Auf den Straßen Palästinas

Auf den Straßen Palästinas

Mädchen sitzen in einem der Pavillons und erzählen sich gegenseitig – nicht ohne Stolz – die Geschichte dieses heiligen Ortes. Am Anfang war er so sauber, dass er geglänzt hat, kein Makel war zu sehen. Eltern spielen mit ihren Kindern, Singspiele, Reime, die sie aus Kindertagen kennen, andere spielen Fußball, Paare gehen Hand in Hand spazieren, eine Gruppe Frauen sitzt im Schatten der alten Bäume und lauscht einem Unterricht, unweit einer Männergruppe. Dreimal am Tag, so sagen sie mir, versammeln sie sich hier. Sie lernen Tadjweed, Sira, oder Fiqh. Manchmal werden sie kontrolliert, müssen sich ausweisen, werden registriert und gefilmt. Das soll sie abschrecken, sie davon abhalten, hier her zu kommen.

Mit seinen Treppen und Podesten, seinen alten Bäumen und Schatten spendenden Arkaden, seiner meisterlichen Gestaltung, ein Ort der Ruhe und des Friedens, wirkt Al Aqsa nicht von dieser Welt. Kommt man durch seine Tore und erblickt die Kuppel, dann weiß man, ja, man ist angekommen. Trotz aller Widrigkeiten.

In der alten Moschee füllen Vögel mit ihrem Gezwitscher den großen, einfachen Raum. Ein Paar sitzt an eine Säule gelehnt und rezitiert gemeinsam Allahs Worte. Frauen reden über Profanes, ob jemand eine Braut für ihren Sohn hat, neue Nachrichten aus der Stadt. Gruppen aus der ganzen Welt, Inder, Malayen, Südafrikaner, Türken, alle kommen von weit her, um mehr zu erfahren, und selbst zu sehen, wie es um diesen Ort steht.

Den Unterbau für das Plateau bildet eine Symphonie aus meterstarken Stützen – die Marwani-Moschee – bietet den Gläubigen sowohl in der Hitze des Sommers als auch in der Kälte des Winters erträgliche Temperaturen. Darunter graben Orthodoxe einen Tunnel, der droht, Al-Aqsa zum Einsturz zu bringen.

Am Hitta Tor haben Jugendliche anlässlich des Fastenmonats Ramadan ihr Viertel verschönert, überdimensionale Laternen – aus Plastikbechern und Obstschalen kunstvoll hergestellt - erleuchten den Weg in den Haram. Nein, sie sind nicht zu verkaufen. Sie sind stolz auf ihr schön geschmücktes Viertel. Ahl-al-Quds, die alteingesessenen Bewohner, haben Schläuche entlang den Hauptwegen montiert, mit kleinen Spritzvorrichtungen, um den Gläubigen die Hitze etwas erträglicher zu machen. Die Menschen wetteifern um die Belohnung Allahs, der Dua der Gläubigen ist ihnen sicher.

ramadan jerusalem

Die Altstadt so scheint es, wurde aus einem riesigen Felsen gemeißelt. Eine riesige Skulptur. Die meisten Familien leben hier seit Jahrhunderten, und sie harren aus, existieren, bleiben, das ist ihr Widerstand.

Vor den Toren zum Haram, israelische Kontrollposten, bewaffnet und nicht immer freundlich. Wer keine Erlaubnis hat, nicht den richtigen Ausweis, darf nicht rein, darf sich womöglich gar nicht in der Stadt aufhalten. Manchmal, besonders an Freitagen und im Ramadan, wird mehrfach kontrolliert, schon vor den Toren der Altsatdt. Jungen, Männer unter 50 werden abgewiesen. Manchmal werden sie trotz einer „Erlaubnis“, die sie mitbringen, willkürlich abgelehnt, schroff weggestoßen. Die Ehefrau, die Mutter wird durchgelassen, sie bleiben draußen. Alles zur Sicherheit. Manchmal sind sie von weit her aus der Westbank angereist, um nach Jahren, Jahrzehnten oder gar zum ersten Mal in ihrem Leben, hier zu beten.

In der Moschee erzählen mir Frauen, woher sie kommen, zeigen mir ihren „Tasrih“, die israelische Erlaubnis, die nur für einen Tag gilt. Bis um 17.00 Uhr müssen sie einen Checkpoint in die Westbank passiert haben. Das Leben unter Besatzung ist kompliziert.

