Letztendlich haben wir es doch geschafft! Wir verließen die Südinsel Neuseelands, auf der wir mittlerweile 8 wahnsinnig schöne Monate verbracht haben und gaben der Nordinsel ihre Chance uns zu beeindrucken. Wir hatten nicht wahrnisinnig viel Hoffnung, denn wir hörten von anderen nicht so viele Berichte, die uns hierher lockten, doch der Anfang war vielversprechend: Noch immer leicht angeschlagen fuhren wir von Nelson nach Picton und nahmen die abendliche Fähre, was sich als die ideale Zeit herausstellte, um die Fjorde noch im Abendlicht zu sehen, einen Sonnenuntergang auf dem Meer zu erleben und dann bei Dunkelheit in die hell erleuchtete Hauptstadt einzufahren. Der Wind war stark, so dass wir uns auf offenem Meer im Innenraum des Schiffs aufhielten. Nur die ganz Harten und Kinder ließen sich ab uns zu zur Belustigung der Zuschauer im Innenraum draußen durchblasen und kämpften gegen den Wind.
Für die Fahrt kann man zwischen den beiden Anbietern Interislander und Bluebridge wählen. Für unsere Auto (4-5 Meter Länge) wäre die Fahrt mit der Bluebridge preiswerter gewesen. Jere hat jedoch mit der Bootsfahrt auf seinem Queen Charlotte Track eine Vergünstigung für die Interislander erworben, so dass diese nur noch ca. 2 Dollar teurer war und wir uns diesen Luxus (keine Ahnung, ob die Fähre tatsächlich besser ist) dann gönnten.
In Wellington angekommen, hatten wir ein kleines bisschen Zweifel, ob wir nicht doch vorher schon ein Hostel hätten buchen sollen. Uns ging es beiden noch nicht hundertprozentig gut und in einer großen Stadt wild zu campen ist nicht ideal, da keine Toilette in der Nähe ist und oft „overnightcamping“ explizit verboten ist. Wir schauten uns die Karte an und entschieden uns für die Südspitze der Halbinsel, auf der auch „Wellywood“ liegt, eine eher reichere Wohngegend (aber nur in der südlichen Spize und oben auf den Hügeln) und Standpunkt einiger weniger Filmproduktionsunternehmen. Tatsächlich waren dort an der Spitze einige Parkbuchten, an denen keine Schilder das Übernachten verboten. Wir suchten uns eine der Buchten aus, in denen noch kein Auto (mit wahrscheinlich wild knutschenden Jugendlichen) stand und machten unseren Van schlaffertig. In der Nacht kamen immer wieder Autos in die Bucht gefahren. Ich denke, die suchten ebenfalls ein ruhiges Plätzchen, trotzdem war ich etwas nervös. Auch am Morgen parkten einige Autos und die Insassen gingen an den Strand, den wir jetzt zum ersten Mal bei Tageslicht sahen. Diese Landspitze sah der Südinsel gar nicht so unähnlich: rauhe Steine, wildes Wasser, Nebel. Wieder wiesen Schilder auf evtl. Pinguine hin, doch wieder sahen wir keine.
Wir fuhren ein wenig durch die Wohnorte und kamen auf die Idee, nach der Spezialeffektefirma für Herr der Ringe zu suchen: „Weta“. Auf der Suche entdeckten wir ein anderes Filmgebäude, dass wirklich modern aussah. „Weta“ hat dagegen unscheinbare Blechhhallen, denen man ihr künstlerisches Innenleben nicht ansieht. Jedoch gibt es einen „Shop“. Hier kann man natürlich Merchandisingprodukte erwerben, wie „den einen Ring“ und einen Neuseelandführer, in dem die Filmsets aufgezeigt sind (sehr interessant, aber leider auch sehr teuer)! Neben dem Verkauf steht aber auch die Absicht im Vordergrund, den Besuchern einen Einblick in die Arbeit zu geben. Da man nicht in die Produktionshallen darf, weil dort an geheimen zukünftigen Projekten gearbeitet wird, gibt es ein paar originale Ausstellungsstücke, wie die Schwerter der Gefährten, Rüstungen und Puppen (von anderen Filmen). Jede halbe Stunde oder so wird in einem kleinen Raum ein Film mit einer Zusammenfassung über die Vergangenheit und die Arbeit von „Weta“ gezeigt, alles natürlich kostenlos und interessant.
