(Redaktion: Nachträglich nochmal ein kleiner Nachgeschmack, was das Fest nach Ramadan so für manch einen bedeutet
Die Sonne geht langsam im Osten auf, die Strahlen sind leicht hinter den Wolken zu erkennen. Es ist noch sehr früh, aber nicht mehr zu spät, um etwas zu trinken oder zu essen. Es scheint, als wäre ich die einzige, die ihre Augen diesem Tag geöffnet hat, während noch die ganze Welt schläft. Doch ich täusche mich – zum Glück. Ich höre aus dem Flur Geräusche und Stimmen. Also ist es doch soweit! Mich packt schlagartig eine Euphorie und füllt meine Seele mit voller Energie. Tausende Gedanken gehen mir innerhalb von Sekunden durch den Kopf, so dass ich mich erst einmal fassen muss, um sie zu sortieren und dann zu handeln. Plötzlich merke ich, dass ich nur wenige Meter von mir beobachtet werde. Ich fühle mich im ersten Moment irgendwie erwischt, aber dann wird es mir klar – die restlichen sieben Mitglieder meiner Familie sind auch schon längst wach und machen sich mehr oder minder Gedanken über den heutigen Tag.
Ich schaue rüber zu meiner Schwester und im selben Augenblick grinsen wir uns verdächtig an und das Duell ums Bad beginnt. Die Schnellere überlebt – ich! Als Kinder hätten wir nicht um das Bad kämpfen müssen, da ging es klar nach Mamas Ansagen. Als Kind war sowieso alles viel leichter und schöner, die Welt rosa-rot und die einzige Sorge: Hoffentlich krieg’ ich die Barbie mit den längeren Haaren. Die schönsten Kleider waren am Vorabend schon ausgesucht und bereit gestellt. Die Wohnung kunterbunt geschmückt und das Lieblingsessen bei Mama schon vorbestellt. Während sich die Älteren um die letzten Details in der Küche kümmerten und die Väter, Opas, Onkels und Brüder in der Moschee waren, durften wir Kinder gespannt rumraten, was wir wohl von der Tante und der Oma bekommen. Die angetroffenen Cousinen uns Cousins waren auch schon da und man bestaunte gegenseitig die tollen Kleider und die frisierten Haare. Die leckeren Bonbons waren überall in der Wohnung zu sehen und die süße Stimmung jedem ins Gesicht geschrieben. Mit dem Klingeln der Haustür fing dann der ganze Spaß erst richtig an. Die Männer stürmten in die Wohnung rein und danach waren für die nächsten Minuten nur noch Gelächter, Küsse, Glückwünsche und das Knistern von Geldscheinen zu hören. Jeder wusste, was zu tun ist, es war alle Jahre wieder wie vorprogrammiert. Stundenlang wurde gegessen, gelacht und erzählt. Selbst wenn man nicht mehr konnte, weil der Magen seine Grenze erreicht hatte, stopfte man noch dies und jenes rein. Es war gerade zu ein Wunder, dass keiner von uns in diesen Jahren kein Zuckerschock erlitten hat.
Nach langem, sehr langem Warten war es nun endlich soweit. Wir alle wurden gemäß Alter in eine Reihe gesetzt und aufgefordert ruhig sitzen zu bleiben. Das taten wir dann auch natürlich, denn am Ende wartete was ganz Besonderes auf uns. Nun hieß es: Auf die Plätze, fertig… Geschenke!!! Dieses Gefühl, dieser Anblick, die bunten Geschenkpapiere, die Freudenrufe und die herzlichen Danksagungen waren für uns Kinder das Highlight schlechthin. Wir waren glücklich, vielleicht sogar die glücklichsten Kinder auf Erden. Wir freuten uns über ein Gemeinschaftsspiel oder ein neues Kleid. Es ging nicht darum, was sich in den Verpackungen verbarg, sondern als große Familie beisammen zu sein. Und mit dieser XXL-Familie wurden auch die Besuche zu Verwandten und Freunden gemacht. Natürlich hatten wir Kinder auch unseren Spaß daran, denn wir waren die besten Sammler. Das Motto lautete, wer mehr in seiner Bonbon-Tüte hat. Man sammelte bis weder was in den Magen passte noch in die Tüte. Für einen war das das Paradies auf Erden, einfach herrlich. Früher war sowieso alles viel himmlischer, selbst die Zukunft war besser.
Trotz all dem liegt es wieder in unserer Hand, dass diese wundervolle Vergangenheit unsere Zukunft einholt und uns etwas Glück beschert. Und bevor mich jetzt die Zeit einholt heißt es startklar machen, auf die Plätze, fertig…
Eid mubarak!