Kommt ein Nilpferd aus dem Haus, schüttelt seine Kuscheldecke ab, trampelt hinunter zum Fluss, platscht ins Wasser, reißt das Maul auf, wartet auf Tee und ein Massage.
Kommen drei Touristen, setzen sich auf den Steg, massieren das Nilpferd mit den Füßen, drücken ihm ein Küsschen auf und füttern es mit dem Fläschchen und frischem Gemüse. Das Nilpferd grunzt genüsslich, furzt und entschwindet zu seinen Artgenossen stromabwärts.
Kein Witz, eine Geschichte, die das Leben schrieb!
Genauso geschehen ist die Angelegenheit in Südafrika, Mpumalanga, in der Nähe von Hoedspruit unweit des Krüger Nationalparks.
Die Geschichte vom teetrinkenden Nilpferd Jessica und einer tonnenschweren Freundschaft.
Das Nilpferd heißt Jessica, ist fast 15 Jahre alt und bereits eine tonnenschwere Berühmtheit. Jessica lebt auf der Farm der Familie Joubert und man kann ihr einen Besuch abstatten – vorausgesetzt, sie hält sich auf der Farm auf. Jessica ist nämlich kein Haustier, sondern ein Wildtier – nur eines der anhänglichen Art – und kann Kommen und Gehen wie ihr der Sinn steht.
Die Geschichte von Jessica und den Jouberts ist eine Geschichte von Freundschaft, Liebe, gegenseitiger Rücksicht und den Irrungen und Wirrungen der Natur.
In der Provinz Limpopo, in der Nähe des weltberühmten Krüger Nationalparks beginnt unsere Geschichte im Jahr 2000. Hier führen zwei große Fluss Systeme zusammen. Der Olifants River, der durch den Krüger-Nationalpark weiter nach Mosambik fließt und der Blyde River.
Dort nahm das Schicksal seinen Lauf.
Die Region wird immer wieder von verheerenden Überschwemmungen heimgesucht. Wie auch in jenem Jahr.
Tonie und Shirley Joubert gingen an diesem Tag am Ufer des Blyde River spazieren, um die Schäden und Auswirkungen der Überschwemmung zu inspizieren. Sie vernehmen plötzlich ein Knirschen, eine Bewegung im Unterholz nahe dem Flussufer. Die Jouberts nähern sich dem Geräusch vorsichtig.
Was Sie entdeckten, soll ihr Leben für immer verändern. Es war ein winziges, wenige Stunden altes, geschwächtes Nilpferdbaby, das von seiner Mutter getrennt und flussabwärts getragen wurde. Ohne Hilfe hat das kleine Wesen keine Chance im Busch Südafrikas. Das Hippo erobert sofort das Herz der Jouberts, die sich ihm annehmen und es aufpäppeln. Es bekommt den Namen Jessica, erhält Futter, Wärme und Zuneigung und zwischen Mensch und Tier entsteht eine starke soziale Bindung.
Über Hippos
Flusspferde (Nilpferde) sind große, pflanzenfressende Säugetiere. Trotz ihres behäbigen Aussehens können Flusspferde sehr aggressiv sein und es werden in Afrika jährlich mehrere Todesfälle mit ihnen in Verbindung gebracht. Jessica ist trotz mittlerweile beeindruckender Stärke sanft und hat noch nie Anzeichen von Aggression gezeigt.
Besuch bei Jessica
Wer Jessica einmal persönlich kennenlernen möchte, kann sie besuchen. Man braucht dazu allerdings ein eigenes Fahrzeug.
Den Weg könnt ihr in eurer Unterkunft oder der nächsten Touristeninformation erfragen. Jessica ist weithin bekannt.
Das Ehepaar Joubert erzählt die Geschichte Jessicas und klärt über die Lebensweisen von Flusspferde, diesen außergewöhnlichen Tieren, auf.
Es ist wirklich ein einzigartiges Erlebnis, Jessica hautnah zu kommen. Sie lässt sich füttern, anfassen und wer mag, kann ihr auch einen Schmatz aufdrücken (ein bisschen Bäh!).
Die Haut fühlt sich übrigens toll an, ganz dick und ledrig mit gummiartigem, borstigem Haar und trotzdem ist sie ganz empfindlich.
Bis heute ist Jessica Teil der Familie Joubert. Doch die Jouberts sind keine Spinner. Jessica ist und bleibt ein Wildtier und wird auch so behandelt. Sie kann gehen und kommen, wie sie möchte und sich ihren Artgenossen anschließen.
Sie lebt, wenn sie nicht im Haus rumlungert, in einem Flussarm, der direkt an das Farmgelände der Jouberts grenzt. Jessica verbringt viel Zeit mit anderen Hippos flussabwärts und verhält sich dort vollkommen artgerecht.
Sie scheint aber nie ihr Zuhause und ihre „Familie“ zu vergessen, denn sie kehrt immer wieder zu den Jouberts zurück, plündert den Vorratsschrank (sie hat längst gelernt, wie die Dinger aufzukriegen sind), schläft im Haus und spielt mit ihren besten Freunden, den Familienhunden.
Ganz nebenbei hält sie auch die Krokodile von der Farm fern und hat ihr Herrchen, einen ehemaligen Wildtierhüter und Jäger ganz sanft der Waffe entwöhnt.
Mehr über Jessica kann man hier nachlesen. Es gibt sogar eine Facebook Fan Page.
Noch ein Wort am Rande:
Wir haben Jessica im Jahr 2012 besucht und dort ca. 4 Stunden verbracht.
Es sind keine weiteren Touristen aufgetaucht.
Ich gehe davon aus, dass der Rummel sich in Grenzen hält, obwohl auch immer wieder einmal Filmteams erscheinen, um über das Phänomen Jessica zu berichten.
Es wurde damals kein Eintrittsgeld erhoben, aber man wurde um eine Spende für Futter gebeten. So ein gewichtiges Nilpferd frisst den Jouberts die Haare vom Kopf. Außerdem müssen die Jouberts immer wieder gerichtliche Auseinandersetzungen mit Nachbarn und umliegenden Farmern ausfechten, denn wenn Jessica Hunger hat, macht sie auch vor deren Feldern und Kühlschränken nicht Halt.
Auf der Website habe ich gelesen, dass mittlerweile 75 Rand Eintrittsgeld verlangt werden und es auch Gästeunterkünfte auf der Farm gibt. Aber Achtung, Jessica mag es gern kuschelig!
Unsere Tochter war mir vier Jahren fast noch zu klein für eine Begegnung mit Jessica. Zuerst hat ihr das riesige Tier einen Heidenrespekt eingeflößt und dann war das Interesse schnell erloschen und die lustigen Familienhunde interessanter.
Bilder: ©HIDDEN GEM