Wellington macht nach der ruhigen Südinsel einen hektischen und chaotischen Eindruck. Hier leben wohl laut Studien auch die nervösesten Neuseeländer. Haupstadt ist es geworden, als sich die Regierungsvertreter der Südinsel beschwerten, dass sie bis nach Auckland jedesmal einen Monat reisen müssten. Diesen und andere interessante Fakten erzählte uns die Führerin im Parlamentsgebäude. Auch diese Führung war wieder kostenlos und ist sehr zu empfehlen. Bestandteile der Führung sind das „Bienennest“ (neues Regierungsgebäude), das Parlamentsgebäude und die parlamentarische Bibliothek. Alles begann wieder mit einem kleinen Film, was hier in Neuseeland dazu gehören zu scheint. Im Bienennest, das von innen schöner aussieht, als von außen, wird dann bei der tatsächlichen Führung nur eine Ebene und ein wenig „moderne Kunst“ gezeigt. Im Parlamentsgebäude wird großen Wert auf den Umbau gegen Erdbebenzerstörungen gelegt. So geht man in den Keller und schaut sich an, wie quasi das ganze Gebäude horizontal durchtrennt wurde und überall Dämpfer installiert wurden. Man wird in den „Maoriraum“ geführt und am Ende auch in den Raum des Unterhauses, der die gleichen Maße des Unterhauses in London hat, jedoch sehr viel weniger Stühle. Da wundert man sich echt, wie die in London alle reinpassen. Sehr interessant war auch der Kommentar, dass der Tisch in der Mitte der beiden Parteien so breit ist, damit der gegenüber nicht mit dem Schwert erstochen werden kann. Die Bibliothek ist architektonisch besonders schön, leider wurden wir nicht in den aktuellen Bibliotheksraum geführt. Ich habe ihn durch eine Tür gesehen und er erinnert an diese alten englischen Universitätsgebäude mit den hohen spitzen Decken und der Holzverzierung.
An unserem letzten Tag in Wellington besuchten wir das „Te Papa“, ein Museum, von dem viele Besucher schwärmen. „Te Papa“ bedeutet „Unser Ort“ und ist für die Neuseeländer gemacht, um etwas über die Geschichte und das Land Neuseeland zu erfahren. Auch hier ist der Eintritt wieder kostenlos und wir waren von der Aufmachung beeindruckt. Reisende hatten uns erzählt, dass das Museum mehr als einen Tagesbesuch verlangt, was wir nicht bestätigen können. Wir schätzen, dass man in 5-6 Stunden alles gründlich angeschaut hat. Wer selektiv vorgeht und nur das näher betrachtet, was ihn interessiert, der schafft es in 2-3 Stunden. Anders als die meisten anderen Museen, in denen ich war, ist das „TePapa“ auf dem aktuellen Stand der Ausstellungstechnik und des Designs. Die Erklärungstafeln, Bebilderung, Aufteilung der Ausstellungsfläche etc. sind in einem einheitlichen durchdachten Konzept. Ganz besonders beeindruckt waren Jere und ich von den interaktiven Computerspielen, die hauptsächlich dazu benutzt wurde, komplexe Dinge darzustellen oder Wissen in einem Spiel abzufragen. Auch hier wirkte das Design auf dem neusten Stand, übersichtlich und machte Spaß.
Nach unserer wild gecampten Nacht entschieden wir uns, noch zwei Nächte in ein Hostel zu gehen, weil wir noch nicht wieder ganz erholt waren. Da es in Wellington keine gut bewerteten Hostels gibt, entschieden wir uns für ein Top-Hostel etwas nördlich von Wellingten, die Moana Lodge, durch deren großen Glasfenster wir in der weiten Ferne noch einmal die Südinsel erahnen konnten. Noch ein letzter Blick und weiter ging es in den Norden.