Zuerst sollen wir die Gottheit als klar-deutlich und lichthaft visualisieren. Die klare Deutlichkeit unserer Visualisation widerspricht der groben Wahrnehmung von unserem physischen Körper aus Fleisch und Blut. Es sollte aber keine so große Lichthaftigkeit sein, dass die Details der Visualisation unscharf werden. Visualisiert die Ornamente, Juwelen und Seiden so genau wie möglich. Sie erhaben uns und helfen uns zu erkennen, dass alle Phänomene Licht sind und keine materiellen Objekte. Augenscheinlich hat die Gottheit keinen Körper aus Fleisch und Blut wie unserer, dennoch ist sie kein totes inneres Bildnis. Versucht die Visualisation klar zu umfassen, aber dennoch gelöst, wie ein Regenbogen am Himmel oder einen Widerschein im Spiegel. Die Gottheit hat Geist und Lebendigkeit. Das wirkt der Tendenz des Greifens nach Phänomenen und dem Materialisieren oder Intellektualisieren entgegen.
Zweitens sollten wir uns sicher sein, dass wir die letztendliche Bedeutung des Mandalas der Gottheit verstehen. Andernfalls werden wir von der wahren Praxis abkommen. Das wird die „Erinnerung an die Reinheit“ genannt. Ohne ein Verständnis der Symbolik ist die Gottheitenpraxis nicht hilfreich und führt nicht zur Befreiung. Beispielsweise fokussiert man auf ein einziges Gesicht als Dharmakaya, die zwei Arme sind Erscheinung und Leerheit usw. Die Praxis der Erinnerung an die Reinheit verbessert die Deutlichkeit und den Eindruck der Gottheit. Das wiederum verbessert das Verständnis der impliziten Weisheit. Zumindest erinnert euch immer daran, dass die Gottheit gleichbedeutend für Bodhicitta und Buddha ist, und dass der Zweck der Gottheitenpraxis das Reinigen von Täuschung und das Vermehren von Weisheit ist.
Drittens der wichtigste Punkt ist, dass wir uns über unser Zuhause im Klaren sein sollen. Damit meine ich, dass wir uns selbst als die Gottheit identifizieren müssen. Das ist der Vajra-Stolz und hat nichts mit gewöhnlichem Stolz zu tun, wo jemand besser als der andere ist usw. Die Praxis des Vajra-Stolzes ist, dass man überzeugt ist, in diesem Moment bin ich die Gottheit, die Weisheitsgottheit mit allen Eigenschaften. Wenn wir den Vajra-Stolz praktizieren, werden wir möglicherweise uns als die Gottheit erkennen. Wir werden unsere Identität kennen und das wird ausreichen. Vajra-Stolz ist eine interessante Praxis. Als ich in Tibet war, war ich der geachtete Sohn eines hohen Lamas. Ich empfand mich als etwas Besonderes. Als ich nach Indien kam, lebte ich als Bettler, aber ich war ein besonderer Bettler, weil meine Gewohnheit, mich besonders zu fühlen, noch immer da war. Nun bin ich im Westen und gebe vor, ein besonderer Lama zu sein! Meine Umstände haben sich geändert, aber anscheinend projiziere ich noch immer ein gutes Bild. Mein ganzes Leben hindurch scheint es so, dass mein Glaube an eine gute Vorstellung sehr hilfreich gewesen ist. Ich bin sehr zuversichtlich darin, euch anzuweisen, wenn ihr das Selbstbildnis von Guru Rinpoche annehmen könnt, dann wird es sehr hilfreich sein, was immer euch geschieht.
Nun möchte ich etwas über das Integrieren dieser drei Punkte der Gottheitenmeditation sagen. Manchmal solltet ihr versuchen, eure Deutlichkeit zu verbessern und manchmal solltet ihr mit der symbolischen Weisheit arbeiten. Und manchmal solltet ihr es einfach halten und kontemplieren, dass ihr die Gottheit seid und es dabei belassen.
Obwohl die Weisheitsgottheit einen Namen und spezielle Merkmale hat, ist das zugrunde liegende Prinzip, dass die Weisheitsgottheit alle Phänomene von Samsara und Nirvana umfasst oder ihnen gleich ist. Die Gestalt der Gottheit oder der Weisheitskörper ist nicht einfach der Körper der Gottheit, sondern er repräsentiert alles in der phänomenalen Existenz, einschließlich aller Kayas und uranfänglichen Weisheiten. Gottheit ist ein Wort für „keine Begrenzungen“. Beispielsweise gibt es eine Lehre, die sagt, dass ein einziger Weisheitskörper alle Bereiche durchdringt und alle Bereiche in einem einzigen Weisheitskörper enthalten sind. Diese Art der Wahrnehmung oder Allwissenheit kommt von der Vollendung der Erzeugungsstufe des Mahayoga her. Es gibt spezielle Techniken, um dies zu entwickeln, wie das Meditieren, dass der himmlische Palast die Größe eines 3.000-fachen Weltensystems hat und die Gottheit nicht größer als ein Atom oder umgekehrt ist. Weil die Gottheit Weisheitserscheinung ist, frei von Begrenzungen, ist sie flexibel und alles ist möglich. Das Praktizieren der Gottheitenerscheinung ist eine sehr wirkungsvolle Art, unseren Glauben an Festigkeit zu zerstören. Das ist die ganze Sache beim Mahayoga.
Diese Belehrung wurde von Lama Tharchin Rinpoche gegeben und ist bei der Vajrayana Foundation Hawai’i erhältlich.