Auf ein Wort mit Nikola Richter | mikrotext

Von Sandro Abbate @novelerolit

5 Jahre mikrotext!

Im Herbst letzten Jahres traf ich auf der Frankfurter Buchmesse die Berliner Verlegerin Nikola Richter und konnte mit ihr kurz unter anderem über lateinamerikanische Literatur im Allgemeinen und über die im mikrotext Verlag erscheinenden Bücher von Alan Mills im Speziellen sprechen. Sich selbst beschreibt mikrotext als ein „Verlag für Texte mit Haltung und für neue Narrative“ mit Schwerpunkt auf „aktuellen literarischen Texten, die Zeitgenossenschaft dokumentieren und Perspektiven in die Zukunft schreiben.“ Hauptsächlich werden die Bücher digital veröffentlicht, einige sind jedoch auch in gedruckter Form im Buchhandel erhältlich. Diesen Monat feiert mikrotext seinen 5. Geburtstag. Hierzu habe ich Nikola ein paar Fragen gestellt.

Nikola, der fünfte Geburtstag des mikrotext Verlags steht unmittelbar bevor. Wie sieht deine Bilanz aus? Haben sich die Mühen gelohnt?

Ich bin in Feierlaune. Fünf Jahre, das ist eine halbe Dekade, über 50 E-Books, davon sechs englischsprachige, bald 14 Bücher, die ersten Hardcover kommen in diesem Frühjahr. Ich habe, auch durch die zahlreichen Anthologien wie „Willkommen. Blogger schreiben für Flüchtlinge“, „Straight to your heart“, „Irgendwas mit Schreiben, „Global und beta“, „Die Stadt der Anderen“ oder „Gezi bleibt“ mit etwa 150 AutorInnen aus über 10 Ländern und großartigen Herausgebern wie Stefan Mesch, Jan Fischer oder dem Verein KOOK zusammengearbeitet. Zwei Auszeichnungen gingen an mich für die Verlagsarbeit … Das Tollste ist aber eigentlich, dass ich den Verlag aus so einer einsamen Laune heraus im Januar 2013 gegründet habe, als Leserin, weil ich kurze Lektüren auf dem Smartphone in klassischen Verlagen vermisste. Da gab es nur David Foster Wallace „Das hier ist Wasser“ und die gemeinfreien Klassiker beim Project Gutenberg. Und dann stellte ich fest, dass sich parallel andere Digitalfirst-Verlage wie Frohmann, CulturBooks, Das Beben, shelff, ring ebooks, 60 pages, gründeten, dass da also etwas in der Luft lag! Und mittlerweile führen auch Verlage wie Rowohlt oder Hanser ihre digitalen Reihen. Man könnte sagen, die Pionierarbeit hat sich gelohnt.

Gibt es besondere Aktionen zum Jubiläum?

Party! Es legen drei DJs auf, darunter ein Programmierer und alle tanzen wild und frei, reden frei und wild, so stelle ich mir das vor. Aber ich würde auch gerne die E-Book-Vault vor Ort einrichten, die Jakob Jochmann und ich auf der future publish! vorstellen: ein lokales Netzwerk, in dem man alle mikrotext-E-Books vor Ort lesen kann. Vielleicht wird es auch eine Lese-Party. Wäre auch mal etwas anderes. Freies wildes Lesen!

Du hast dich fast ausschließlich auf eBooks spezialisiert. Welche Gründe hat das?

Das E-Book hält immer noch ein großes Versprechen bereit. Auch wenn es noch nicht der neue Renner der Buchbranche geworden ist, hat es eine kleine feine Nische gefunden, die wahrgenommen und an der gearbeitet wird. Es ist leicht, mobil, flexibel, eine Datei, eine weltweite Publikation! Und mit der eben viel mehr Experimente, sehr Zeitgemäßes, sehr Kurzes, sehr Langes, sehr Veränderbares möglich ist. Für alle – Leser, Autoren, Verlag – ist es auch sehr interessant, dass eine digitale Backlist immer verfügbar ist. Der Zwang zum Immerneuen wird, solange das Internet besteht, durch die Wertschätzung des Daseienden abgelöst.

