Auf der Suche nach dem heiligen Gral, oder aber wie man eine Diagnose bekommt

Wie versprochen reisen wir weiter in die Vergangenheit. Diesmal auf der Suche nach dem heiligen Gral.  So kommt man sich nämlich vor, wenn man versucht eine Diagnose zu bekommen.

Aber von vorne. Wer den Geburtsbericht, den Artikel über die Neozeit und über die Hormone gelesen hat, weiß jetzt an welcher Stelle es weiter geht.

Nach tagelangem beobachten begann ich meine Fühler im Frühchenforum auszustrecken. War etwas dran an all den antworten die ich bekam. War Marias verlauf wie der von den anderen Frühchen, die Behinderungen behalten haben? Ich laß mir deren Diagnosen durch und begann zu googeln. Was sich als ein großer Fehler entpuppte. Jeder kennt es. Doktor Google ist kein Freund der taktvollen Mitteilungen, sondern entblößt alles schonungslos. Auf einmal ist man alles und hat alles und generell noch genau 2 Monate zu leben. Also schrieb ich eine Mama privat an. Fragte sie alle Fragen die mir in den Sinn kamen. Wie die Entwicklung ihrer Tochter war. Wie sie die Diagnose bekommen hatten und welche Therapien sie bekommt. Mir fielen Ähnlichkeiten auf und ich sprach die Kinderärztin direkt an. Welche jedoch keine Diagnose stellen wollte. Es war ja alles noch viel zu früh um etwas genaues sagen zu können. So  druckste sie herum und verschrieb uns weitere Stunden für die Physiotherapie.

Also fragte ich diese. Dort bekam ich antworten wie “ Es könnte schon eine leichte Form der Parese sein, aber Maria ist noch so klein. Da muss man erstmal abwarten.“ Moment! Parese.. das Wort kannte ich von den Diagnosesalat der anderen Kinder aus dem Forum und von Dr Google.“ Was meinen sie mit Parese? Was würde das bedeuten? Wie lange muss man da denn Physiotherapie machen?“ Ich bombardierte sie mit zig fragen. Ich fand das völlig einleuchtend. Das ist eine Physiotherapeutin, die auf Kinder spezialisiert ist. Warum sollte sie nicht über die Behinderung bescheid wissen, schließlich bedeutet das ja das Physiotherapie bei der Behinderung gemacht werden muss. Aber  das was ich lernte war, das nicht Physiotherapie gleich Physiotherapie ist. Den einziges Satz, der mir in dem Gespräch etwas gebracht hat, war folgender.

“ man kann versuchen die Kinder in ihrer Bewegung zu unterstützen so das sie ihre Entwicklungsverzögerung aufholen können. Aber wen man immer wieder das selbe macht und es keinen Fortschritt gibt, dann muss man auch irgendwann akzeptieren das es nicht geht. Dann wird man andere Möglichkeiten finden, was das Kind unterstützt.“

Im Klartext: Sie sind nun schon so lange hier, es gibt kaum Fortschritte. Es ist an der Zeit in eine andere Richtung weiter zu denken. Aber dafür bin ich nicht zuständig. Schönes Leben noch.

Wie erwartet, war sie erleichtert als ich alle weiteren Termine absagte und mich auf neue Wege wagte.

Als mit 6 Monaten der Entwicklungstest in der Klinik anstand, wusste ich dem zufolge das Maria hinterher hinkt. Das andere Kinder, die ähnlich in der Entwicklung sind, etwas haben was mit einer – parese endet und ich nicht verstand was das überhaupt bedeutet. Fachbegriffe, deren ich mich heute bediene und die so selbstverständlich in meinem Sprachgebrauch sind, hatte ich damals noch nie gehört. Trotzdem war ich stolz, das Maria Interesse für Dinge zeigt, sich versucht dahin zu rollen.. und hatte nicht mit dem niederschmetternden Ergebnis gerechnet, was auf mich zu kommen sollte.

“ Waren sie schon im SPZ? “

„Was ist den das SPZ?“

“ Hat ihr Kinderarzt sie denn noch nicht überwiesen? Das hätte er schon längst machen müssen? “

“ Aha. Und was machen wir jetzt?“

“ Ich besorg ihnen da jetzt einen Termin, das kann aber bis zu 6 Monaten dauern.“

“ Ist denn etwas nicht normal? Und was ist das SPZ?“

“ Das sind Spezialisten, die mit ihnen dann alles weitere erledigen. Ich denke das Maria eine Tetraparese hat, und das sie sich mit Geduld und Glück selbstständig drehen wird, aber das sollen die im SPZ alles mit ihnen weiter besprechen“

Da waren sie, harte aber klare Worte!

Der SPZ Termin war 4 Monate später. 4 Monate in denen ich abwarten sollte?  Jetzt wo ich einen Anhaltspunkt habe? NE!

