offenkundig das Problem der jungen Radikalisierung nicht angegangen werden soll?
Die Chance wird vertan, den Willen auf Rechtsstaatlichkeit und Demokratie unter Beweis zu stellen. Dass eine ernsthafte Schwierigkeit an nicht sozialbedingtem, sondern kulturell geprägtem und der Herkunft zuzuordnendem Hass auf Andersgläubige gerade bei Muslimen unter 30 Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen hat, haben Studien erst kürzlich wieder bewiesen. Dies zu leugnen, das ist auch der Versuch, den deutschen Staat an der „Nase herumführen“ zu wollen. Ein Verweigern von Mitwirkung lässt befürchten, dass die Vereinbarung möglicherweise nur missbraucht werden sollte, um eigene Interessen durchzusetzen. Denn bei ausreichendem Wollen wäre das erneute Gespräch möglich gewesen, statt die Partnerschaft aufzukündigen. Ob es nun das bewusste Verschließen der Augen vor der unkontrolliert wachsenden Extremismusbereitschaft bei jungen Muslimen, der Druck aus der eigenen Basis in den Verbänden oder lediglich die frustrane Konsequenz aus mangelnder Wertschätzung war – das Ausscheren der muslimischen Organisation könnte möglicherweise tief in die tatsächliche Partizipationsbereitschaft im Kampf gegen islamische Sicherheitsbedrohungen blicken lassen.
Friedrichs Haltung ist hart und konsequent – und sie mag vielen nicht schmecken, die sich rasch angegriffen und diskriminiert fühlen. Dabei ist es der Bundesinnenminister selbst, der immer wieder darstellen musste, welche totalitären Ansichten unter nicht nur salafistischen Strömungen verbreitet sind. Verbote von Vereinen und Organisationen gab es unter seiner Amtszeit reichlich – und diese mussten teils nach erschreckenden Erkenntnissen über bereits vorhandene kriminelle Strukturen unausweichlich ausgesprochen werden. Man kann deshalb dem Hüter der Sicherheit sicher nicht vorwerfen, er handele zu eigennützig oder gar profilierend. An den „Runden Tischen“ zur Integration in den Ländern wurde stets neu klar: Der Wunsch nach dem Vorrang des Islam, nach einer eigenen Justiz und einer Durchsetzung religiöser Gebote wird nicht verheimlicht. Es wäre fahrlässig von einem Minister, hier die Realität nicht deutlich zur Sprache zu bringen.
Weder eine Hetzjagd, noch ein Abstempeln von muslimischen Jugendlichen steckt hinter der Sicherheitskooperation und der momentanen Aktion, um die der Streit entbrannt ist. Es ist allein die Reaktion auf einen Umstand, der faktisch und zahlenmäßig unumstritten ist. Nur Muslime selbst können am besten Einfluss auf die eigene Religionsgruppe nehmen und vor radikalisierender Gewalt warnen. Sie sind es, die unter den eigenen Glaubensfreunden für ein friedliches Zusammensein werben müssen und diejenigen von einem falschen Weg abzuhalten in der Lage sind, die den Boden der Vernunft verloren haben. Wem die Verfassung unseres Landes wichtig ist, der lässt sich nicht durch umstrittene Plakataktionen von einem gemeinsamen Ziel abbringen. Mit einer klaren Aussprache mit dem Minister hätten die Verbände ein Bekenntnis zum freiheitlich-demokratischen Rechtstaat liefern können – jetzt haben sie nur die Köpfe eingezogen und sich ihrer Verantwortung entzogen…
Dennis Riehle