Dieses Wort kann verletzend sein –
bitte verwenden Sie es nicht mehr!
Deutschland räumt auf. Wörter werden darauf abgeklopft, ob sie Menschen verletzen oder Kinderhirne vergiften könnten.
Die guten ins Köpfchen, die schlechten ins Kröpfchen. Am Ende sind alle glücklich und die Sprache ist wieder so sauber und korrekt, wie wir uns als Gesellschaft präsentieren wollen.
Alle sind glücklich?
Andreas: Noch politisch korrekt oder schon die Schere im Kopf? Müssen wir jetzt in unserem Duden Wörter streichen? Kinderbuch-Verlage nehmen aus ihren Büchern Ausdrücke wie "Neger" oder "wichsen" raus. Ist das in Ordnung? Als diese Worte geschrieben wurden, hatten sie eine andere Bedeutung. Müssen wir uns von ihnen trennen oder sie mit einer Fußnote versehen?
Uschi: Ich möchte hierzu gern einen Streifzug durch die Presse unternehmen. Ich denke, angefangen hat diese ganze öffentliche Diskussion mit der Familienministerin Kristina Schröder:
"Der Wochenzeitung Die Zeit erzählte die CDU-Politikerin, sie würde ihrer 18 Monate alten Tochter aus Astrid Lindgrens Kinderbuch Pippi Langstrumpfvorlesen, dabei aber das Wort Negerkönig "synchron übersetzen". Später, wenn ihre Tochter älter ist, wolle sie ihr dann die Geschichte des Begriffs erklären."
(19.12.12, Heise.de)
So. Erstens mal würde mich interessieren, inwieweit ein 18 Monate altes Kind weiß oder sich denken kann, was ein "Negerkönig" ist. Vor allem, wenn es das Wort eh nicht hört, weil es zensiert ist, wozu also später etwas erklären, von dem man nie geredet hat, bitteschön? Und vor allem frage ich mich, wie ein 18 Monate altes Kind die Geschichte der Pippi Langstrumpf an sich begreifen soll. Zweitens, und da gebe ich Peter Mühlbauer im obigen Artikel recht, hat sie das Buch wohl nie gelesen, da es sich hierbei um einen Weißen handelt ...
An dieser Stelle muss ich mich fragen: Wenn eine Geschichte so sehr mit unaussprechlichen Ausdrücken in Anspruch nimmt, wieso nimmt man die Klassiker denn überhaupt zur Hand und verstümmelt sie bzw. biegt sie sich so zurecht, wie sie "einem passen" – ist doch egal, was der Autor geschrieben hat, ich bin der Leser und bestimme – anstatt den Kindern dann eben das vorzulesen, was dem heutigen Stand und der perfekten Political Correctness entspricht, wie Benjamin Blümchen, Prinzessin Lillifee, Bibi Blocksberg & Co? Meine Eltern haben mir die Grimms nicht vorgelesen, weil sie ihnen zu grausam waren, sondern entsprechend andere Kinderbücher herausgesucht. Wie wäre es denn damit? Ich glaube, hier wollte sich jemand nur wichtigmachen und in die viel zu großen Fußstapfen einer anderen Sauberfrau treten.
Aber nun geht es ja weiter, die Verlage haben schlagartig Angst um ihre Käufer. Am 8.1.2013 schreibt Michael Roesler-Graichen sehr zutreffend imBörsenblatt:
"Die Sprache eines literarischen Werks – und dazu gehören auch Kinderbücher – an den jeweiligen Zeitgeist, die jeweilige Doktrin oder Ideologie anzupassen (und dazu gehört in gewisser Weise auch die Political Correctness), beeinträchtigt die Integrität des Werks derart, dass man seine Identität bezweifeln mag."
Und auch hier sagt er ein sehr wahres Wort:
"Zur Leseförderung und Spracherziehung gehört es außerdem, Kindern die Vorstellung verschiedener Sprachstufen zu vermitteln, die sie im Kontakt mit Älteren, etwa den Großeltern, ohnehin erleben."
Das Schönste zum Schluss:
"Die Besonderheit eines literarischen Werks sollte nicht dem Argument der besseren Verkäuflichkeit geopfert werden."
So! Das sitzt. Da kann man noch so sehr daherkommen mit "die Kinder verstehen das nicht", hierfür gibt es Lösungen, dass sie verstehen lernen – beispielsweise, indem man die Lektüre dem Alter angepasst vorsetzt.
Es geht jedoch weiter. In einem offenen Brief vom 23.1.13 äußert sich der Verleger des Thienemann Verlag zur Kleinen Hexe von Otfried Preußler selbst:
"Die behutsame sprachliche Modernisierung in 'Die kleine Hexe' geht auf die von mir ausdrücklich begrüßte Initiative der Familie Preußler zurück, ist mit dieser abgestimmt und von dieser autorisiert."
Nanananana, Herr Verleger, da haben Sie wohl ein bisschen was übersehen, was am 4.1. schon in der TAZ zitiert wurde:
"Mesghena (...) schrieb einen Brief an den Verlag, in dem er sich über die „rassistischen und ausschließenden“ Begriffe beschwerte. Nach einem Mailwechsel erhielt er im Dezember dann eine überraschende Antwort.
