Aufklärung unerwünscht: Terror von Staats wegen

Über die dunklen Verstrickungen deutscher Geheimdienste mit der rechtsextremen Szene ist im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit dem NSU-Skandal bereits einiges ans Licht gekommen. Tatsächlich scheint alles aber noch viel schlimmer zu sein: Im Rahmen des Bommeleeër-Prozess bei dem sich in Luxemburg zwei Gendarmen für eine Serie von Bombenanschlägen zwischen 1984 und 1986 verantworten müssen, hat der Sohn eines mutmaßlich ebenfalls beteiligten BND-Agenten ausgepackt, der offiziell ein Hauptmann des Bundeswehr gewesen sein soll, tatsächlich aber einen inoffiziellen Nebenjob als Oberst beim Bundesnachrichten-Dienst hatte.

Der deutsche Historiker Andreas Kramer hat sich in dem Luxemburger Verfahren als Zeuge zur Verfügung gestellt und erklärt, dass sein Vater im Auftrag der geheimen NATO-Organisation Gladio an den Attentaten in Luxemburg beteiligt war. Nicht weniger interessant ist allerdings der Umstand, dass Kramer senior unter anderem auch beim Attentat auf das Münchner Oktoberfest von 1980 die Finger im Spiel gehabt haben soll, bei dem 13 Menschen getötet und über 200 zum Teil schwer verletzt wurden. Laut Kramer habe sein Vater nicht nur Bauteile für die Bombe beschafft und mit Sprengstoffgemischen für das Attentat experimentiert – schließlich sollte der Sprengsatz zuverlässig explodieren aber gleichzeitig alles irgendwie selbstgebastelt aussehen – sondern auch den Attentäter angeworben, der zusammen mit der Bombe hochging.

Gladio oder eigentlich Stay-behind-Organisation war eine geheime Abteilung, die von der NATO gemeinsam mit der CIA und dem MI6 während des Kalten Krieges aufgebaut wurde, um im Falle einer sowjetischen Invasion in Westeuropa mit Guerilla- und Sabotage-Aktionen eine antikommunistische Stimmung zu verbreiten. Konsequenterweise wurden deshalb gezielt stramme Antikommunisten rekrutiert, die man vor allem in der rechtsextremen Szene fand. Unter anderem wurden Veteranen aus Wehrmacht und Waffen-SS angeworben.

Ursprünglich war Gladio nur die Bezeichnung des italienischen Zweigs der Organisation, der besonders viele Agenten ausgebildet hat und insbesondere die starke Kommunistische Partei Italiens in Schach halten sollte. Insbesondere in Italien verübte Gladio zahlreiche Bombenattentate, die, mehr oder weniger geschickt, linksterroristischen Gruppen in die Schuhe geschoben wurden. Der schrecklichste Anschlag war 1980 der Bombenanschlag auf den Hauptbahnhof von Bologna, bei dem es 85 Tote und zahlreiche Verletzte gab. In diesem Fall wurde der Anschlag allerdings in einem umstrittenen Gerichtsverfahren zwei Rechtsterroristen angehängt.

Offiziell wurde die Stay-behind-Organisation nach dem Fall der Mauer aufgelöst. Die Europäische Union verurteilte das Vorgehen der beteiligten Geheimdienste 1990 und forderte die Mitgliedsstaaten zur Aufklärung auf. In Belgien, Italien und dem Nicht-EU-Land Schweiz wurden parlamentarische Untersuchungskommissionen dazu eingesetzt. Die BBC hat 1992 eine Fernsehdokumentation zu den Aktivitäten von Gladio ausgestrahlt.

In Deutschland ist der Aufklärungseifer in Sachen Gladio sehr verhalten, genau wie das Medienecho zu den neuen Enthüllungen von Andreas Kramer. Aber angesichts der Tatsache, dass auch der NSU offenbar weitgehend vom deutschen Verfassungsschutz gesponsert wurde, verwundert das kaum.

Ein ausführliches Interview mit Andreas Kramer hat die junge Welt in ihrer Wochenendbeilage gebracht.



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