Auf der Siegerstraße

Von Stefan Sasse
Die SPD arbeitet gerade an einem Konzept für das Gewinnerthema 2013. Ganz ernsthaft, wenn die internen Diskussionen zu diesem Thema abgeschlossen sind, wird sich die öffentliche Meinung über die SPD ändern, und Medienmacher wie Wähler werden in Ehrfurcht auf die Knie sinken und sich fragen, warum sie erst jetzt in den warm-heimeligen Schoß der deutschen Sozialdemokratie zurückgekehrt sind. Es handelt sich - Tusch - um ein neues Steuerkonzept. Man glaubt es kaum, nicht wahr? Kann sich irgendjemand ein Thema vorstellen, mit dem man solch begeisterte Reaktionen hervorrufen wird, so Leute mitreißen? Besonders, da es kaum Angriffsflächen bietet, soll es doch nach derzeitigem Stand eine Steuererhöhung über eine weitere Progressionsstufe der Einkommen zwischen 52.000 und 100.000 Euro im Jahr sein, die dann 49% (statt bisher 42%) beträgt und die am 250.000 Euro fällige Reichensteuer eventuell bereits beinhalten soll. Das ist auf so vielen Ebenen schlecht. 
Zuerst einmal Steuern an sich. Die SPD braucht dringend irgendetwas, um sich profilieren zu können. Der Mindestlohn ist auf absehbare Zeit kein Mobilisierungsthema mehr, weil von der CDU hier kein ernsthafter Widerstand mehr zu erwarten ist, der sich für die dringend nötige Profilierung nutzen ließe. Aber ohne Gegner keine Profilierung. Nicht dass die CDU den Mindestlohn vernünftig einführen würde, keine Frage - aber irgendetwas in diese Richtung wird diese Legislaturperiode noch kommen, da bin ich mir sicher. Und wenn die SPD das jetzt zu ihrem Thema macht, wird sie nachher gezwungen sein zuzustimmen. Und das wäre, wir sehen es gerade am Atomausstiegsausstiegausstieg bei den Grünen, nur bedingt praktisch. Aber Steuern? Niemand glaubt allen Ernster daran, dass hier enrsthaft reformiert werden könnte, und das wird FDP-Hoffnungsträger für das Reißen der 5%-Hürde Rösler auch bald merken. Das Thema ist technisch und dröge und hantiert mit vielen Zahlen. Steuerpläne benutzt man um Argumente zu entkräften, man könne andere, zentrale Projekte nicht finanzieren. Man stellt sie nicht ins Zentrum. 
Dann sieht der SPD-Plan bislang eine reine Steuererhöhung vor. Kaum vorstellbar wie diese Idee nicht auf helle Begeisterung in den Redaktionsstuben von Spiegel, BILD und Zeit stoßen wird, noch dazu da man ausgerechnet die Mittelschicht höher besteuern will, die hohen Einkommen aber nicht. Es ist aber gerade die Mittelschicht, die unter Belastungen ohnehin schon ächzt. Dazu wird weiter Einkommen aus Arbeitsverhältnissen besteuert, aber nicht passives Einkommen aus Kapitalerträgen, Mieten und ähnlichen Quellen. Die SPD sitzt einem Irrtum auf wenn sie glaubt, dass es sie attraktiv macht diese Schicht zu belasten und dafür die Geringverdiener zu entlasten. Was die brauchen sind höhere Löhne, nicht niedrigere Steuern, von denen man in diesen Gehaltsklassen ohnehin kaum etwas merkt. 
Natürlich macht man sich auch Gedanken um die Verwendung des Geldes. Die einen wollen es komplett in "Bildungsinfrastruktur" investieren, die anderen damit wie erwähnt die Geringverdiener entlasten. Am Ende kann bei solchen Diskussionen ohnehin nur ein kruder Kompromiss stehen, bei dem die Hälfte der verplanten Euro doppelt ausgegeben wird um auch alle Beteiligten zufriedenzustimmen. Ich bin zugegebenermaßen kein Experte bei Steuerfragen, aber geht die Einkommenssteuer nicht hauptsächlich an den Bund? Und ist Bildung nicht Ländersache? Wenn die Bundes-SPD Gelder in Bildung investieren will, in was tut sie das dann? In Schulen und Universtitäten darf sich der Bund seit der Föderalismusreform II ohnehin nicht einmischen. Den Ländern das Geld einfach geben und hoffen, dass die es auch für Bildung einsetzen kann er auch nicht. Was also soll das werden? Ein neues Stipendienprogramm für irgendwelche Spitzenstudenten und Elite-Cluster? Das ist natürlich auch ein sozialdemokratisches Gewinnerthema. 
Das komplette Konzept erscheint derzeit äußerst halbgar. Man hat einige Zutaten in den Topf geworfen, von denen man glaubt, dass sie beim Wähler auf Zustimmung stoßen: eine dicke Scheibe Steuererhöhung für Besserverdienende, eine Prise "Vorfahrt für Bildung", die immer notwendige Entlastung der Geringverdiener. Das Ganze ein bisschen umgerührt und köcheln lassen, und fertig ist das Konzept. Dummerweise passen die Teile überhaupt nicht zusammen. "Bildung" nimmt allmählich die Rolle des Wolfs aus dem bekannten Märchen ein: ihre Vorfahrt, ihre enorme Bedeutung und Finanzierungswürdigkeit wird so betont, dass längst niemand mehr daran glaubt. Keine Sonntagsrede ohne Bildung als Ausweg aus allem. Was das genau sein soll, diese Bildung, wie sie aussieht, wer zuständig ist - wird nie definiert. Gleiches gilt für die Entlastung der Geringverdiener. Wer soll das eigentlich sein? Und um wie viel werden die entlastet? Und warum? Völlig egal, es klingt gut im Programm, mit dieser nutzlosen Forderung glaubt selbst die FDP sich gefahrfrei ein bisschen einen sozialen Anstrich geben zu können. Allein das sollte alle Alarmglocken schrillen lassen. 
Der Eindruck, der auf diese Art und Weise entsteht ist fatal. Die SPD will Steuern erhöhen (und genau so wird das kolportiert werden), und das so entstehende Geld wird unspezifisch mit der Gießkanne umverteilt. Ich kann die Titelgeschichten schon richtig vor mir sehen, wenn das Ding dann fertig ist. Es kann nicht funktionieren das Pferd von hinten aufzuzäumen. Die SPD weiß zwei Jahre vor der Bundestagswahl immer noch nicht, was sie eigentlich will. Irgendeine kohärente Politik sucht man völlig vergebens. Der einzige Gewinner dieses Steuerkonzepts, das kann jetzt schon festehen, ist Peer Steinbrück. Den hat Gabriel ins Boot zu holen versucht, um einen Brocken der ihm zugeschriebenen Finanzkompetenz abzubekommen. Steinbrück aber hat vorsorglich schon mal verkündigt, für "ein reines Steuererhöhungsprojekt nicht zur Verfügung zu stehen". Hey, da jault man bei seinen Fans schon vor Verzückung.

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