Die Waldbewohner lassen sich durch Gerüchte und Annahmen so viel Angst machen, dass sie aus ihrem geliebten Wald fliehen. Solches Gift gedeiht in einem Teufelskreis aus negativen Gedanken, die zu Worten werden, die wiederum persönlich genommen und weiter verbreitet werden.
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Im Wald herrscht große Aufregung. Das Gerücht macht die Runde, der Bär habe eine Todesliste geschrieben. Er wolle alle Tiere töten, die sich darauf befinden. Verängstigt fragten sich die Waldbewohner, wer von ihnen auf der Liste steht.
Der Hirsch ist der Erste, der seinen ganz Mut zusammennimmt. Er geht zum Bären und fragt mit zittriger Stimme: „Sag mal Bär, steh ich auf deiner Liste?". „Ja", sagt der Bär, „dein Name steht auf der Liste."
Panisch dreht sich der Hirsch um und rennt davon. Er zerbricht sich den Kopf darüber, warum ihn der Bär so sehr hasst, dass dieser ihn umbringen möchte. Voller Selbstzweifel und starr vor Angst schließt er sich in seinem Haus ein, wo er auf sein Schicksal wartet. Zwei Tage später können die anderen Waldbewohner den Hirsch nicht mehr finden.
Die Furcht bei den Waldbewohnern steigt zunehmend. Die Gerüchteküche brodelt. Es werden Wetten abgeschlossen und Allianzen bilden sich. Jeder möchte jetzt wissen, wer noch auf der Liste des Bären steht.
Das Wildschwein ist der Erste, dem der Geduldsfaden reißt. Er sucht den Bären auf und fragt ihn ohne Umschweife, ob er auf der Liste steht. „Ja", antwortet der Bär, „du stehst auf der Liste."
Eingeschüchtert verabschiedete sich das Wildschwein vom Bären. Er fragt sich, was er dem Bären getan hat. Voller Verzweiflung rannte das Wildschwein davon und ward nie mehr gesehen. Nun bricht absolute Panik bei den Waldbewohnern aus. Die meisten Tiere verkriechen sich oder flüchten aus dem geliebten Wald.
Nur der Hase, ausgerechnet der ängstliche Hase, traut sich noch, den Bären aufzusuchen. Er wollte sich seinem Schicksal nicht ergeben. „Bär, stehe ich auch auf deiner Liste?" „Ja, Hase, auch du stehst auf meiner Liste."
„Wirst du mich jetzt umbringen?" „Warum sollte ich das tun, Hase? Ich fertige nur meinen jährlichen Bericht zur Artenvielfalt in unserem Wald an. Leider musste ich schon den Hirsch und das Wildschwein streichen, da sie in den letzten Tagen aus mir unerklärlichen Gründen den Wald verlassen haben."
Die 4 Versprechen
Die Waldbewohner verbreiten Gerüchte, verlieren sich in Annahmen und lassen sich von der Angst sogar aus ihrem geliebten Wald vertreiben. Bei dieser Geschichte muss ich an die Panikmache der Medien denken, die Halbwahrheiten verbreiten, die wir dann als besorgte Bürger wie Gift weiter in die Welt versprühen.
Ich habe diese Fabel von der Todesliste des Bären, von der ich den Ursprung leider nicht kenne, leicht abgeändert, um mich auf ein Buch zu beziehen. Ein Buch, das mich seit fünf Jahren begleitet und stark mit mir räsoniert.
Es handelt sich um „Die 4 Versprechen" von Don Miguel Ruiz. Der Autor ist Mexikaner und in seinen Büchern beruft er sich immer wieder auf die Weisheiten seiner Vorfahren, den Tolteken.
Die vier Versprechen sind ein Ausweg aus diesem Albtraum. Es ist ein Vertrag, den wir mit uns selbst schließen. Die Versprechen lauten: 1. Sei tadellos mit deinem Wort. 2. Nimm nichts persönlich. 3. Triff keine Annahmen. 4. Gib immer dein Bestes.