Also informierte ich mich, was sich alles im Leben ändert, wenn man ein behindertes Kind hat. Was brauchen wir? Was wird auf uns zu kommen? Passen unsere Wohnverhältnisse? Was sind Hilfsmittel und vor allem wie komme ich an sie ran? Welche Krankenkasse ist für uns nun am besten geeignet… Kurz um, ich begann unser Leben umzustrukturieren und hackte eines nach dem anderen ab. Vielleicht wäre ein kurzer Leitfaden für einige interessant? Dann würde ich dazu einzeln nochmal einen Beitrag schreiben.

Zum besagten SPZ  Termin, wohnten wir in einer Rollstuhlgerechten Wohnung, hatten einen Schwerbehinderten Ausweis, eine Pflegestufe und sämtliche Hilfsmittel, die Maria benötigt. Ich hatte alle Arztberichte fein säuberlich in einem Ordner und war gespannt was sie zu Maria sagen würden.

Nach einer kurzen Bestandsaufnahme von ihr, kam dann auch die erste Diagnose mit dem Zusatz, das es jetzt die Zeit zeigen wird, was es genau wird. Und wir uns in einem halben Jahr wieder sehen. Bis dahin stellen sie uns Rezepte für dies und jenes aus und um die Ursache heraus zu finden, schlagen sie ein MRT vor. Und nun hätte ich einen Termin bei der Dame vom Sozialdienst, die uns alles weitere erklärt. “ Was erklärt?“ fragte ich. “ Na, wie sie was beantragen und was ihnen jetzt zusteht.“ Schön, dachte ich.. das man das vorher gesagt bekommen hat. “ Wissen sie was dringend fehlt? Jemand der einen nach der Diagnose oder Verdacht, an die Hand nimmt und bis zum SPZ leitet, dazwischen hängt man nämlich in der Luft und muss sich selber helfen.“

Den Termin beim Sozialdienst nahm ich also das erste mal in Anspruch als wir die Reha beantragt haben. ^^

So, inzwischen haben wir nun eine Diagnose. Maria hat eine spastische tetraplegische Zerebralparese linksbetont mit starken Spitzfüssen, Muskelhypotonie im Rumpf, eine kombinierte umschriebene Entwicklungsstörung insbesondere motorisch, Mikrozephalie, Stabismus links und eine ausgeprägte Epilepsiebereitschaft. 

Ursache: Ist eine Infektion in der Schwangerschaft gewesen. Die Marias Gehirn angegriffen hat.

Und damit ihr nun auch wisst was das bedeutet, übersetze ich es für euch. Ohne das ihr Dr. Google befragen müsst und euch so fühlt wie ich zu beginn.

Parese bedeutet allgemein eigentlich nur Lähmung. Tetra bedeutet alle 4 Gliedmaßen. ( Es gibt zig Formen der Parese. Man kann Schwerstmehrfachbehindert sein oder aber auch nur die Hand betroffen haben. Alles ist Möglich) Maria hat also eine Spastik die Arme und Beine betrifft, und die linke Seite stärker betroffen ist als die rechte. Dazu kommen starke Spitzfüsse. Ihre Spastik streckt also ihre Füsschen als wenn man auf Zehenspitzen läuft. Dazu kommt die Hypothonie im Rumpf. Was Maria also überall zu viel an Tonus hat, ist im Rumpf zu wenig. Kurzum ein schwacher Muskeltonus, der es verhindert das Maria sich halten kann. Weder ihren Kopf noch Rücken..korrigiere… halten konnte!!!!!! =) Die kombinierte Entwicklungsstörung beinhaltet die Sprache, die Motorik, geistige Fähigkeiten…und sagt eigentlich nur, das im Moment alles nicht so läuft wie bei anderen Kinder. Was sich daraus entwickelt kann einem eh niemand sagen. Mikrozephalie bedeutet das ihr Kopf kleiner ist, als er sein sollte. Was wiederum für eine geistige Behinderung spricht. Aber ihr Kopf ist nur ein klitzekleines bisschen zu klein, und die Ärzte, wenn man sie dann mal gefunden hat, schnell mit Diagnosen und Schubladen. Stabismus bedeutet das sie links ein wenig schielt. Und die ausgeprägte Epilepsiebereitschaft bedeutet, das ihr EEG so ist, das es die Ärzte wundert, das sie keine Anfälle hat.

Aber wie wir inzwischen gelernt haben, ist das Gehirn ein Wunderwerk des Lebens. Nix verläuft nach Plan. Ich hoffe ich konnte ein wenig Licht ins dunkle bringen. Und es ist für jeden nun klar, was Maria eigentlich genau hat =) Immerhin folgt ihr uns ja so lieb❤


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