„Auch Ihrem Schreiben von neulich ist es wohl zu verdanken, dass es gelungen ist, die Familie Preußler davon zu überzeugen [Hervorhebung von mir], die fraglichen Begriffe in ’Die kleine Hexe‘ auszutauschen“.
Da stellt sich der Sachverhalt doch ein bissl anders dar, oder?
Ich hätte diesen Exkurs nun gern mit einem Zitat einer Schülerin beendet, die sich ebenfalls in einem offenen Brief an den Verlag geäußert hat, und die mit dieser "Zensur", wie auch immer man es nennen mag, nicht einverstanden war und recht gute Begründungen – nämlich aus ihrer Sicht einer unmittelbar Betroffenen – geäußert hat. Dummerweise finde ich den Artikel trotz googeln nicht mehr, sehr schade. Das wäre ein schöner Abschluss gewesen, wenn man einfach mal die Kinder selbst zu Wort kommen lassen würde. Wie, die verstehen das nicht, weil sie noch zu klein sind? Tja, wo liegt dann das Problem?
Andreas: Muss ich mir eine Liste von Wörtern zulegen, die ich nicht verwenden darf, weil sie andere Menschen verletzen könnten? Wer sagt überhaupt, dass sie andere Menschen verletzen? Ehrlich gesagt vermisse ich meinen Negerkuss ein wenig, auch wenn das rein wegen der Nostalgie ist.
Uschi: Ganz offen gestanden liegt es doch an mir, ob ich mich beleidigt fühle. Der Begriff der Asiaten für uns als "Langnasen" ist keineswegs schmeichelhaft gemeint und eindeutig rassistisch. Mir ist das aber schnurzpiepe, die können mich auch Weißbrot heißen. Auf das Verhalten dazu kommt es an. Wie ich schon einmal sagte, diese immer wieder auflodernde p.c.-Hysterie erinnert mich an eine Folge der Simpsons, als Marge Simpson im Gemeinderat die Anregung gab, "schlimme Wörter" zu verbieten. Man kann sich vorstellen, dass es bald so viele Wörter wurden – weil jeder irgendein Wort "schlimm" fand und wegen der Demokratie alle verboten werden mussten –, dass die Kommunikation völlig zum Erliegen kam. Das alles führt doch zu nichts, denn es schafft damit weder Rassismus noch Diskriminierung ab, sondern man verwendet einfach nur ein anderes Wort. Wie auch immer ich etwas bezeichne, der Hintergrund ändert sich nicht. Man kann eine blaue Wand noch so oft weiß übertünchen, das Blau darunter bleibt immer bestehen und kommt zum Vorschein, sobald das Weiß abgekratzt wird. Das ist Schönfärberei und Heuchelei, "wie gleich wir doch alle sind". Sind wir nicht! Solange zu viele Menschen weltweit unter Diskriminierung und Rassismus zu leiden haben. Ein neues Wort ändert nichts an der Einstellung und dem Verhalten. Darauf einen kräftigen Fluch! #*!§$%&
Andreas: Noch einmal zurück zu Kinderbüchern. Diese scheinen anfällig für Modernisierungen zu sein. Der Omnibus-Verlag bringt die Burg-Schreckenstein-Bücher in einer "aktualisierten" Fassung heraus, die den heutigen Sprach- und Lebensgewohnheiten der Kinder und Jugendlichen entsprechen soll. Die Originale erschienen zwischen 1959 und 1988.
Um ein digitales Archiv zu erhalten, muss es immer wieder umkopiert werden. Um den Inhalt der Bücher zu erhalten, müssen diese auch "umkopiert", also stets auf den neuesten Stand der Erkenntnis und der politischen Korrektheit gebracht werden?
Uschi: "New adventures", wie es sie bei den Comics häufig gibt, sind völlig legitim. Reboots, Neustarts, wie auch immer man es nennen will. Aber eine Modernisierung, wie bei der Neuübersetzung des Herrn der Ringe geschehen, wo aus "Herr Frodo" "Chef Frodo" wurde – das geht einfach gar nicht. Insofern wird die "Modernisierungsdebatte" ja schon seit längerem geführt. Ich darf hier noch einmal auf das Zitat oben von Peter Mühlbauer verweisen, dass zum Umgang mit unserer Sprache auch die Historie gehört, und das ist auch bei Kinderbüchern der Fall, nicht nur bei Klassikern wie Goethe, Shakespeare & Co. Damit werden das Original und der Zeitgeist verfälscht. Sollte Bedarf an einer Überarbeitung bestehen, so darf sie rein auf die Initiative des Autors zurückgehen.
Aber die Gleichmacherei treibt ja noch weitere Blüten. Leider kann ich den Sender und die Sendung als Beleg nicht mehr benennen, weil es gerade beim Herumzappen geschah – aber im TV gab es aktuell (27.1.13) eine Diskussion dazu, und da kam auch zur Sprache, dass Enid Blytons Bücher umgeschrieben wurden: Nun waschen nicht mehr die Mädchen das Geschirr, sondern die Jungs.
Jetzt gehen mir die Worte aus, aber ernsthaft. Dazu kann und will ich nichts mehr sagen