Auf das Bauchgefühl kommt es an

Auf das Bauchgefühl kommt es an

Der Schauspielerin Leonie Benesch wurde durch ihre Rolle als Eva in ‘Das weiße Band‘ ein großes Tor in die Welt der Filme geöffnet. Der Film wurde hoch gelobt, hat viele Preise gewinnen können und der Jungschauspielerin Ausflüge zu dem Filmfestspielen von Cannes oder auch zur Oscar-Verleihung nach Los Angeles ermöglicht. Filmtogo hatte die Gelegenheit sich mit Leonie Benesch zu Treffen und sich über ihre Filmkarriere und über ihren neuesten Film ‘Satte Farben vor Schwarz‘ (hier findet ihr das Interview, das filmtogo mit Regisseurin Sophie Heldman führte) zu unterhalten.

filmtogo: Dein neuester Film ist ‚Satte Farben vor Schwarz‘. Wie war das für dich? Da ist dieses ältere Paar, gespielt von Senta Berger und Bruno Ganz, die sich dann gemeinsam für den Freitod entscheiden. Hat man aus einer jüngeren Sichtweise überhaupt einen Zugang zu einer solchen Thematik?

Benesch: Ich habe das Drehbuch bekommen und gelesen. Bei Drehbüchern ist es meistens so, dass entweder ein gutes Bauchgefühl da ist oder es ist nicht da. Ich glaube nicht, dass ich mir mit meinen 19 Jahren anmaßen kann, diese Thematik zu beurteilen. Das ist eine Entscheidung, die aus dem langen, gemeinsamen Miteinander gefällt wird. Ich bewundere den Mut der beiden. Ich Moment würde ich sagen, dass ich es auf keinen Fall so machen würde. Aber das sage ich jetzt mit 19 Jahren. Das kann sich in zwei Monaten geändert haben. Ich fand diesen Ansatz sehr interessant. Deswegen wollte ich auch unbedingt bei dem Film mitmachen.

filmtogo: Waren da noch mehr Aspekte für dich interessant? Was hat dich nach dem Lesen des Drehbuchs dazu bewegt zu sagen, dass du unbedingt dabei sein willst?

Benesch: Erst einmal natürlich die Zusammenarbeit mit Senta Berger und Bruno Ganz. Wie oft bekommt man schon eine solche Chance? Das war ausschlaggebend. Und dann natürlich dieses Bauchgefühl. Es war gut. Dann habe ich mich mit der Regisseurin Sophie Heldman getroffen. Als Schauspieler übergibt man sich den Händen des Regisseurs. Man muss darauf vertrauen, dass der oder die weiß, was sie machen. Ich habe das nicht rational entschieden, sondern aus dem Bauch heraus. Es hat sich gut angefühlt und darum habe ich es gemacht.

filmtogo: Gab es Unterschiede in der Arbeitsweise bei Michael Haneke, mit dem du für ‚Das weiße Band‘ zusammengearbeitet hast und bei Sophie Heldman mit ‚Zarte Farben vor Schwarz‘? Auf der einen Seite der erfahrene Haneke, auf der anderen Seite Sophie Heldman mit ihrem Spielfilm-Debut.

Benesch: Die beiden sind überhaupt nicht zu vergleichen. Haneke macht das seit Jahrzehnten. Der weiß ganz genau was er will. Seine Drehbücher sind dreimal so dick wie alle anderen, weil er sich schon alles vorgezeichnet hat. Sophie ist noch viel mehr am Suchen und viel mehr am Ausprobieren. Die beiden sind also komplett verschieden. Haneke wusste schon ganz genau wie es am Ende sein soll und Sophie hat viel mehr versucht herauszufinden wohin es gehen soll. Also es ist wirklich überhaupt nicht miteinander zu vergleichen.

filmtogo: Mit deinen 19 Jahren bist du schon ganz schön weit gekommen. Aber wo war dein Anfang, wie sah bei dir der Start mit der Schauspielerei aus?

