Aufgewacht S1E15: Der Elefant oder wie du ein Leben in Gefangenschaft führst

In dieser Geschichte geht es um das Festhalten an alten Gewohnheiten. Gewohnheiten, die wir so verinnerlicht haben, dass sie zu Glaubenssätzen werden, die so stark sind, dass sie uns in Gefangenschaft halten, ohne dass wir das merken.

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Cornelius ist schon über 40 Jahre alt. Seine graue Haut ist ausgeblichen von der Sonne. Um 7 Uhr am Morgen beginnt seine Schicht im Norden von Thailand. Dann heißt es wieder, Scharen von Touristen durch den Dschungel spazieren zu tragen.

Am schlimmsten sind die Kinder, die rücksichtslos an seinen Ohren und am Rüssel ziehen. Und diese ständigen Blitzlichter von den Fotoapparaten, die ihn jedes Mal völlig benommen dastehen lassen. Aber was hatt er schon für eine Wahl, wenn er nicht wieder den Haken seiner Aufpasser in der Haut spüren wollte.

An seine Kindheit erinnert sich Cornelius nur noch dunkel. Als er ganz klein war, hat er zusammen mit seiner Herde in Freiheit gelebt. Sehr lebendig jedoch war die Erinnerung an die Menschen, die eines Tages kamen und mit Feuerkugeln auf seine Eltern schossen. Als er mit ansah, wie diese starben, wurde er von den Jägern auf einen großen Truck verladen.

Die größte Zeit seines Lebens verbrachte er dann in einem Zirkus. Anfangs versuchte er ununterbrochen, sich aus der Gefangenschaft zu befreien, aber die Kette, an die er angebunden war, bohrte sich bei jedem Versuch immer tiefer in seine Haut. Damals war er noch ein Babyelefant. Seine Kraft reichte nicht aus, um den kleinen Pflock aus dem Boden zu ziehen.

Nach einem Jahr ergab er sich seinem Schicksal. Das würde von nun an sein neues Leben sein. Er führte Kunststücke vor, posierte für Fotos und vergaß, dass sein Leben jemals anders war. Irgendwann wurde er dann im Zirkus ausgemustert und musste Touristen auf seinem Rücken tragen.

Mittlerweile war Cornelius zu einem wahren Giganten herangewachsen. Er war so stark, dass er die Kette mitsamt dem Pflock, ohne große Probleme herausreißen könnte. Aber warum tat er das nicht?

Seine Erinnerungen an die vielen fehlgeschlagenen Versuche waren so schmerzhaft, dass er es nicht mehr probierte, sich zu befreien. Der Elefant war sich seiner Stärke nicht bewusst. Und so drehte er traurig weiter seine kleinen Kreise um einen Pflock, der nur wenige Zentimeter im Boden steckte.

Mentale Ketten

In dieser Geschichte geht es um das Festhalten an alten Gewohnheiten. Gewohnheiten, die wir so verinnerlicht haben, dass sie zu Glaubenssätzen werden, die so stark sind, dass sie uns in Gefangenschaft halten, ohne dass wir das merken.

Obwohl Cornelius in den letzten Jahren unheimlich gewachsen ist, stellte er seine Kraft nicht mehr auf die Probe. Seine Erinnerungen hindern ihn daran, sich zu befreien. Er gibt sich seinem Schicksal hin und führt weiterhin sein trauriges Dasein.

Ein Elefant vergisst nie, heißt es. Und auch wir Menschen haben so viele Dinge in unserem Unterbewusstsein abgespeichert, die wir nicht mehr auf die Probe stellen.

Wir haben in der Vergangenheit etwas probiert, sind damit gescheitert und versuchen es nicht noch einmal. Zu schmerzhaft sind die Erinnerungen. Was aber, wenn wir heute ohne Probleme diesen kleinen Pflock aus dem Boden reißen könnten?

Ich erzähle dir diese Geschichte, weil wir uns im Leben viel zu oft mit Situationen abfinden, die in der Vergangenheit liegen, heute aber nicht mehr unserer Realität entsprechen. Wie den Elefanten halten uns fehlgeschlagene Versuche davon ab, etwas erneut zu versuchen.

Limitierende Glaubenssätze

Genauso wie der Elefant haben wir allerdings weitaus mehr Kraft, als uns bewusst ist. Manchmal brauchen wir Muskelkraft, um uns von einer Kette loszureißen, meist aber ist es Willenskraft. Limitierende Glaubenssätze, die uns im Leben aufhalten, können wir entkräften, indem wir sie widerlegen.

Der Glaubenssatz des Elefanten lautet: „Ich bin nicht stark genug, um mich aus der Gefangenschaft zu befreien". Dieser Glaubenssatz war wahr, als er ein Baby war. Wenn er heute mit voller Kraft an der Kette ziehen würde, dann hätte er den Gegenbeweis für diesen Glaubenssatz. Seine Realität würde sich verändern.

Einer meiner Glaubenssätze, mit denen ich aufgewachsen bin, ist, dass „Geld stinkt". Alle Kapitalisten waren in meinen Augen gierig und schlecht. Ich habe immer genau soviel Geld verdient, wie mir zum Leben gereicht hat. Mehr habe ich mir selbst nicht zugestanden.

Das ist ein fürchterlicher Glaubenssatz, den ich erst entkräften konnte, nachdem ich reiche Menschen kennengelernt habe. Als ich realisiert hatte, dass diese nicht weniger gut oder schlecht sind, hat sich meine Denkweise langsam verändert. Mittlerweile habe ich eine gesundere Beziehung zu Geld.

Ein anderer Glaubenssatz war, dass ich es allen recht machen muss, um gemocht zu werden. Das hat dazu geführt, dass ich meine eigenen Bedürfnisse den Bedürfnissen von anderen Menschen untergeordnet habe. Mühsam musste ich lernen, dass ich es nur einem recht machen muss und das bin ich selbst.

Was löst bei dir starke Emotionen aus? Was beleidigt dich oder macht dich wütend? Was hält dich zurück? Welche Ratschläge hast du vor allem als Kind so oft gehört, bis sie ein Teil von dir wurden? Hast du gelernt, wie Beziehungen aussehen sollten? Welche Bedeutung Geld in deinem Leben spielt? Was für dich gut und schlecht ist?

Wenn du die Pflöcke und Ketten in deinem Leben erkennst, dann gib ihnen einen Namen. Denke darüber nach, ob diese Ansichten immer noch Bestand für dich haben oder du sie hinterfragen solltest.

Vielleicht muss Arbeit für dich nicht immer anstrengend sein. Vielleicht kannst du deinem Partner vertrauen. Vielleicht willst du gar kein Haus im Grünen. Vielleicht bist du gut genug, genauso wie du bist.

Sei schlauer als der arme Elefant. Bitte lasse dich nicht von alten Gewohnheiten fesseln und entmutigen, nur weil du in der Vergangenheit mal an etwas gescheitert bist. Du hast jeden Tag wieder aus Neue die Chance, dich von deinen Ketten zu befreien.

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