Meinst du, digitale Bücher werden das gedruckte Buch irgendwann ablösen?

Nein.

Vor Kurzem habe ich mit Vergnügen das bei mikrotext erschienene Buch „Eine Subkultur der Träume“ des in Berlin und Wien lebenden guatemaltekischen Autors Alan Mills gelesen. Ein Buch, das komplett aus Tweets besteht, die er zuvor auf Twitter veröffentlicht hat. Wie werden solche Bücher bei den Lesern angenommen? Wenn die Leute Literatur hören, erwarten sie dann nicht immer noch Romane oder Gedichte?

Es freut mich, dass es dir gefallen hat! Es muss sich einfach weiter herumsprechen, dass sich in den E-Books der Digital-first-Verlage solche Feuerwerke verstecken, die gar nichts wiegen – und dazu so wenig kosten, wie zwei Tüten Wunderkerzen. E-Books statt Böller! Die Tweets sind streng genommen auch Gedichte. Und in den einzelnen Gedichten stecken Romane.

Mills ist auch auf der Liste #bogota39 für das Hay Festival in Bogotá genommen worden. Schon ein ziemlicher Erfolg, oder?

Ja, Alan Mills ist jetzt auf der Liste der besten spanischsprachigen AutorInnen unter 39 Jahren weltweit. Diese Liste #bogota39 ist natürlich ein Marketing-Tool des weltweit agiernden britischen Hay Festivals, das auch im kolumbianischen Bogota aufschlägt. Dennoch: Er hat zwar zuvor schon auf Spanisch und auf Französisch veröffentlicht und galt der spanischsprachigen Welt als einer der wichtigsten Twitterer, aber sein Tweet-E-Book und sein Essay „Hacking Coyote“, der auf Englisch bei mikrotext erschienen ist, sind eventuell besonders aufgefallen, weil sie extrem „transgenerisch“ sind, sie durchkreuzen federleicht alle Kategorien, die wir an Literatur anlegen – und enthalten nicht nur eine Welt, sondern Welten. Kurz: ein Essay über Hackingtheorie und Maya-Mythen eines Autors, der aus Guatemala stammt, aber derzeit in Berlin und Wien lebt, der auf Englisch in einem Digital-First-Verlag in Berlin veröffentlicht, einen Vortrag, den er zuerst bei der re:publica und dann bei der Transmediale gehalten hat, fährt jetzt zum Hay Festival in Kolumbien. Lest alle Alan Mills!

Du bietest bei mikrotext ein eBook-Abo an. Wie funktioniert das? Welche Vorteile bringt mir das als Leser im Vergleich zum Kauf bei Onlineshops?

Das Abo biete ich mittlerweile im vierten Jahr an, ist das auch ein Jubiläum? Man muss sich nur einmal, beim Buchen des Abos anmelden, für die Bezahlmethode: Danach kommen die E-Books als Downloadlinks in allen drei Formaten – ePub, mobi, PDF – per E-Mail geliefert. Bequem, direkt, ohne DRM. Warum nicht einmal im Monat auf einen Kaffee to go verzichten und stattdessen neueste Literaturen mobil unterstützen? Bisher waren Namen wie Stefanie Sargnagel, Franzobel, Jonas Mekas oder Käthe Kruse dabei. Auch 2018 wird toll!

Zuletzt noch ein Blick in die Zukunft. Was planst du für die nächsten fünf Jahre?

Ich erstelle jetzt gleich die 10-Jahres-Party von mikrotext auf Facebook! See you then. Und vorher gebe ich noch den kleinen Tipp: einfach mal ein E-Book herunterladen, es beißt nicht und freut sich über ein neues Zuhause.