Rosalie vom interessanten Blog Parents Don’t hat mich mit ihrem Artikel über die Frage nach der klassischen Hausfrau in der eigenen Familie heute Morgen sehr inspiriert.
Das Bild zeigt eine fleißige Hausfrau beim Zubereiten des Abendessens (New England, März 1940): Ob sie nebenbei arbeitete oder ein kleines Geschäft besaß oder ausschließlich zuhause arbeitete, verrät uns das Foto nicht.
Klassische Hausfrauen kannte ich in meiner Kindheit während den 80er Jahren sehr viele. Nicht alle waren ausschließlich zuhause fleißig: Es gab eine halbtags arbeitende Lehrerin und eine Bäckereibesitzerin in Teilzeit. Letztere hatte eine behinderte Tochter zu versorgen. Auch viele andere Hausfrauen arbeiteten “eine Kleinigkeit” nebenbei.
Manche gingen putzen (wie meine Mutter zunächst, später arbeitete sie in einem Geschäft für Geschenke und Dekorationen), eine Mutter arbeitete ein Mal pro Woche als Parfümerieverkäuferin und eine andere wiederum machte Büroarbeit im Unternehmen ihres Mannes.
Ich erinnere mich an eine vor lauter Lebensfreude im Garten singende und summende Nur-Hausfrau im Nachbardorf. Sie hatte zwei superliebe und ausgeglichene Töchter und der Vater hatte den beiden mal Weihnachten ein Wahnsinns-Puppenhaus gebaut. (Mit funktionierenden Rolläden aus Zahnstochern! Und Licht!). Auch er schien sein Leben und die Familie in vollen Zügen zu genießen.
Und da fällt mir noch eine Nur-Hausfrau ein, mit deren Kindern ich früher spielte. Sie hatte vier Kinder – drei Jungs, ein Mädchen – und ein großes Haus mit großem Garten. Sie war insgesamt etwas gestresster, aber meist sehr freundlich. Ich meine, sie war auch irgendwie in der Kirchengemeinde tätig. Ihr Mann war ein totaler Familienmensch, hat viel mit den Kindern gemacht. Später ärgerte sich das ganze Dorf, weil sie mit einem wohlhabenden Arzt durchgebrannt ist.
Und wie war es in der Vergangenheit – gab es da klassische Hausfrauen in meiner Familie? Und wie wurden die Kinder erzogen? Nur von der Mutter? Oder von beiden Eltern? Wie lebte man zusammen? Waren die Frauen glücklich in ihren Leben?
Ich schreibe das aus den Erinnerungen der Erzählungen meiner Mutter und anderer Verwandter auf.
Meine Urgroßmütter
Meine Urgroßmutter mütterlicherseits, die Ende des 19. Jahrhunderts geboren wurde, hat über 10 Kinder bekommen – nicht alle Kinder haben überlebt. Ihr Mann war Kaufmann und sie hatten einen Laden, der in einer Stadt des heutigen Polens liegt. Dort hat sie zusammen mit ihrem Mann gearbeitet.
Die Kinderbetreuung übernahm eine Kinderfrau. Sie hatte auch eine Waschfrau. Und gekocht hat auch eine andere Frau – vielleicht eine Haushälterin? Die Frauen arbeiteten für Kost und Logis sowie ein Taschengeld. Eine der Kinderfrauen hat eines der Babies mal nicht warm genug zugedeckt. Oder gar nicht? Jedenfalls starb es an einer Lungenentzündung. Eine andere Tochter starb an Diphterie, soweit ich mich erinnere. Oder an einer anderen Krankheit, gegen die inzwischen geimpft wird.
Jedenfalls arbeitete meine Urgroßmutter den ganzen Tag. Der Urgroßvater war so ein klassischer Bestrafungsvater mit einer Menge Autorität. Meine Großmutter war die jüngste Tochter. Ich erinnere mich, dass sie auf Fotos immer sehr adrett aussah und viel Handarbeiten gemacht hat. Sonntags war Familientag. Da wurde noch mehr Handarbeit gemacht., wenn man aus der Kirche zurückkam.
