Vom Hermannsdenkmal nach Leopoldstal (16km)
In der Tradition des gestrigen Tages geht es heute munter weiter. Geschichtlich gesehen zumindest. Denn der gestrige Abend in Detmold steckt mir noch ein wenig in den Beinen. Oder vielmehr im Körper. Das nennt man dann wohl einen leichten Kater. Und Schuld war der Glühwein. Immerhin löblich, dass dieser bei den niedrigen Temperaturen Mitte Mai überhaupt noch ausgeschenkt wurde. Daher eine Empfehlung am Rande: das Europäische Straßentheaterfestival in Detmold ist ein echtes Highlight. Es ist witzig, kleinkunstig, unterhaltsam … Aber nicht Thema dieses Blogeintrags. So holen mich die kühlen Temperaturen zwar beizeiten aus dem Bett aber Wandervorfreude schaut dann doch irgendwie anders aus.
Das Schöne am Frühling sind für mich die blühenden Bäume. Das weniger Schöne sind die schnell wechselnden Wetterbedingungen.
Dafür sind alle Strapazen – die niedrige Temperatur, die großes Unlust, das schlechte Wetter – schnell vergessen. Denn das erste und heutige Highlight sind zweifelsohne die Externsteine nach Kilometer Neun, vom Hermannsdenkmal aus gewandert. Steil ragen sie knapp 50 Meter über den künstlich angelegten Teich in die Luft und versprühen etwas Magisches. Weit und breit die einzigen Sandsteine und freistehenden Felsen der Umgebung, werfen sie schon frühzeitig Fragen auf. Einige davon werden im angrenzenden Museum versucht zu beantworten. Unter anderem auch die, ob es hier vor Ort eine steinzeitliche Kultstätte gab. Denn das behauptete man in den 1930er Jahren felsenfest.
Ein bißchen Sandstein gibt es auch im Teutoburger Wald: die Externsteine.
Bei aller Romantik wurde hier auch mächtig viel Unfug getrieben. Besonders die Nationalsozialisten ließen sich hier richtige Ammenmärchen einfallen.
So konnte zwar eine Nutzung der Felsen bis ins frühe 6. Jahrhundert nachgewiesen werden, aber ein unmittelbarer Zusammenhang als Kultstätte oder einer anderen mystischen Bedeutung gibt es nicht. Somit bleibt es einmal mehr der Fantasie des Betrachters überlassen, was er hier für möglich hält. Vielleicht stimmt die Theorie, dass auf den Felsen steinzeitliche Himmelsbeobachtungen vorgenommen wurden, genauso wie die von den Faschisten aufgestellte Behauptung, es handele sich bei den Externsteinen um den Standort des vermeintlichen sächsischen Hauptheiligtums Irminsul, einer vorchristlich germanischen Kultstätte. Was auch immer: es lohnt sich hier zu sein. Bei allen Wettern.
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Ein kurzer Regenschauer zwingt mich (und die gefühlt 400 anderen Besucher ebenso) zum Unterstellen. Nur das Plätschern großer Tropfen auf dem Sandstein, der in Windeseile spiegelglatt wird, sind die Geräusche der nächsten Minuten. Ohne dem ganzem Gemurmel der Tagesbesucher oder Geschrei der Kinder entfaltet diese Stätte ihre gesamte Anziehungskraft auf mich und es fällt mir schwer, weiterzuwandern. Ich kann verstehen, warum hier Großes vermutet wird und den Bann, der von ein paar freistehenden Felsen an einem künstlich angelegten See ausgeht. Mystisch – bizarr – sehenswert. Wer dafür genauso empfänglich ist, sollte sich unbedingt ein eigenes Bild machen.
Ausblicke gibt es genug im Teutoburger Wald. Nur Höhenangst darf man keine haben. Zwar sind die Stiegen gut gesichert, aber eben nur mittels Geländerstreben in den Stein geschlagen.
Ein wehmütiger Blick zurück: Nach Umrundung der Externsteine geht es weiter auf dem Hermannsweg.
