Geräusche in der Nacht: ein Kratzen am Bungalow, Geraschel im Unterholz. Wir nächtigen wo sich Fuchs und Hase gute Nacht wünschen, sind zudem vollkommen allein. Der Betreiber der Ferienanlage schläft im benachbarten Dahlen, einem ehemaligen Gutshof dessen überwucherter Garten mal ein Landschaftspark war. Ausgeruht und erholt erwachen wir am nächsten Morgen. Es ist der letzte Tag auf unserer Wanderung rund 90 Kilometer durch den Hohen Fläming. Das einfache Frühstück gibt uns erste Kraft, mit eigentümlichem Wehmut verlassen wir das Lager. Kindheitserinnerungen begleiten mich und lassen mich noch einmal gedanklich in unbeschwerte Tage abtauchen.
Weiter geht es mit Daniel und Ines auf dem Burgenwanderweg im Hohen Fläming
Von Görzke nach Ziesar (20) km
Nach unzähligen Kilometern durch den Forst „Glienicker Heide“ erreichen wir gegen Mittag Köpernitz. Verschlafen, wie all die anderen Ortschaften auf unserem Weg, empfängt uns hier Ruhe und Stille. Die Wolken hängen tief und ein leichtes Nieseln hin und wieder gibt vortrefflich die Stimmung wieder, die wir verspüren. Ein letzter Wandertag heißt nämlich auch immer Abschied nehmen. Abschied von der umgebenden Natur, der Zeit miteinander, vom Unterwegssein. Wir rasten vor einem Bauernhof am Ortsausgang. Der Wachhund schlägt zwar an, lässt uns aber in Ruhe nachdem er begriffen hat, dass wir wohl keine Gefahr darstellen.
Was rauscht denn da und ist kein Bach? Ach ja, die Zivilisation hat uns (fast) wieder.
Wenig später liegt ein wohlbekanntes Rauschen in der Luft. Wir nähern uns der Autobahn und somit das erste Mal seit vier Tagen wieder den schnell dahin fließenden Strömen moderner Zivilisation. Die Ader zeitgemäßer Fortbewegung: rollende Bleche mit Verbrennungsmotoren. Von Magdeburg kommend markiert die A2 die nördliche Grenze des Hohen Fläming und trennt uns nur noch wenige Schritte von unserem heutigen Tagesziel: Ziesar.
Verlassen und zugewuchert: das ehemalige Freiluftbad Ziesar’s.
Auch hier das gleiche Bild: verlassene Häuser, brache Wiesen, verwildertes Land. Am Eingang des Ortes finden wir ein Bild aus besseren Tagen. Vom einstigen Freibad ist zwar das Schwimmbecken noch gut erhalten, die Erholungsstätte als solche aber nur noch zu erahnen. Vom eiskalten Kolbser Bach gespeist war das Wasser nach Wende und neuer DIN-Norm plötzlich ungesund, durfte wegen seiner Natürlichkeit nicht mit Chlor behandelt werden. Sanierung und Umrüstung entpuppten sich als zu teuer, auch wenn der politische Willen vorhanden war. Was zu Zeiten des Sozialismus für Tausende sommerliches Vergnügen bedeutete, galt nunmehr als ungesund und abzulehnen. Längst aufgegeben hat sich die Natur hier wieder zurück gestohlen.
Bei weitem nichts so spektakulär wie der Park von Schloss Wiesenburg: der Garten der Bischofsresidenz Ziesar
Direkt dahinter kommen wir an einem alten Tümpel vorbei, einem verlandeten See. Dieser gab Ziesar dereinst seinen Namen. Auf slawisch bedeutet „Hinter dem See“ nämlich „Za Jezero“. Davon abgeleitet: Zi-E-Sar. Die richtige Aussprache macht den Unterschied. Wir sind nicht aus dieser Gegend und sprechen falsch, man korrigiert uns. Dreisilbig mit der Betonung auf dem „E“. So spricht der wahre Kenner des Hohen Flämings diesen Ort. Wir bemühen uns redlich.
Der Turm mit Bischofsmütze gehörtzweifelsohne zur Bischofsresidenz Ziesar
Wenig später gelangen wir an unser Tagesziel Es ist früher Nachmittag und die Wanderung erfährt hier ihr endgültiges Ende. Die ehemalige Bischofsresidenz wird die letzte der Burgen auf dem Burgenwanderweg im Hohen Fläming sein. Imposant und mächtig thront sie auf dem Stadtberg und schreibt hier seit nunmehr 800 Jahren Geschichte. Nebst Kapelle, Burgfried, Hungerturm und Wirtschaftsgebäuden lässt sich in Park und Museum in ihre Geschichte eintauchen. Von einer einfachen Burg, über Kloster und Residenz zum Flüchtlingslager und Schulinternat. Ein bewegendes Überbleibsel vergangener Tage. Wenn Mauern erzählen könnten.
Nur noch Reste sind von der ehemaligen Burgmauer erhalten
Direkt gegenüber finden wir ein Heim für die Nacht. Auch hier mit sozialistischem Gruß und übellauniger Bewirtschaftung. Die Zimmer sind nostalgisch mit allerlei Firlefanz aus ostdeutschen Tagen eingerichtet, jene Gardinen und Bettwäsche hatten wir früher in der DDR auch. Auf meine Frage, ob es denn im angebauten Restaurant etwas zu speisen gäbe, werde ich wortwörtlich abgekanzelt. Bratkartoffeln: ja. Und vielleicht noch etwas aus der Mikrowelle. Na immerhin. Diese hat scheinbar den Weg bereits gefunden. Wir bedanken uns und speisen in einem anderen Restaurant in der Stadtmitte.
Zunftzeichen im Strassenpflaster
Auf dem Weg dahin wandeln wir auch weiterhin auf geschichtsträchtigen Pfaden. Entlang der Schlossstraße sind Zunftzeichen in das Pflaster des Fußweges eingelassen. Dereinst allesamt in Ziesar ansässig, gibt es nur noch die wenigsten von ihnen an diesem Ort. Wie wohlhabend und reich diese Stadt einmal gewesen sein muss, lässt sich heute nur noch erahnen. Wie so vieles auf unserem Weg.
Und dennoch sind wir froh ihn gegangen zu sein. Gerade im Herbst ist der Burgenwanderweg im Hohen Fläming ein ganz besonderer. Von Melancholie und Vergänglichkeit geprägt werden geschichtliche Umbrüche umso deutlicher. Sie werden sichtbar. Ja sogar erlebbar.
Noch ein letzter Blick zurück, dann heißt es Abschied nehmen
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Auf dem Burgenwanderweg im Hohen Fläming – Tag 1
Auf dem Burgenwanderweg im Hohen Fläming – Tag 2
Auf dem Burgenwanderweg im Hohen Fläming – Tag 3
Auf dem Burgenwanderweg im Hohen Fläming – Tag 4
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