Der älteste Sohn hatte immer die Verantwortung für die Geschwister und wenn seine Brüder etwas anstellten, dann wurde er am meisten verdroschen. Die Mädchen bekamen höchstens mal eine Ohrfeige, wenn sie den Erwachsenen ins Wort fielen, was sie daher wohl eher selten taten. So war die Grundstruktur des Familienlebens.
Der Krieg setzte meiner Urgroßmutter zu. Die Familie musste ihre Heimat verlassen. Später verstreute sie sich über halb Deutschland. Ein großer Teil meiner Großtanten- und onkel landete oder blieb in Berlin. Eine Großtante lebte in Düsseldorf. Meine Oma war zuerst in Norddeutschland und dann später ganz im Westen des Landes. Ein anderer Teil der Familie lebt auf Fehmarn, wo mein Großonkel und meine Großtante eine gut laufende Bäckerei eröffneten. Ein weiterer Onkel (der erwähnte älteste Sohn) lebte mit seiner Familie in Frankfurt an der Oder.
Bis auf einen Großonkel bekamen sie alle Kinder – diese Ehe blieb ungewollt kinderlos. Nur-Hausfrauen gab es dennoch wenige. Mir sind keine bekannt.
Ich frage mich gerade, wo mein Urgroßvater “abgelieben” ist, denn er wurde von meiner Mutter nie direkt erwähnt. Als meine Mutter ein Kind war, lebte er jedenfalls bereits nicht mehr. Ein Onkel meiner Mutter hatte sich das Leben genommen, als er nach dem Fronturlaub wieder in den Krieg sollte. Und der Rest der Familie, wie erwähnt, verteilte sich. Waren ja genug Leute …
Man brachte eine Menge Energie auf, um das Erlebte des Krieges heftigst zu verdrängen und weiterzumachen. Die Idealbild der Hausfrau erschien vielleicht auch verlockend, in den folgenden 50er Jahren: Friede – Freude – selbstgemachte Eierkuchen. Wer wollte das nicht?
Meine Urgroßmutter war immer supersauber angezogen und ging nur mit Hut (inklusive Hutnadel) und Handschuhen in die Stadt. So wie meine Mutter sie beschrieb, war sie eine niveauvolle und liebe Frau, die trotz aller Lebensereignisse ein ausgeglichenes Gemüt hatte und sich liebevoll um die Enkelin kümmerte. Warum sie das tat, erkläre ich im nächsten Abschnitt.
Über die andere Urgroßmutter weiß ich nichts Zuverlässiges zu sagen.
Meine Großmütter
Meine Großmutter bekam meine Mutter unehelich. (Ja und sie lebte auch noch als zugezogene Protestantin zwischen lauter Katholiken. Das alles zusammen war hart ….) Meine Großmutter war gelernte Köchin und eben alleinerziehend. Sie hat gearbeitet und den Haushalt nach der Arbeit gemacht. das war aber nicht viel: 50 Quadratmeter gab es und das Wohnzimmer wurde nur zu besonderen Gelegenheiten aufgeschlossen und lag unter einer musealen Staubschicht stets abgestaubt als Diorama hinten links in der Wohnung. Meine Urgroßmutter passte auf meine Mutter auf und kochte mittags für sie. Nach der Arbeit holte meine Großmutter ihre Tochter dann gesättigt und sauber dort ab, um von ihrer Mutter noch einen Kaffee serviert zu bekommen und über den Arbeitstag zu quatschen. Irgendwie hatte meine Mutter nie Lust, so etwas in ihrer Oma-Rolle auch anzustreben ^^