Ich entziehe mich dem Ganzen und wandere weiter. Oder besser gesagt; der einsetzende Hagel zwingt mich. Denn der gefundene Regenschutz mag zwar den ein oder anderen Tropfen abwehren, aber die kleinen Eiskörner finden dennoch ihren Weg, mich zu malträtieren. Mehr Schutz erhoffe ich mir im angrenzenden Wald. Aber bei all dem schlechten Wetter verliere ich nicht meinen Frohmut, denn das ewige An- und Ausziehen der Regenjacke ist schon als fast sportlich zu bezeichnen. Dazu der straffe Wanderschritt – Hossa! Da schmelzen die Hüftkilos sicher schneller als Eis in der prallen Sonne.
Ein letzter Ratschlag und schon geht es weiter, dem Ende des Hermannsweges entgegen.
Idyllische Rast- und Ruheplätze gibt es zumindest zwischen Hermannsdenkmal und Leopoldstal zu Hauf.
Die nächste Rast mache ich an einer der idyllischsten Gaststätten des bisherigen Weges. Die einstige Silbermühle, nach einer vermuteten geologischen Eigenschaft der Umgebung benannt, ist heute ein Hotel nebst Gastgewerbe. Auch wenn das mit dem Silber nicht wirklich geklappt hat, ist die Mühle mittlerweile in liebevoller Handarbeit wieder hergerichtet und steht müden Wanderern und Tagesausflüglern zur Verfügung. Während die Kellner noch eifrig dabei sind, die letzten Stühle trocken zu wischen, beäuge ich mit pessimistischer Erwartung den Himmel und ziehe es dann doch vor, drinnen zu speisen. Eine weise Entscheidung wie sich wenige Minuten später herausstellt, als eben beschriebene Kellern vom neuerlichen Regen überrascht völlig durchnässt in den Gastraum gerannt kommen. Wetterumschwünge mitten im Mai – da wird der April fast neidisch.
In der Sächsischen Schweiz las ich an einer Gaststätte mal einen sehr zutrefflichen Spruch: „Du bist verschwitzt, die Füße stinken – Zeit ein kühles Bier zu trinken!“ Dem wäre hier nichts mehr hinzuzufügen.
Die ehemalige Silbermühle fungiert heute als letzte Möglichkeit der Rast, bevor der Hermannsweg in Leopoldstal sein Ende findet. Sollte man nutzen.
Leopoldstal empfängt mich mit Schweigen und Ruhe. Das Ziel meiner dreitägigen Wandertour auf dem Hermannsweg durch den Teutoburger Wald markiert nicht nur das Ende meiner Wanderung, sondern auch das Ende des Weges. Der kleine Ort verfügt über nicht viel, aber immerhin über einen eigenen Bahnhof. Von diesem reise ich zurück und lasse, während ich in einem windigen Häuschen auf den Zug warte, meine Gedanken noch einmal durch die letzten Tage gleiten. Spannendes und Geschichtliches, auch geschichtlich Spannendes gab es zu erleben. Vom Germanenkult über die Varusschlacht bis hin zur Gründung des großdeutschen Reiches – der Teutoburger Wald ist gespickt mit historischen Ereignissen und wartet obendrauf noch mit wirklich toll ausgebauten Wanderwegen. Ich habe mich in seinen Wäldern rundum wohl gefühlt und es war sicher nicht das letzte Mal, dass ich hier war.
Zumindest gedanklich war ich als Kind ja schon einmal im Teutoburger Wald: in den Geschichtsbüchern der 4. Klasse. Und nun endlich auch einmal live…
Und dann waren schon wieder drei Wandertage um: so präsentiert sich schließlich Leopoldstal nach knapp 50 Kilometern.
Einfahrt erhält der Regionalzug von Horn-Bad Meinberg nach Bielefeld. Zwischen Regenbogen und Sonnenuntergang beschließe ich meine Wanderung doch etwas wehmütig.
Der Rucksack wird abgesetzt, die Wanderkarte weggesteckt. Am Ende bleiben jede Menge Eindrücke und drei erlebnisreiche Tage. Danke Teutoburger Wald, danke Hermann.
Hinweis in eigener Sache:
Ein besonderer Danke geht an die OstWestfalenLippe GmbH, den Naturparkführer Teutoburger Wald e.V. und die Hermannshöhen fürs unermüdliche Teilen und Facebooken meiner Bilder und Berichte während und nach meiner Wanderung.
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Der Beitrag Auf dem Hermannsweg – Tag 3 erschien zuerst auf theBackpacker.
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