„Unabhängige, linke Verlage sollten selbstbewusster sein – sie haben guten Stoff.“
Vom 16. bis zum 18. Juni 2017 finden im Mehringhof in Kreuzberg die 15. Linken Buchtage Berlin statt. Dabei werden an drei Tagen etwa 40 Bücher und Zeitschriften linker und unabhängiger Verlage vorgestellt und diskutiert. Die Linken Buchtage bieten jedes Jahr eine Plattform für politische Diskussionen, gesellschaftliche Debatten, konstruktive Kritik und vielfältige Vernetzung. Hierzu habe ich Jörg Sundermeier, einer der Initiatoren und Mitinhaber des Verbrecher Verlags, ein paar Fragen gestellt.
Insbesondere kleine, unabhängige Verlage haben es ja heute nicht besonders leicht. Wie geht es da erst Verlagen, die ein linkes Programm anbieten?
Nun ja, linke Verlage hatten es nie leicht. Explizit linke Verlage gab es ja in der Weimarer Republik und dann in der Bundesrepublik erst wieder ab den Sechzigerjahren – Verlage wie Wagenbach oder März, die sich erst einmal durchsetzen mussten. In der DDR gab es von der Partei zensiertes Linkssein, das missbehagt mir. Es gab dann in den Siebzigern mal eine kurze Welle, die einige Verlage getragen hat, doch schon in den Achtzigern verebbte das wieder. Aber gerade heute gibt es, denke ich, mehr linke Verlage, als in den Jahrzehnten davor. Insofern, da es uns immer schlecht geht, geht es uns seit Jahren auch gleichbleibend gut.
Stichwort „Bibliodiversität“. Was kann man dafür tun, dass linke Indie-Verlage am Markt weiterhin bestehen können?
Bibliodiversität ist ein Selbstverpflichtungsprogramm. Es geht darum, so genannten Minderheiten, anderen Kulturen oder kleinen Sprachen Gehör zu verschaffen, oder eben auch Lyrik und dramatische Texte zu verbreiten und das mittels guter Bücher, um es einfach mal ganz verkürzt zu sagen. In Lateinamerika gibt es den Begriff schon seit 15 Jahren, im deutschen Sprachraum taucht er erst jetzt auf, durch das gleichnamige Manifest von Susan Hawthorne, es gibt allerdings auch schon einen Wikipedia-Eintrag. Linke Verlage brauchen ein Publikum, das aufmerksam und neugierig ist – und Selbstsicherheit, um sichtbar zu werden. Das Gejammere von Kleinverlegern, die in ihrem Kämmerlein, das sie nie verlassen, herumweinen, keiner habe sie lieb genug, das stört mich inzwischen sehr. Unabhängige, linke Verlage sollten selbstbewusster sein – sie haben guten Stoff. Und auf den Linken Buchtagen kann man einige der besten von ihnen antreffen.
Am 16. Juni starten die Linken Buchtage bereits zum 15. Mal in Berlin. Wer steckt eigentlich dahinter?
Eine Gruppe in wechselnder Zusammenstellung, die seit Jahren ehrenamtlich, gemeinsam mit Institutionen wie dem Mehringhof e.V. und dem Netzwerk Selbsthilfe dafür sorgt, dass gewisse linke Bücher, gewisse Autorinnen und Autoren in Berlin gesehen werden können. Da steckt viel Arbeit und viel Liebe drin. Ich selbst bin allerdings schon lang nicht mehr Teil der Orga-Gruppe, freue mich aber sehr darüber, dass es immer noch so gut funktioniert.
Kannst du etwas darüber erzählen, wie die Linken Buchtage entstanden sind? Wessen Idee war das Ganze?
Die Idee hatten Gunnar Schedel vom Alibri Verlag und ich auf der Nürnberger Linken Literaturmesse. Warum gibt es sowas nicht Berlin, haben wir uns gefragt. Und dann entstand schnell eine Gruppe, die die Idee aufnahm und umsetzte.
Gibt es in diesem Jahr einen besonderen Schwerpunkt?
Nein, es geht wie immer um einen breiten Querschnitt durch das emanzipatorisch motivierte Denken und Schreiben.
Heute hat man oft das Gefühl, dass Literatur zunehmend unpolitisch geworden ist. Zumindest treten Schriftsteller und Intellektuelle seltener als politisch aktiv in Erscheinung. Woran mag das liegen?
Teilweise liegt es auch daran, dass viele Linke die Belletristik verachten und gar nicht sehen, welchen Schatz Gedichte oder Romane bergen können, etwa für das utopische Denken. Und für die Selbstvergewisserung. Es gibt ja auch den Begriff der Biblio-Therapie. Die engagierte Schriftstellerin/der engagierte Schriftsteller als Figur gilt heute in großen Teilen des Feuilletons als diskreditiert, weil Böll so langweilig war, doch langweiliger als manch ein „großer Erzähler“ von heute war er nie. Viele Autorinnen und Autoren sind heute übrigens exakt das, also engagiert, etwa Kathrin Röggla, Daniela Seel, Annett Gröschner, Thomas Meinecke, Erasmus Schöfer, Enno Stahl und und und und und und. Alle auf ihre Weise, ohne Partei. Doch gerade das finde ich gut, es müssen nicht immer alle für die ES-PE-DE trommeln.
Brauchen wir heute wieder mehr politische Schriftsteller wie einen Brecht, Böll oder einen Erich Mühsam?
Logo. Und wie gesagt – sie sind schon da. Und wir brauchen mehr Aufmerksamkeit für diese. Denn diese sind ja auch aufmerksam für uns.
Spielen wir „Wünsch Dir was“. Was sollte sich in den kommenden 5 Jahren im Literaturbetrieb und der Buchbranche geändert haben?
Wie gesagt, mehr Aufmerksamkeit, mehr Neugierde und mehr Selbstbewusstsein wären allen Leserinnen und Lesern auf beiden Seiten des Buchverkaufstresens zu wünschen. Und der Linken: weniger Aufgeregtheit und mehr Klugheit.