Meine Oma weigerte sich strikt, die Heiratsanträge des Vaters meiner Mutter anzunehmen. Später heiratete sie einen “Kriegsversehrten” und meine Mutter hatte einen bettlägerigen Stiefvater. Für diesen stand sie nachts oft auf, wenn meine Oma zu müde war oder einfach keine Lust hatte. Oma sagte dann immer: “Guck mal, was der schon wieder will.” Da meine Mutter weder ein eigenes Zimmer noch ein eigenes Bett hatte, konnte meine Oma sie immer super wecken – schließlich hatten sie ein Familienbett. Wenn meine Mutter mitbekommt, dass das wieder in Mode ist, dann rauft sie sich sicher das Haar, bei ihren Erinnerungen daran …
Bis dahin also mütterlicherseits keine Hausfrau in Sicht. Auch meine Großtanten waren keine Hausfrauen. Eine war Schauspielerin in Berlin am Theater und übernahm auch kleine Rollen im Fernsehen sowie Statistenrollen. Ihre Töchter arbeiteten als Model, Altenbetreuerin und – ups, habe vergessen, was die dritte Großcousine machte. Aber sie war jedenfalls eine kinderlose Nicht-Hausfrau. Irgendwie hab ich im Kopf, sie sei Flugbegleiterin gewesen. Keine Ahnung. Irgendwie kommen aus der Mutterseite meiner Familie ‘ne Menge sehr hübscher Frauen. Diese erwähnte Großtante sah als junge Frau aus wie ein Romy-Schneider-Double. Unglaublich, diese Gene. Hätte ich auch gerne mehr von abgestaubt. Aber hätte, hätte, Fahrradkette.
Meine andere Großmutter war allerdings Hausfrau und sehr in der Gemeinde engagiert. Sie war sehr katholisch und viel mit der Kirche beschäftigt. Sie hatte vier Kinder – zwei Jungs und zwei Mädchen. Sie war eine jener stets informierten und gern zu Auskünften bereiten Dorffrauen. Ich kann nicht sagen, ob sie zufrieden war oder nicht. Insgesamt machte sie allerdings keinen sehr glücklichen Eindruck auf mich. Eine ihrer Töchter wurde Sozialpädagogin und bekam einen Sohn – sie arbeitete in einem Kinderheim. Auch während sie Mutter war. Ihre Schwester bekam keine Kinder und arbeitete daher stets Vollzeit. Der eine Sohn heiratete eine Frau, die stets als Arzthelferin arbeitete, während die gemeinsame Tochter von der Oma mütterlicherseits betreut wurde – soweit ich mich erinnere. Ja und der andere Sohn, der heiratete logischer Weise meine Mutter.
(Ich weiß, an dieser Stelle der aufgezählten Verwandtschaftsgrade hat Mr. essential schon längst innerlich abgeschaltet. Er hat eine legendäre Verwandtschaftsgrad-Phobie. Sobald man “… und mein Cousin mütterlicherseits …” sagte, fährt sein Gehirn in einen Notzustand herunter :D)
Meine Mutter
Meine Mutter war lange Jahre Nur-Hausfrau. Sie erhielt von ihrer (leider vermutlich durch Kriegserlebnisse psychisch erkrankten) Mutter keinerlei Unterstützung. Ihr Stiefvater war inzwischen längst gestorben und der Kontakt zu ihrem leiblichen Vater war anstrengend, da er mittlerweile eine andere Frau geheiratet hatte, welche zu Eifersüchteleien und kleinkarierten Intrigen neigte. Bis meine Mutter keinen Nerv mehr hatte und den Kontakt abbrach.
