Neulich geriet ich in eine Diskussion, bei der ich mich ganz unerwartet auf der für mich eher ungewohnten Seite des Arguments wiederfand. Es ging um die Lehrer und ihre Missetaten. Um ihre Rolle als Gefängniswärter, die unseren Kindern die Freiheit rauben. Um ihre Herzlosigkeit, mit der sie ihren Schützlingen begegnen. Um ihre Foltermethoden, mit denen sie den Kleinen das Leben schwer machen.
Ich weiss, ihr denkt jetzt, ich sei bestimmt diejenige gewesen, die all diese Dinge geäussert hat. Immerhin werde ich nicht müde, lauthals über die Schule zu zetern und zu schimpfen. Habe ich nicht gerade vorgestern meinem Ärger wieder einmal Luft verschafft? Aber so hat meine Gesprächspartnerin geredet und ich habe dagegen gehalten und zwar nicht nur, weil ich Tisch und Bett mit einem Lehrer teile, der so gar nicht dem Bild des Schulzimmer-Tyrannen entsprechen will. Dass ich mich plötzlich in der Rolle der glühenden Lehrerverteidigerin wiederfand, hat auch andere Gründe.
Ja, man darf – und muss zuweilen auch – der Schule als Institution kritisch gegenüberstehen. Man soll nicht einfach alles widerspruchslos hinnehmen, was der Lehrplan für unsere Kinder vorsieht. Es gibt Situationen, in denen es angebracht ist, harte Kämpfe mit Lehrpersonen auszufechten, wenn sie nicht das Wohl des Kindes, sondern irgend ein halbgares pädagogisches Hirngespinst im Sinne haben. Es gibt auch viele gute Gründe, die eigenen Kinder der Schule gar nicht mehr anzuvertrauen. Von mir aus darf man sogar eine Lehrperson nicht mögen und alles grundfalsch finden, was sie oder er tut. In meinem Leben gibt es auch zwei oder drei Pädagogen, bei denen es mir ausgesprochen schwer fällt, etwas Gutes zu finden.
Was man bei all dem aber nicht vergessen darf, ist die Tatsache, dass Lehrer und Lehrerinnen auch nur Menschen sind. Menschen, die in der Regel nicht böswillig handeln – obschon natürlich auch diese Regel ihre Ausnahmen kennt; ich rede da leider aus Erfahrung. Menschen, die sich meistens bei dem, was sie tun, etwas überlegen – obschon uns diese Überlegungen manchmal schleierhaft sind. Menschen, die aus irgend einem Grund sind, wie sie sind. Menschen, die vermutlich nicht selten ebenso laut über uns seufzen, wie wir über sie. Menschen, die … Ach, was soll ich auch noch weiter aufzählen? Sie sind halt einfach auch nur Menschen. So wie du und ich. Darum lasse ich mich – bei aller Kritik an der Schule meiner Kinder – nicht vor den Karren jener spannen, die in jedem Lehrer ein kinderfressendes Monster sehen.
Mein Positionsbezug hatte aber auch noch andere Gründe. Nämlich die Perlen unter den vielen Lehrerinnen und Lehrer, die meine Kinder schon unterrichtet haben. Die Primarlehrerin, die dafür verantwortlich ist, dass eines unserer Kinder in zwei Jahren nur an einem einzigen Tag keine Lust hatte, zur Schule zu gehen. Der Klassenlehrer, der immer und immer wieder die Geduld aufbringt, unserem Sohn noch eine Chance zu geben. Die Förderlehrerin, die bei den Kindern so beliebt ist, dass sie ihr fast vors Velo springen, um sie zu begrüssen, wenn sie an unserem Haus vorbeifährt. Die Oberstufenlehrerinnen, die es nicht nur fertig bringen, die Herzen der Teenager im Sturm zu erobern, sondern die sogar in der Lage sind, überkritische, zynische Mütter zu begeistern.
Meine Gesprächspartnerin wollte mir natürlich nicht glauben, dass es solche Lehrer und Lehrerinnen gibt. Aber es gibt sie sehr wohl. Und wir sollten sie gefälligst anständig behandeln, denn sie sind es, die dafür sorgen, dass unsere Kinder trotz aller Mängel, die unser Schulsystem leider hat, viel Gutes mitbekommen.
Und wenn ihr jetzt findet, ich trete heute etwas gar oberlehrerhaft auf, dann schreibt das bitte den Käfern zu, die mir das Prinzchen in seiner unendlichen Grosszügigkeit freundlicherweise überlassen hat. Er hat jetzt genug gejammert und gestöhnt. Jetzt darf ich…