Die Fotografin Rinko Kawauchi ist im Kunst Haus Wien mit der Schau „Illuminance“ zu sehen. Eine Suche nach dem Schönen und ein Bekenntnis zur Unvollkommenheit. Guido van der Werve überzeugt in der Garage mit einer videografierten Aktion in einer körperlichen Ausnahmesituation.
„Keines meiner Fotos wurde am Computer überarbeitet“ ist die Antwort auf die Frage, ob das satte Rot auf einem Bild, das in den Asphalt eingetropft erscheint, virtuell verstärkt wurde. Rinko Kawauchi, geb. 1972, lebt in Tokio. Von der Öffentlichkeit wurde sie 2001 von einem Schlag auf den anderen wahrgenommen, denn in diesem Jahr veröffentlichte sie in Japan drei Fotobücher. Utatane, Hanabi und Hanako sind sie betitelt, was so viel bedeutet wie Nickerchen, Feuerwerk und Hanako ist ein gängiger weiblicher Name in Japan. Mit diesem Werk reiht sie sich in die Tradition von Fotografen und Fotografinnen, die ihre Kunst nicht alleine dadurch zeigen, dass sie kunstvolle Bilder fertigen. Ein Künstler oder eine Künstlerin wird in diesem Medium in Kawauchis Heimat erst richtig ernst genommen, wenn er oder sie die Bilder auch in Büchern ästhetisch aneinanderreihen kann. Die 1972 Geborene, die mittlerweile Ausstellungen rund um den Erdball bestritt, tat dies gleich drei Mal und zwar nicht im Abstand von mehreren Jahren sondern mit einem Paukenschlag. Bücher dieser Art zu veröffentlichen bedeutet nicht nur, jede Menge an Bildmaterial dafür vorrätig zu haben. Es heißt auch, die Themen vorauszubestimmen und ein besonderes Gefühl für das Design des herauszubringenden Buches zu besitzen. Das Betrachten eines solchen wird im Idealfall zu einem ganz intimen Erlebnis. Es kann zurück- und vorgeblättert werden, man kann seine eigene Geschichte in die Abbildungen projizieren und sich von den Bildern und Geschichten tragen lassen. Eine kontemplative Tätigkeit, die ganz dem japanischen Wabi-Sabi entspricht. Einem ästhetischen Konzept, das mit dem Zen-Buddhismus verwandt ist und der Stille, Einfachheit, aber auch der Unvollkommenheit Raum lässt.
In vielen Bildern von Rinko Kawauchi sind diese Parameter enthalten. In ihrer „Illuminance“ betitelten Schau im Kunst Haus Wien, der ersten Personale dieser Künstlerin in Österreich, spielt Licht und Schatten eine große Rolle. Dabei sind es keine inszenierten Aufnahmen, sondern vielmehr durch ihr geschultes Auge „gefundenes“ Material, Alltägliches, das sie poetisch in Bildserien in Szene setzt. Bei der Hängung der einzelnen Themenkomplexe ist man überrascht, ob der darauf zu sehenden Vielfalt. Und zugleich ob der ästhetischen Dimension, die sich dabei offenbart. Die Fotografin wurde auch beauftragt, eine Serie von Bildern in Österreich anzufertigen und war dafür im vergangenen Jahr nicht nur in einer Goldschmelze, sondern auch am Dachsteingletscher unterwegs. Mit dieser ersten Einladung startet das Museum eine Serie, in der einmal im Jahr eine Auftragsarbeit an Künstlerinnen und Künstler vergeben wird, die in Österreich fotografiert werden soll. „Searching for the sun“ betitelte Kawauchi die in Österreich entstandenen Bilder in denen Gold eine wichtige Rolle spielt. Es entstanden dabei nicht nur Fotos in denen die Scheidung von Erz und Gold gezeigt wird, sondern auch eine Reihe von Aufnahmen des Gletschers. „Im Schönen gibt es immer eine Spur von Angst. Das Unheimliche spielt dabei eine wichtige Rolle“ erklärt die Fotografin ihren speziellen Ansatz.
Tatsächlich sind viele der Aufnahmen auch mit Enigmen belegt. Manche Makro- und Mikroeinstellungen lassen Eindeutiges unklar erscheinen und erwecken durch ein geschicktes Auswahlverfahren auch schon einmal den Eindruck, Kawauchi hätte Teile des Weltalls abgelichtet. Zarte, scheinbar unverbindliche Momente wie regendurchtränkte Ausschnitte von Waldlandschaften stehen neben Plakativem, wie das Bild einer Giraffe, die kunstvoll ihren Hals verbiegt. Des Schauens wird man nicht müde, so vielfältig ist das, was auf dichtem Raum geboten wird. Ohne dabei jedoch beliebig zu wirken. Nicht versäumen sollte man jenen Film, der Rinko Kawauchi bei ihren Fotosessions in der Natur zeigt. Martin Hampton hat die Künstlerin dabei über mehrere Jahre hin begleitet und beeindruckt mit seiner Art der Dokumentation, die dem ästhetischen Anspruch der Künstlerin beinahe deckungsgleich erscheint. Darin wird auch deutlich, in welchem kontemplativen Seinszustand sich die Frau befindet, wenn sie mit ihrer Kamera auf der Suche nach dem richtigen Ausschnitt ist. Ein Flow, der, wie sie selbst sagt, sie des Alltäglichen enthebt und Glücksgefühle in ihr auslöst, die sie sonst nicht findet.
Guido van der Werve entrückt das Publikum in eine andere Zeit- und Erfahrungsdimension
“Nummer Negen, The Day I Didn’™t Turn With The World”,
2007 © Guido van der Werve
Wunderbar kongruent zu dieser Schau wird in der „Garage“ des Kunst Hauses Wien ein Video von Guido van der Werve präsentiert. „Nummer Negen, The Day I Didn`t Turn With The World“ ist es betitelt und zeigt eine im Zeitraffer wiedergegebene Aktion des niederländischen Künstlers am geografischen Nordpol. Dort drehte er sich innerhalb von 24 Stunden einmal um die eigene Achse, dick in kältedämmende Kleidung gewandet, wobei er sich nicht mit, sondern gegen die Erdumdrehung in kleinsten Schrittchen fortbewegte. Ausgesetzt in einer Extremsituation, lässt er die Zusehenden an dieser Selbsterfahrung im Nachhinein teilhaben und unterlegt das Geschehen mit einer eigenen, sehr romantisch klingenden Komposition, die er am Klavier selbst einspielte. Eine kontemplative Publikumserfahrung für die man ein wenig Zeit und Muße mitbringen sollte, um die Schönheit und Einzigartigkeit dieser Aktion genießen zu können. „Nummer Negen“ bedeutet im Deutschen Nummer neun, womit der Künstler auf die Zählung des Filmes in seinem Schaffen verweist. Dass Negen sowohl von vorne als auch hinten zu lesen ist, mag vielleicht dem Zufall geschuldet sein, ergibt aber ein hochpoetisches verbales Kongruent zu den gegengleichen Drehungselementen unseres Planeten und dem Körper des Künstlers.
Mit “Sentiment” wird in der Galerie schließlich noch eine Ausstellung mit Arbeiten von Volker Renner und Katarina Šoškić gezeigt, in der Randerscheinungen der Konsumgesellschaft zu Bild gebracht wurden. Ein übervolles Angebot im Haus, für das man, möchte man alles sehen und in Ruhe verarbeiten, mehrere Stunden einplanen sollte.
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Link: Guido van der Werves Aktion festgehalten “behind the scene” in einer fotografischen Dokumentation