Jedenfalls hatten wir eine kleine Wohnung, die sich rasch pflegen ließ. Drei Zimmer KDB und so. Vielleicht 70 Quadratmeter. Mein Bruder und ich teilten uns 15 qm. Meine Mutter war sehr viel bei ihrer Mutter, um sie zu betreuen und zu besuchen. Dann war sie auch oft mit uns Kindern unterwegs mit dem Rad. Zum Spielplatz und so weiter. Sie besuchte häufig ihre beste Freundin mit mir und ich spielte mit deren beiden Töchtern. Abends ging es schnell nach Hause zum Abendessen-Kochen, mein Vater hatte gern pünktlich warmes Essen vor sich stehen. Das war also das erste, “klassische” Hausfrauen-Leben in der Familie binnen fast 100 Jahren. Also quasi seit Erfindung der Hausfrau im Zuge der späteren industriellen Revolution …
Dafür aber richtig “true” mit einem Familienoberhaupt, das pünktlich und reichlich essen wollte und stets im Mittelpunkt der Bedürfnisbefriedigung stand. Und einer fleißigen und reinlichen Hausfrau, die emsig bügelte (ja, anfangs echt auch Unterwäsche und Handtücher), putzte und so weiter. Sie kochte viel, zeitweilig zwei Mal am Tag. Einmal mittags für sich und uns Kinder und dann abends frisch für den Hausherrn. Sie war sehr, sehr sparsam und sorgte dafür, dass es dem angestrengten Ehemann immer gut ging und er ausreichend Geld für seine Vergnügungen, seine regelmäßigen Neuwagenkäufe und die diversen Hobbies hatte. Sie selbst hat als Zeitvertreib Liebesromane gelesen, gestrickt und gelesen.
Später arbeitete meine Mutter ja wie erwähnt als Putzfrau bei älteren Damen. Eine ältere, blinde Dame unterstützte sie auch schon, während ich noch klein war. Von der lieben Dame bekam ich immer Äpfel mit extra Zucker, was ich ganz toll fand. Als ich so 13 oder 14 war, habe ich meine Mutter belabert, dass sie endlich einen Job annehmen sollte – der Job als Verkäuferin von Dekorationsartikeln war wie für sie gemacht und ich wollte unbedingt, dass sie sich das gönnte.
Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich dann zwei, drei Mal die Woche alleine Mittagessen musste. Aber das Essen bereitete sie immer vor und ich hab es meist nur in die Mikrowelle geschoben und in aller Ruhe beim Essen gelesen. Es war himmlisch. Freitags habe ich dann immer die Küche geputzt. Da endete dann also das Nur-Hausfrauen-Leben meiner Mutter nach zwanzig Jahren offiziell.
Und ich selbst?
Ich war auch Nur-Hausfrau bis Nummer 1 fünf Jahre und Nummer 2 drei Jahre alt war. Nummer 3 war rund neun Monate alt, als ich mit dem Job als Texterin begann. Da dies problemlos von zu Hause aus ging, konnte ich das immer gut umsetzen. Und ich habe es geliebt. Später dann bin ich in der PR-Agentur angestellt gewesen, in der auch Mr. Essential arbeitet, weil sie dort Unterstützung suchten und ich großes Interesse an PR hatte/habe. Da habe ich eineinhalb Jahre halbtags gearbeitet und als ich aus familiären Gründen ausgestiegen bin, habe ich wieder für meine Haupt-Auftraggeberin als Freelancerin gearbeitet, bis Nummer 4 auf die Welt kam.
Ich bin also auch keine Nur-Hausfrau. Dafür habe ich zum ersten Mal eine Elternzeit gemacht und ein Jahr pausiert. Mutterschutz und Co gab es nicht, weil ja eben Freiberuflerin. Aber gut – man kann auch hinter einem dicken Bauch noch das Notebook auf dem Schoß sehen und tippen …
In dem Jahr mit total viel Arbeit hier und keiner vergüteten/abwechslungsreichen Tätigkeit nebenbei war ich am Ende ein Nervenbündel. Nur den Haushalt und die Kinder zu versorgen halte ich einfach nicht lange aus, echt. Ich bin dann zuletzt eine neurotische, ausgelaugte Perfektionistin auf einem gefühlt sinkenden Schiff.
Und wie sieht es bei Euch so aus? Gibt es in Eurem Stammbaum die angeblich so klassische Hausfrau?