Von Jeserig ist es nur noch ein Katzensprung zum Bahnhof Wiesenburg, der allerdings schon bessere Zeiten gesehen hat. Von der einstigen Betriebsamkeit zeugt nur noch die Größe des Baus. Die vernagelten Fenster sprechen da eine andere Sprache. Warum Fortbewegung heutzutage fast ausschließlich mittels privaten Gefährten passiert sollte eigentlich viel häufiger hinterfragt werden. Ist dem Menschen der Sinn für die gemeinschaftliche Reise abhanden gekommen? Oder scheint die private Mobilität wirklich um so vieles günstiger als die öffentliche? Ich wage das zu bezweifeln. Aber vielleicht stimmen mich verlassene Bahnhöfe, als einer der diese seit Kindheitstagen liebt, auch nur übertrieben melancholisch und vernebeln daher meine Wahrnehmung…
Der Bahnhof von Wiesenburg, Ende einer Eisenbahn und Beginn des Landschaftsparks
Von Jeserig nach Görzke (27km)
Dagegen wirkt der Park, der sich direkt vom Bahnhof bis zum Schloss von Wiesenburg zieht, alles Andere als verlassen. Im Stil englischer Parkanlagen gestaltet, überrascht die Grünanlage mit einer Vielzahl an Pflanzen und liebevoller Arrangements. Immer wieder bleiben wir stehen, genießen das Schattenspiel der goldenen und roten Blätter, durch die sich das Licht der Sonne seine Wege bahnt, und betrachten die herbstliche Umgestaltung. Gerade den Wanderweg vom Bahnhof kommend sollte man sich dieses Farbspektakel eigentlich nicht entgehen lassen.
Eine kleine Idylle auf Schloss Wiesenburg
Und auch das Schloss weiß von außen mit Schönheit und Eleganz in seinen Bann zu ziehen. Hier braucht der Wanderer Zeit, um Burg und berauschende Farben in sich aufzunehmen. Einziges Trostpflaster bei aller Anmut: eine Besichtigung ist leider nicht möglich. 1998 von einer privaten Investorengruppe gekauft sind die Räumlichkeiten mittlerweile zu Eigentumswohnungen umgestaltet und wieder verkauft. Hier wohnt, wer schon immer in einem historischen Schloss wohnen wollte und es sich leisten kann, das zu tun. Auch die Altstadt von Wiesenburg ist liebevoll restauriert und floriert scheinbar. Zumindest das Zentrum. Direkt dahinter erwarten uns eingefallene Bauten, vernagelte Fenster, verlassene Höfe. Alles wie immer: Während die Großstädte immer weiter wachsen, schrumpfen die Dörfer drumherum.
Nur die Mauerreste unterhalb des Baumes geben Aufschluss: hier stand dereinst ein ganzes Dorf.
Vorbei an der Ruine von Elsholz führt uns der Wanderweg immer weiter durch die Wälder des Hohen Fläming. Einstmals soll es hier unzählige Dörfer und Ortschaften gegeben haben. Über die Jahrhunderte verlassen sind sie mittlerweile fast alle. Elsholz dient da nur als Beispiel. Die Fundamente einer kleinen Kirche mitten im Wald würde man glatt übersehen, so sehr hat die Natur ihre Fühler nach früherer Zivilisation ausgestreckt. Lediglich das Hinweisschild gibt Aufschluss und lädt zum Rätseln ein. Warum haben die Bewohner diesen Ort verlassen? Warum tun sie es heute?
Ich sage nur: Görzke. Mehr Worte verdient die Ortschaft leider nicht.
Dahinter nun: Görzke. Allein schon der Name sagt: geh weiter. Es ist spät am Mittag und uns plagt Hunger. Ein Ort dieser Größe sollte doch über eine Gastwirtschaft verfügen. Und tatsächlich: ein Hinweisschild stellt uns drei an der Zahl zur Aussicht. Wir klappern jede einzelne davon ab, nur um immer wieder zu erfahren, dass Mittwoch Ruhetag ist. Bei allen dreien. Lediglich der Bäcker am anderen Ende ist so freundlich und schmiert uns ein paar seiner Brötchen. Die sind wenigstens frisch. Der Käse, der sich hart an den Ecken aufrollt ist es leider nicht. Nein, hier gehen wir weiter. Gastfreundschaft sieht anders aus. Oder ist es tatsächlich zu viel verlangt, dass die drei Wirtschaften sich absprechen und nicht alle am gleichen Tag ruhen? Na, vielleicht ruhen sie ja gemeinsam. Oder miteinander. Wer weiß das schon…
Verstreut wie Maulwurfshügel liegen die Hütten im Schutz der Bäume
Aller Übellaunigkeit zum Trotz beginnt es auch noch zu regnen. Da die Übernachtungsmöglichkeiten in Görzke begrenzt sind und keine Zimmer mehr frei, wandern wir weiter und finden Unterschlupf im neun Kilometer entfernten Hohenspringe. Völlig durchnässt und klamm bis auf die Haut kommen wir als einzige Gäste im ehemaligen Ferienlager an. Wie Käfer ducken sich die Bungalows aus Holz inmitten eines Kiefernwaldes und versprühen Erinnerungen an meine sozialistische Kindheit. Das Schwimmbecken am Eingang ist leer, der umgebende Zaun mindestens 50 Jahre alt und der Betreiber heilfroh, dass wir zwar spät (es dunkelt bereits) aber dennoch heil angekommen sind. Mehr als ein paar Wiener Würstchen mit Pommes kann er uns zwar nicht zubereiten, dafür hat er aber ein leckeres Schwarzbier auf Lager. Nach diesem Tag, der so glorreich begann und so trist und regnerisch endete, haben wir uns einen kleinen Rausch verdient. Übermüdet und geschafft quälen wir uns hungrig auf unser Lager und schlafen alsbald ein.
Unser luxuriöses Domizil für eine Nacht
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Auf dem Burgenwanderweg im Hohen Fläming – Tag 1
Auf dem Burgenwanderweg im Hohen Fläming – Tag 2
Auf dem Burgenwanderweg im Hohen Fläming – Tag 3
Auf dem Burgenwanderweg im Hohen Fläming – Tag 4
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