Dass die zwei deutschen Wirtschaftsunternehmen Borussia Dortmund und Bayern München nun höchstwahrscheinlich das Champions League-Finale bestreiten, passt blendend in diese Zeit deutscher Hegemonie in Europa. Dieses deutsch-deutsche Finale bereichert das ausgelutschte Repertoire der Hegemonieverklärer und -rechtfertiger um eine neue Facette mehr, gibt eine originelle Parabel ab.
Die Krise Europas, so die deutsche Lesart, resultiert aus falschen Moral- und Wertvorstellungen an der europäischen Peripherie. Weil es den Griechen und Spaniern an deutschen Eigenschaften, deutschen Qualitäten, deutscher Beschaffenheit mangelt, musste Europa zwangsläufig in den Abgrund rutschen. Hier koaliert die neoliberale Ökonomie mit dem deutschen Wesen, die protestantische Frugalität (nach Max Weber signifikanter Baustein des Kapitalismus) mit teutonischem Sendungsbewusstsein. Der ökonomische Machtanspruch teilt sich das Terrain mit einem Primatanspruch "deutscher Ideale", ummantelt die materialistische Komponente mit einem nationalistisch-idealistischen Gewebe.
Richtete sich Europa stärker an preußischen Tugenden aus, würde es also fleißiger, pünktlicher, ordnungsliebender und weniger wehleidig, so erwüchse ein wahrhaftig schlagkräftiges Europa. Kauder fasste das lapidar mit dem Satz zusammen, es würde wieder Deutsch in Europa gesprochen. Die Krise Europas ist demgemäß zu bändigen, wenn Europa dazu bereit ist, "Deutsch zu sprechen" und überdies Deutsch zu fühlen und zu handeln. Ein geeintes Europa muss ein deutsches Europa sein - sonst klappt es nicht. Das ist der Idealismus, den sich der neoliberale Materialismus gegeben hat, denn der Deutsche braucht auch was fürs Herz, fürs Gemüt.
Etwas fürs Herz ist auch diese passende Geschichte, die in diesen Tagen aus den Sportspalten herausrutscht, um als Beleg für das Großeganze herhalten zu dürfen. Zwei deutsche Wirtschaftsunternehmen bestreiten vermutlich das Champions League-Finale. Europa geht auch hier in Deutschland auf. Die Arroganz gebietet es nun, dies als Zeichen für deutsche Nachhaltigkeit und Gründlichkeit zu sehen. Während die überschuldeten Fußball-Unternehmen Spaniens ihren Zenit endgültig überschritten haben, stürmen nun die kraftstrotzenden deutschen Unternehmen Europas Fußballplätze, machen die Titelvergabe unter sich auf. Hier wurde anständiges Unternehmertum belohnt, südländische Entrepreneure und ihre halbseidenen Machenschaften ausgebremst. Seriöses Wirtschaften trägt Früchte. Jetzt da Deutschland Europa rettet und finanziert, da der Kontinent es bewundert und braucht, kommt ein solches Endspiel genau richtig. Dafür hätten die beiden Wirtschaftsunternehmen eigentlich einen Preis zur Wahrung und Ehrung des Zeitgeistes verdient.
War man früher noch im Felde, so ist man heute auf dem Felde ungeschlagen. Die Parolen ändern sich zuweilen nur unwesentlich. Das Deutsche braucht den Mythos, die bildhafte Geschichte, die belegt, deutlich macht und unterstreicht. Dieses deutsch-deutsche Finale ist ein solches Bild. Es macht dem größten Idioten klar, dass da etwas ganz Großes im Gange ist, das auf allenen Schienen des gesellschaftlichen Lebens nun die deutsche Qualität obsiegt.
Der Fußball wurde seit jeher als Spiegelbild der Gesellschaft missbraucht. Kraft, Ausdauer und Beharrlichkeit waren da nicht nur Eigenschaften technisch unraffinierter Kicker, sondern Adjektive einer ganzen Nation. Politiker bemühen die Sprache des Fußballs, um die Menschen bildlich zu erreichen. Als ich vor Jahren kurz vor einer betriebsbedingten Kündigung stand, meinte der für mich zuständige Vorarbeiter, mich mit Fußballquerverweisen motivieren zu müssen. Ich müsse weiterkämpfen, meinte er, nach dem Foul aufstehen und Engagement zeigen; man könne zwar verlieren, müsse aber fighten, seine Leistung trotzdem abrufen. Außerdem würde ich schon wieder einen neuen Verein finden. Er sprach, als wäre Sport das Leben. Ich gab nur zur Antwort, dass ich gleich eine Blutgrätsche von hinten in seine Waden ansetze, wenn er mich weiter so anblödelt. Vor seinem geistigen Auge wird er mir vermutlich sogleich die rote Karte gezeigt haben.
Keine Gleichsetzung, nur ein Vergleich, um zu belegen, wie sich die Zeiten manchmal ähneln können: Als 1934 und 1938 jeweils die italienische Auswahl die Weltmeisterschaft errang, nahm man das als allgemeinen Beleg dafür, dass der faschistische Mensch dem antiquierten Menschentypus überlegen sei und daher zwangsläufig siegreich vom Spielfeld treten müsse. Diese Parabel auf die neue Zeit war für jeden verständlich, war herrlich einfach und schien alle Wahrheit zu beinhalten. So platt würde das heute keiner mehr sagen. Aber fühlen und andeuten und mit pseudoseriöser Miene vortragen ist schon mal drin. Denn wie sagte schon der Fußball-Philosoph Rehhagel, der nun im Auftrag der Kanzlerin in Griechenland unterwegs ist, um gute Stimmung zu machen: Die Wahrheit liegt auf dem Platz. Und genau deshalb eignet sich dieser Doppelerfolg deutscher Fußball-Aktiengesellschaften besonders gut zur ideologischen Erbauung.