Benesch: Ich war zwölf oder dreizehn Jahre als. Eben das Alter, wo jedes Mädchen Sängerin, Schauspielerin oder Tänzerin werden möchte. Ich wollte es einfach unbedingt machen. Da war ich noch in Bielefeld auf der Waldorf-Schule. Paula Kalenberg war auch auf dieser Schule. Sie hat damals schon in Filmen mitgespielt. Irgendwann habe ich mir ein Herz gefasst und sie gefragt, wie sie es gemacht hat. Dann habe ich mich bei einer Agentur beworben, die mich zum Vorsprechen einlud. Daraufhin wurde ich in die Agentur aufgenommen. Ich hatte ein paar Castings, die mich aber nicht sehr ansprachen. Irgendwann habe ich die ganze Sache dann auch abgeschrieben. Dann zogen wir nach Tübingen und Film war kein Thema mehr für mich. Dann kam jedoch die Anfrage für ‚Das weiße Band‘. Das war das allererste Mal, dass ein Casting mir Spaß gemacht hat. Vielleicht ist Spaß auch der falsche Begriff. Es war zwei Stunden befriedigende Arbeit. Man hat sich etwas erarbeitet. Es war kein Herunterrattern von Text, sondern wirklich Arbeit. Dafür konnte ich mich begeistern. “Das weiße Band‘ hat mehr oder weniger alles ins Rollen gebracht.

filmtogo: Wie war dann hinterher das Gefühl? Als ‚Das weiße Band‘ abgedreht war und überall präsentiert und prämiert wurde? Wenn man dann auf einmal in Cannes oder bei der Oscar Verleihung steht? Wie sehr ist man davon überwältigt?

Benesch: Ich sollte eigentlich gar nicht in Cannes sein, weil wir zu dem Zeitpunkt ‚Satte Farben vor Schwarz‘ gedreht haben. Aber eine Woche vorher wurde ein Drehtag verschoben. Da hingen 200 Komparsen und sämtliche Schauspieler dran. So etwas zu verschieben kostet Geld. Aber es wurde gemacht. Und dann wusste ich eben erst eine Woche vorher, dass ich nach Cannes gehe. Ich bin in meinem Leben vorher nie in hohen Schuhen gestanden. Ich habe nie besonders viel Geld für Klamotten ausgegeben. Das musste ich auf einmal aber alles machen. Wir haben am Abend vorher noch gedreht. Ich bin also total verschlafen nach Cannes gekommen. Das Flugzeug war auch noch ein wenig zu spät. Und dann kam ich in so ein Bomben-Hotel. Ich kam mir vor wie im falschen Film. Es war überwältigend und für mich kaum fassbar. Es gab einen Fotocall, eine Pressekonferenz und Interviews. Ich hatte keine Ahnung, wie ich damit umgehen sollte. Am nächsten Tag bin ich dann zurückgeflogen und musste mich erstmal wieder zurechtfinden und fangen. Mittlerweile ist es aber in Ordnung. Ich kann mit der Öffentlichkeit irgendwie umgehen. Aber ich wurde wirklich ins eiskalte Wasser geworfen. Es war meine allererste Premiere überhaupt. Bei den Oscars zu sein ist natürlich der absolute Wahnsinn. Wenn ich überlege, wohin ich überall gekommen bin dank des weißen Bandes. Aber ich habe dazu eine gewisse Distanz entwickelt. Natürlich muss man es ernst nehmen, aber man darf diese Öffentlichkeit auf keinen Fall mit seinem privaten Selbstbewusstsein in Verbindung bringen.

filmtogo: Wie sieht es bei dir mit der Schule aus? Wie vereinbarst du die Situation mit Schauspielerei und Schule?

Benesch: Ich habe gerade alles abgeblasen, weil ich in sieben Wochen Abi-Prüfung habe.

filmtogo: Und danach? Gibt es schon neue Drehbücher, die du am Lesen bist oder Filmprojekte in denen du involviert bist?

Benesch: Im Moment bin ich in ‚Satte Farben vor Schwarz‘ zu sehen, sonst gibt es erst einmal nichts. Ich habe wirklich nichts mehr gemacht. Schule und Film sind wirklich zwei verschiedene Welten, die ich nicht länger zusammen bewältigen kann. Das will ich jetzt auch gar nicht mehr ausprobieren. Ich mache jetzt mein Abi und dann sehe ich weiter. Ich habe Drehbücher zu Hause liegen, die zum Teil noch nicht finanziert sind und wo dann eventuell noch Castings anstehen. Aber wie gesagt, bis Juni ist das jetzt sowieso erst einmal kein Thema.

Das Interview führte Denis Sasse

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