Im Ramadan herrscht großer Andrang. Wer nicht schon am frühen Vormittag kommt, hat es schwer, einen Platz zu finden. Die Freude ist getrübt. Gleich in der ersten Nacht zum Ramadan, werden zwei junge Männer von der israelischen Armee bei einem Einsatz im Flüchtlingslager Kalandia in der Westbank getötet. Jugendliche, die verdächtigt wurden, zwei Wochen zuvor Felder in einer nahe gelegenen illegalen Siedlung in Brand gesetzt zu haben, sollten festgenommen werden – wie immer mitten in der Nacht.

Die Menschen fühlen sich provoziert. Es war die erste Nacht zum Ramadan, alle waren wach und die jungen Männer waren noch in den Straßen unterwegs. Die Armee wusste, dass sie auf die Jugendlichen des Lagers und auf Widerstand treffen würde. „In Notwehr“ haben die Soldaten dann das Feuer eröffnet und wahllos geschossen. Die Getöteten waren zufällig dort. Einer der Männer verließ gerade das Haus seiner Großeltern, als er am Kopf getroffen wurde. Nächste Woche sollte seine Abschlussfeier sein, er hatte Jura studiert. Am nächsten Tag ist die Beerdigung, im Lager bleiben die Geschäfte den ganzen Tag geschlossen.

Nun auch noch Luftangriffe auf Gaza. Nachrichten, das bedeutet Sorgen und Kopfschmerzen. Die Probleme sind gut verteilt. Kaum ein Dorf, kaum eine Stadt, kaum eine Familie hat nicht mit Problemen zu kämpfen. Der Mauerbau, die Checkpoints, Verhaftungen, das alles ist an der Tagesordnung.

Al Walajeh, ein Dorf nahe Betlehem, ist bald komplett von der israelischen Mauer eingeschlossen, seine Bewohner von der Außenwelt und ihren eigenen Ländereien abgeschnitten. Die Seite der Mauer, die zur israelischen Siedlung zeigt, ist mit Naturstein verkleidet. Zur palästinensischen Seite zeigt sie sich nackt in Beton. Viele der Familien, die hier leben, haben ihre Häuser nach der wiederholten Sprengung durch die israelische Armee wieder aufgebaut. Mehr als 80 Klagen wurden eingereicht. Sie kämpfen auf vielen Ebenen um ihre Existenz. Heldengeschichten muss man hier nicht suchen. Die Menschen haben eine unglaubliche Ausdauer.

Jaffa, einst eine der wichtigsten und schönsten palästinensischen Städte, deren Bewohner 1948 zu einem großen Teil vertrieben wurden. Nun sollen – per Gesetz- auch noch die arabischen Straßennamen verschwinden. Viele Orte haben ihren Namen verloren. Manche haben neue hebräische Namen bekommen, manche sind gar namenlos geblieben, Parks und Naturschutzgebiete verschweigen ihre wahre Identität. Israelische Friedensaktivisten erzählen mir, dass sie als Kinder in Ruinen gespielt haben, ohne zu wissen, was es damit auf sich hat. „Die Alten werden sterben und die Jungen werden vergessen“, diese Aussage wird Ben Gurion zugeschrieben. Sie ist wohl, wie manche zu verstehen beginnen, gleichermaßen an Israelis und Palästinenser gerichtet.

Die Ruinen von Lifta, eines der wenigen noch „sichtbaren“ zerstörten Dörfer Jerusalems, sollen abgerissen werden. Die Grundstücke sind zum Verkauf ausgeschrieben, hier sollen Luxusvillen für amerikanische Juden und eine Mall entstehen. Dabei wohnen viele der rechtmäßigen Besitzer ganz in der Nähe. Sie sind vor Gericht gezogen, in der Hoffnung diese Fortsetzung des 1948 mit ihrer Vertreibung begonnenen Unrechts zu verhindern. Wenigstens sollen die Ruinen die wahre Geschichte bezeugen, selbst wenn die Menschen ihr von der UN zugesichertes Rückkehrrecht nicht bekommen. Yakoub Odeh, einer der Hauptakteure und Menschenrechtsaktivist ist schon 72 Jahre alt. Siebzehn Jahre hat er als junger Mann im Gefängnis verbracht. Die Narben auf seinem Kopf zeugen von der Folter. Er sagt, er mag es nicht, wenn Palästinenser alt werden, dann ließen ihre Aktivitäten nach. Ich wünsche mir, dass er noch lange Kraft hat und dass seine Hoffnungen sich noch zu seinen Lebzeiten verwirklichen.

VON Kawthar el-Qasem


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