Auf welcher Seite willst Du leben? – Seitenwechsel

Von Buecherchaos @FranziskaHuhnke

Seitenwechsel

Michael Römling

Coppenrath, 2014

 978-3649615170

17,95 €

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Berlin im Sommer 1961: Die Brüder, Bernhard und Julius, teilen sich eine Wohnung im Osten von Berlin. Die beiden sind sehr unterschiedlich und während der eine mit Freund Jack Jazz hört und Platten verkauft, liegt der andere im Wald auf der Lauer. Dort beobachtet er etwas, dass er nicht sehen darf und steht plötzlich im Fokus der Regierung. Als die Jungs sich gegenseitig bespitzeln sollen, spitzt sich die Lage nicht nur in ihrer Umgebung weiter zu, sondern in ganz Ostberlin …

Julius mag Musik und Platten und hat einen Faible für seinen Freund Jack. Der ist zwar Amerikaner, aber am Anfang macht das der Freundschaft noch nichts aus. Mir gefiel es, wie Julius seine Freundschaft pflegt und auch für sie einsteht. Was mir etwas gefehlt hat, waren andere Gefühle. Wie denkt er über die Situation in Berlin, über seinen Vater? Es wurde zum Teil nur angerissen, was ich sehr schade finde und Julius etwas blass wirken lässt.

Bernhard hingegen sagt öfter, was er denkt und man sieht es ihm auch an. Er ist zwar der Stillere von beiden, der auch etwas im Leben erreichen möchte, aber leider auch der, der in den Fokus gerät. Da ich erst im Februar in einem Vernehmungszimmer der Stasi gestanden habe, konnte ich mir die Angst von ihm sehr gut vorstellen.

Jack und Georg sind zwei Freunde der beiden. Der erste hat viel mehr Raum in der Geschichte erhalten als der Steinmetz. Was irgendwie auch recht natürlich wirkt, denn Jack arbeitet für die Amerikaner und gräbt sich da immer tiefer hinein in die Machenschaften. Er ist sehr lebhaft und ich mochte sein sonniges Gemüt, seinen Hang zu Frauen/Mädchen und die Loyalität seinen Freunden gegenüber.

Ostberlin kurz bevor die Mauer steht. Jeder hat  schon ein bisschen oder sehr viel über diese Zeit gelesen, geschaut oder gelernt. Hier wird das Wissen in eine Geschichte verpackt, die mit ihrer Kulisse wirklich stimmig daherkommt. Von Berlin wird so viel wie nötig beschrieben und ich habe fast alles wieder erkannt, was heutzutage ein Tourist in Berlin besuchen würde. Nur es hat im Roman noch seine eigentliche Funktion.

“Seitenwechsel” beschäftigt sich mit einem schwierigen und teils sehr traurigem Thema, wenn ich daran denke, wie viele Menschen den Wechsel nicht geschafft haben, im Gefängnis landeten oder schlimmeres.

Die Geschichte versucht dieses Thema so aufzubereiten, dass auch jüngere Leser etwas daraus lernen, aber nicht die Lust am Lesen verlieren. Am Anfang klappt das nicht so gut, denn die Geschichte beginnt erst nach der Hälfte der Seiten etwas Spannung aufzubauen. Davor gibt es viele Gespräche zwischen den Brüdern, ein paar Erklärungen zu Jack und Co. und eine lustige Episode mit ein paar Mädchen.

Es geht um eine tiefe Freundschaft, die der Leser zwar die meiste Zeit vor Augen hat, aber gar nicht weiß, ob er dieser vertrauen kann. So ging es mir jedenfalls, denn die Stasi hat ihre Finger im Spiel und ich weiß lange Zeit nicht, ob die Jungs ihr standhalten. Immer wieder dreht Michael Römling das Geschehen, in dem er die Regierung etwas Neues tun lässt oder sogar etwas an den Übergängen in der Stadt passiert. Oft kippt die Stimmung. Eben haben sie noch getanzt und gelacht, dann fühlen sie sich verfolgt und belogen.

Allerdings bringt dieser Wechsel keine wirkliche Spannung hervor und treibt auch manchmal die Geschichte nicht voran. Wer darüber nachdenkt, was der Titel bedeutet, kann sich denken, worauf es hinausläuft. Und auch dieses Ende hat mich etwas gestört, fast war es mir etwas zu “Friedefreude-Eierkuchen”. Ich denke die Leser hätten auch mit etwas anderem leben können und hätten sich mit einem anderen Ende mehr Gedanken über die Zeit und ihre komischen Regeln gemacht.

Ich empfehle immer noch “Schattenspieler” von Michael Römling, das eine andere Zeit aufgreift, aber viel spannender ist. 

Das Buch hat ein nettes Cover, das auf den Plattenverkauf der Jungs anspielt und natürlich einen Titel, der zweideutig gelesen werden kann. Eine gute Mache, um nicht zu viel zu verraten und trotzdem den Inhalt schon mit einzubeziehen.

Diesmal gebe ich leider nur drei Bücherpunkte, denn die Geschichte konnte mich am Anfang nicht begeistert. Sie zog sich und die Figuren ließen mich nicht in ihr Herz.