Die Krise Europas, so die deutsche Lesart, resultiert aus falschen Moral- und Wertvorstellungen an der europäischen Peripherie. Weil es den Griechen und Spaniern an deutschen Eigenschaften, deutschen Qualitäten, deutscher Beschaffenheit mangelt, musste Europa zwangsläufig in den Abgrund rutschen. Hier koaliert die neoliberale Ökonomie mit dem deutschen Wesen, die protestantische Frugalität (nach Max Weber signifikanter Baustein des Kapitalismus) mit teutonischem Sendungsbewusstsein. Der ökonomische Machtanspruch teilt sich das Terrain mit einem Primatanspruch "deutscher Ideale", ummantelt die materialistische Komponente mit einem nationalistisch-idealistischen Gewebe.
Richtete sich Europa stärker an preußischen Tugenden aus, würde es also fleißiger, pünktlicher, ordnungsliebender und weniger wehleidig, so erwüchse ein wahrhaftig schlagkräftiges Europa. Kauder fasste das lapidar mit dem Satz zusammen, es würde wieder Deutsch in Europa gesprochen. Die Krise Europas ist demgemäß zu bändigen, wenn Europa dazu bereit ist, "Deutsch zu sprechen" und überdies Deutsch zu fühlen und zu handeln. Ein geeintes Europa muss ein deutsches Europa sein - sonst klappt es nicht. Das ist der Idealismus, den sich der neoliberale Materialismus gegeben hat, denn der Deutsche braucht auch was fürs Herz, fürs Gemüt.
Etwas fürs Herz ist auch diese passende Geschichte, die in diesen Tagen aus den Sportspalten herausrutscht, um als Beleg für das Großeganze herhalten zu dürfen. Zwei deutsche Wirtschaftsunternehmen bestreiten vermutlich das Champions League-Finale. Europa geht auch hier in Deutschland auf. Die Arroganz gebietet es nun, dies als Zeichen für deutsche Nachhaltigkeit und Gründlichkeit zu sehen. Während die überschuldeten Fußball-Unternehmen Spaniens ihren Zenit endgültig überschritten haben, stürmen nun die kraftstrotzenden deutschen Unternehmen Europas Fußballplätze, machen die Titelvergabe unter sich auf. Hier wurde anständiges Unternehmertum belohnt, südländische Entrepreneure und ihre halbseidenen Machenschaften ausgebremst. Seriöses Wirtschaften trägt Früchte. Jetzt da Deutschland Europa rettet und finanziert, da der Kontinent es bewundert und braucht, kommt ein solches Endspiel genau richtig. Dafür hätten die beiden Wirtschaftsunternehmen eigentlich einen Preis zur Wahrung und Ehrung des Zeitgeistes verdient.
War man früher noch im Felde, so ist man heute auf dem Felde ungeschlagen. Die Parolen ändern sich zuweilen nur unwesentlich. Das Deutsche braucht den Mythos, die bildhafte Geschichte, die belegt, deutlich macht und unterstreicht. Dieses deutsch-deutsche Finale ist ein solches Bild. Es macht dem größten Idioten klar, dass da etwas ganz Großes im Gange ist, das auf allenen Schienen des gesellschaftlichen Lebens nun die deutsche Qualität obsiegt.
Der Fußball wurde seit jeher als Spiegelbild der Gesellschaft missbraucht. Kraft, Ausdauer und Beharrlichkeit waren da nicht nur Eigenschaften technisch unraffinierter Kicker, sondern Adjektive einer ganzen Nation. Politiker bemühen die Sprache des Fußballs, um die Menschen bildlich zu erreichen. Als ich vor Jahren kurz vor einer betriebsbedingten Kündigung stand, meinte der für mich zuständige Vorarbeiter, mich mit Fußballquerverweisen motivieren zu müssen. Ich müsse weiterkämpfen, meinte er, nach dem Foul aufstehen und Engagement zeigen; man könne zwar verlieren, müsse aber fighten, seine Leistung trotzdem abrufen. Außerdem würde ich schon wieder einen neuen Verein finden. Er sprach, als wäre Sport das Leben. Ich gab nur zur Antwort, dass ich gleich eine Blutgrätsche von hinten in seine Waden ansetze, wenn er mich weiter so anblödelt. Vor seinem geistigen Auge wird er mir vermutlich sogleich die rote Karte gezeigt haben.
Keine Gleichsetzung, nur ein Vergleich, um zu belegen, wie sich die Zeiten manchmal ähneln können: Als 1934 und 1938 jeweils die italienische Auswahl die Weltmeisterschaft errang, nahm man das als allgemeinen Beleg dafür, dass der faschistische Mensch dem antiquierten Menschentypus überlegen sei und daher zwangsläufig siegreich vom Spielfeld treten müsse. Diese Parabel auf die neue Zeit war für jeden verständlich, war herrlich einfach und schien alle Wahrheit zu beinhalten. So platt würde das heute keiner mehr sagen. Aber fühlen und andeuten und mit pseudoseriöser Miene vortragen ist schon mal drin. Denn wie sagte schon der Fußball-Philosoph Rehhagel, der nun im Auftrag der Kanzlerin in Griechenland unterwegs ist, um gute Stimmung zu machen: Die Wahrheit liegt auf dem Platz. Und genau deshalb eignet sich dieser Doppelerfolg deutscher Fußball-Aktiengesellschaften besonders gut zur ideologischen Erbauung.