Sei tadellos mit deinem Wort bedeutet, dass wir nur das sagen sollten, was wir meinen. Kein Klatsch und Tratsch, keine böswilligen Anschuldigungen, Lügen oder Manipulationen, mit denen wir andere Menschen oder uns selbst wissentlich verletzten. Gedanken und Worte formen unsere Realität.
Nimm nichts persönlich bedeutet, dass niemand etwas wegen dir tut. Was andere Menschen tun, ist immer eine Reflexion ihrer eigenen Persönlichkeit. Wenn dich jemand beleidigt oder belügt, sind das seine eigenen Probleme. Jeder lebt in seiner eigenen Welt.
Triff keine Annahmen bedeutet, mutig genug zu sein, um nachzufragen, anstatt Erwartungshaltungen aufzubauen. Missverständnisse sind meist das Ergebnis von schlechter Kommunikation, die wiederum negative Gefühle mit sich bringt. Annahmen sind nicht wahr, sondern Fiktion.
Gib immer dein Bestes bedeutet, dass niemand von uns perfekt ist. Entscheidend ist, dass wir handeln. An manchen Tagen fällt es uns leicht, die ersten drei Versprechen einzuhalten, an anderen schwerer. Wenn wir unser Bestes tun, dann kann uns der innere Kritiker keine Vorwürfe machen.
Die Panikmacher
Zurück zur Geschichte. Es gab ein Gerücht, welches im Wald für Angst und Schrecken gesorgt hat. Je mehr Tiere sich daran beteiligten, desto miserabler wurde das Leben für alle. Es war Gift, das sich unter den Waldbewohnern verbreitete. Erinnert dich das nicht auch an Schlagzeilen aus Zeitungen? Oder an Versicherungen, Pharmaindustrie und Rüstungskonzerne, die mit unserer Angst viel Geld verdienen?
Basierend auf diesen Gerüchten haben die Tiere Annahmen getroffen. Werde ich auf der Liste sein? Wenn ja, bedeutet das dann den sicheren Tod? Sie haben nicht nachgefragt, um ihre Annahmen zu bestätigen oder zu widerlegen. Sie haben sich von ihrer Angst leiten lassen und damit eine Realität geschaffen, die einem Albtraum glich. Einzig der Hase war mutig genug, um die Situation zu hinterfragen.
Du kennst das sicher aus deinem Alltag, wenn der Partner oder ein Freund zu spät zum verabredeten Abendessen kommt. Dann sind wir schnell darin, Vorwürfe zu machen. Wir fühlen uns dann ungerecht behandelt. Oft sind es banale Missverständnisse, die durch ein kurzes Gespräch geklärt werden können.
Selbst wenn es keine Klärung gibt, sind diese Handlungen nicht persönlich gemeint. Der Bär hat einfach nur seine Arbeit erledigt. Er hatte keinen persönlichen Groll gegen den Hirsch oder das Wildschwein. Aber die beiden haben sich so in ihrer Angst verloren, dass sie das emotionale Gift aus dem Wald vertrieben hat.
Beobachte diesen Teufelskreis mal in deinem Alltag. Es beginnt mit negativen Gedanken, die zu Worten werden. Diese Worte nimmst du selbst oder jemand anders persönlich. Dann verlierst du dich in Annahmen darüber, warum jemand so etwas Gemeines gesagt haben könnte. Du erzählst einem Freund, wie unfair du behandelt wurdest. Dieser Freund nimmt die negativen Emotionen mit und versprüht sie selbst wieder woanders.
Du kannst diesen Teufelskreis jederzeit durchbrechen, wenn du erstens, tadellos mit deinem Wort bist, zweitens, nichts persönlich nimmst, drittens, keine Annahmen triffst und viertens, immer dein Bestes gibst.
Ich möchte dir sehr ans Herz legen, dieses Buch von Don Miguel Ruiz zu lesen. Und ich wünsche uns allen, dass wir unser Leben nicht durch Angst, Gerüchte und Annahmen leiten lassen, sondern durch Liebe.
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