Auf dem Konsenskandidatenkarussell

Auf dem KonsenskandidatenkarussellDie bevorstehende Wahl eines neuen Bundespräsidenten droht einmal mehr zur Zerreißprobe der Demokratie zu werden. War das Stimmungsbild im Volk beim letzten Versuch, einen würdigen ersten Mann eventuell auch in Form einer Frau zu finden, noch recht eindeutig, scheint die Enttäuschung in den breiten Volksmassen nicht einmal zwei Jahre später so tief zu sitzen, dass eine Mehrheit der Menschen sogar bereit wäre, den angeschlagenen Christian Wulff im Amt zu lassen, um sich eine neue quälende Personaldebatte zu ersparen.
Doch es hilft ja nichts, ein Schloss wie das Bellevue braucht einen Herren, der nicht Knecht eines Schweizer Schrotthändlers ist, sondern einen selbstbewussten Repräsentanten neuerwachten, multikulturellen, durchgegenderten deutschen Europastolzes. Unter 82 Millionen Einwohnern der deutschen Zone der künftigen Fiskalunion gibt es einige Kandidaten, viele aber scheiden natürlich schon aufgrund der Tatsache aus, dass SPD und CDU sich nicht auf sie werden einigen können. Wie wichtig aber eine Vorabvereinbarung der größeren Machtzentren zur Erhaltung der gesamtstaatlichen Stabilität ist, zeigen die Beispiele DFB und Nordkorea: Nur dank der frühzeitigen Festlegung aller Beteiligten auf einen Konsenskandidaten konnten in beiden Fällen ein großes Hauenundstechen samt schmutziger Wäschewachen in aller Öffentlichkeit verhindert werden.
Ein Modell, das nach dem Willen von immer mehr Menschen auch bei der Wahl des nächsten Bundespräsidenten zum Tragen kommen soll. Nachdem der frühere Fußballer und spätere Volksheld Franz Beckenbauer als einzig wirklich akzeptierter überparteiliche Kandidat für das erste Amt im Staate zuletzt am hinhaltenden Widerstand der ehemaligen Klimakanzlerin Angela Merkel und ihres sozialdemokratischen Kollege Sigmar Gabriel gescheitert war, geht es bei Aufstellung der Kandidatenliste diesmal nicht nur um parteienübergreifende Prominenz, sondern auch um Kompetenz und nachgewiesene Unbestechlichkeit. Da der politische Raum seit dem Rücktritt von Baron Münchhausen ausgetrocknet ist, hat die Findungskommission sich auf überparteiliche Demokraten konzentriert, die über ausgewiesene Sachkenntnis und blitzblanke polizeiliche Führungszeugnisse verfügen.
Dazu wurden die Anforderungen an die möglichen Kandidaten als Konsequenz aus dem Fall Wulff nachhaltig verschärft: Der künftige Bundespräsident muss nicht mehr nur über 40 Jahre alt sein, sondern auch über Hauseigentum verfügen, das über einen normalen Hypothekenkredit finanziert worden ist. Lückenlos müssen die Betreffenden überdies nachweisen, wo und mit wem sie in den zurückliegenden 20 Jahren Urlaub gemacht haben, wobei Pauschalurlauber bevorzugt eingestellt werden.
Die endgültige Besetung des Kandidatenkarussells sieht danach so aus:
Wolfgang Schäuble – der Staatsmann. Seit Jahren ein heißer Kandidat, er selbst sieht den Präsidentensessel als Lebensziel. Starke Auftritte als Euroretter, wenn auch ohne Erfolg. Die Parteispendenaffäre hat sein Volk vergessen, wie er einst den Koffer von Frau Baumann vergaß. Als Rollstuhlfahrer mit EU-Bonus.
Thomas Gottschalk – der Hippie. Immer eine Bank, egal, worum es geht. Könnte von der ARD zur CDU wechseln, auch die SPD könnte mit ihm leben. Müsste allerdings zum Friseur und seinen Wohnsitz nach Deutschland verlegen. Wäre ein finanzieller Abstieg, für den Harribomillionär aber wohl verkraftbar. Dem Fernsehpublikum bliebe Gottschalk erhalten, wenn er nach dem Vorbild des venezuelanischen Staatschefs Hugo Chavez seine eigene Sendung „Der Präsident spricht“ bekäme.
Franz Beckenbauer – der Volksheld. Präsidiabler als Gottschalk, weltgewandter als Schäuble. Kennt nicht alle auf dem politischen Parkett, aber alle kennen ihn. Ein deutsches Trumpfass, das global sticht, doch auch Beckenbauer müsste zuerst einmal nach Deutschland umziehen und finanzielle Einbußen hinnehmen.
Bill Clinton – der Altinternationale. Ein Deutschland fast noch beliebter als Beckenbauer, spielt außerdem Saxophon. Könnte nach einer weltweiten Ausschreibung der BuPrä-Stelle als erster Ausländer ins Schloss ziehen, um Deutschlands kategorische Weltoffenheit zu demonstrieren. Eine personifizierte ausgestreckte Hand nach Amerika. Vorteil: Hat alle Skandale bereits hinter sich.
Margot Käßmann – die Durchgeistigte. Hat auch alle Skandale bereits hinter sich. Beliebt in der SPD, geachtet in der CDU, evangelisch, aber auf eine urkatholische Art. Über 40, aber jünger aussehend und nach wie vor lebenslustig, kennt Prominente und Mächtige in ganz Niedersachsen. Lehnt auch mal eine Tapferkeitsmedaille ab.
Julija Timoschenko – die Mutige. Wäre eine Art Kompromisskandidatin aus Clintons Internationalität und Käßmanns intuitiv weiblicher Kenntnis der Provinz. Käme wie Vaclav Havel aus dem Gefängnis und würde das deutsch-ukrainische Verhältnis entspanne. Havel machte seine Sache seinerzeit mit ähnlicher Biografie ausgesprochen gut. Eine ausgestreckte Hand auch nach Ostdeutschland, wo Timoschenkos Frisur noch aus den Märchenfilmen bei „Professor Flimmrich“ bekannt ist.
Günther Jauch – der Volksschwiegersohn. Immer im Rennen und immer ganz vorn. Der deutsche Lieblingsmoderator wäre auch für diese Aufgabe erste Wahl, hat aber allerlei anderes zu tun. Noch ist unklar, wie sich die Moderation von „Wer wird Millionär“ mit dem höchsten Amt im Staate vereinbaren ließe. Wirtschaftlich unangreifbar, Grundbesitz in Brandenburg.
Hape Kerkeling – der Wanderungsfähige. Hat als Königin Beatrix längst gezeigt, dass er es kann. Im Volk beliebt, telegen in vielen Rollen, geschichtskundig bis zurück zu den Pharaonen. Könnte im Ausland mit dem Vorurteil aufräumen, dass die Deutschen keinen Humor haben. wenn er als Bundespräsident wieder das präsidiale Hans-Peter vor seinen Nachnamen stellt, wäre er der erste Amtsinhaber mit Doppelnamen.
Immer wieder die Qual der
Wahl


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