Auf den Spuren der Geschichte

Von Erichkimmich @Erich_Kimmich

Montag 8. Juni 2015. Von Pommiers-en-Forez über Montverdun nach Champdieu.

Heute ist mein 18. Reisetag. Im Wohnwagen und auf dem Campingplatz gibt es kein Frühstück. Also wandere ich heute mal ganz ohne Frühstück und dafür frühzeitiger los. Es ist feuchtwarm und wolkig; die Überreste der Regenfront am gestrigen Abend hängen noch in der Landschaft. Die jungen französischen Pilger habe ich seit gestern Abend nicht mehr gesehen. Fast scheint mir, als seien die am Abend noch um- oder weiter gezogen.

Der Weg verlässt die uralte Klostersiedlung Pommiers auf der Ortsstraße Richtung Süden, überquert die Departementsstraße und verlässt erst später das graue Asphaltband an einem einzeln stehenden Haus. Die Kühe liegen apathisch im Gras und machen ihren Verdauungs-Gang. Der Blick reicht unter den drohenden grauen Wolkenbergen weit ins Land hinein: Ganz da hinten ist es sonniger, da flutet das Sonnenlicht auf die Berge! An einem See vorbei ändert sich die Stimmung vollständig: Es quakt im Wasser und zwitschert in den Bäumen – hier lebt die Natur!

  

  

In Bussy-Albieux finde ich schräg gegenüber der neugotischen Kirche eine kleine Kioskbar. Hier bestelle ich die Grundzutaten eines Frühstücks: Café und Croissant. Mehr geht nicht, die Einrichtung ist äußerst spärlich ausgestattet. Und die reichlich vorhandenen Lotto- und Gewinnkärtchen kann man nicht essen… Der Café schmeckt wie aus dem Kantinenautomaten. Das erleichtert das Weitermarschieren. Der Weg verlässt das Dörfchen leicht ansteigend. Nun habe ich wieder einen Blick ins Bergland. Das Strässchen führt an einem herrschaftlichen Gebäude vorbei, das durch eine endlos lange, teilweise zerfallene Mauer zur Straße hin eingegrenzt ist. Dahinter wachsen mächtige Bäume, große Wiesenflächen tun sich auf. Ich male mir aus, wie es wäre, hier ein Kurhotel daraus zu machen…

  

In Ste-Agathe-la-Bouteresse stehen nahe der Kirche doch tatsächlich einige Sitzbänke. Super! Es ist  Mittagszeit. Ich stelle den Rucksack ab, ziehe Schuhe und Socken zum Trocknen aus und beginne, meine Vorräte aus dem Rucksack zu verspeisen.
Dann geht es zwischen uralten Häusern abwärts ins Tal des Lignon. Am Stauwehr nahe der Brücke beobachte ich smaragdblaue Libellen am Ufer. Das Wasser rauscht glitzernd und tosend das Wehr hinab. Es folgt ein kräftiger Anstieg und dann sehe ich links von mir die Kirche auf dem Berghügel. Das dürfte ein Vulkanschlot sein, der typischen Form nach. Schon bin ich mitten in Montverdun angekommen. Ich habe Durst und setze mich in die Bar an der Kreuzung. Panaché – selten klang ein Wort schöner in meinen Ohren. Durst löschen!

Nach einer Weile entschließe ich mich, das Etappenquartier Montverdun zu streichen und noch weiter zu wandern. Der Jakobsweg bietet einen Blick zurück auf die Hügel-Kirche, die weithin sichtbar ist. Er steuert zielsicher ein kleines Bergmassiv an und wählt damit die schönste Strecke aus, die man Wanderern hier bieten kann. Ich tauche ein ins Grün des Waldes.

Zwischendurch gibt es schöne Ausblicke Richtung Osten. Interessante Blütenpflanzen, die ich noch nie gesehen habe, fallen mir ins Auge.

Da es vergangene Nacht geregnet hat, sind manche Stellen des Weges sehr cremig-glitschig. Dann liegt eine weite Ebene vor mir: Ich vermute geradeaus im Dunst Montbrison zu sehen. Die Strecke zieht sich in die Länge. Hier stehen Pferde in einer Koppel, ein Stück weiter wartet ein Grautier im Schatten. Durch Chalain-d’Uzore gehe ich hindurch. Es kommt mir wieder sehr warm vor.

  

Ich überquere einen schmalen Kanal du Forez, unterquere eine Bahnlinie und erreiche bald darauf die alte Stadt Champdieu. Gottes Feld würde es auf deutsch heißen. Im Zentrum finde ich eine wunderbare Altstadt, die sich um eine im 11. Jahrhundert gegründete Priorei entwickelt hat.  Die Außenmauern der Priorei sind massiv befestigt: Pechnasen über Stützpfeilern mit Schutzmauern über der Bogenstruktur der Kirche – das Befestigungssystem stammt aus der Zeit des Hundertjährigen Krieges (1337 – 1453) als der Forez mehrfach gebrandschatzt wurde.

  

  

Das Restaurant neben dem Stadttor hat wohl auch schon mal bessere Zeiten erlebt. Es ist 17 Uhr und ich bin nach 31 Kilometern nun dringend auf der Suche nach einem Quartier. Ich frage zwei Damen, die in einen der ausgesucht feinen Stoffläden gehen. Das Office du Tourisme hat geschlossen – Montags sowieso den ganzen Tag über. In einer Bar bekomme ich nicht nur ein erlösendes Panaché, sondern auch den erlösenden Tipp, bei Martine und Bruno in der Rue d’Arzalier 47 zu fragen. Dort führt mich Martine hinauf ins ausgebaute Dachgeschoss. Die ehemalige Scheune kann hier etliche sehenswert dicke Balken vorweisen.

Ich kann duschen, bekomme ein kleines Abendessen und genieße den Schlaf im Dachzimmer. Nur das Handy bleibt ohne Netz.

31 km 3,0 km/h 9:35 927 hm 885 hm 400,6 km.

   Champdieu – Montbrison ||  nach oben ||  St-Maurice – Pommiers-en-Forez


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