Es ist vor Weihnachten (ist es nicht, aber da habe ich den Artikel angefangen). Ich war einen Monat auf Reisen. Ich habe einen Stapel Bücher durch, und fast alle habe ich gemocht. Ich habe Gedanken angestaut. In meinem Postfach fand ich bei meiner Rückkehr seltsamerweise eine Handvoll Werbeanfragen – ich habe alle abgelehnt, denn ich will nichts produzieren müssen. Denn: alles, was Ihr hier lest, soll von Herzen kommen.
Fast zwei Jahre gibt es die Axt, und ich muss gestehen: es fällt mir oft schwer, dem Netz zu genügen. Manchmal braucht mein Kopf Pausen, und so mancher Auftrag in meinem Hauptberuf (ja, den gibt es) geht an meine Grenzen. Dennoch, allen, die hier noch mitlesen, möchte ich sagen: es geht weiter bei der Axt. Manchmal geht es langsam, manchmal ist sie uninspiriert, manchmal ratlos. Aber es geht weiter. Vielleicht eher in analogem Tempo. Whatever.
Statt sentimental zu werden, lege ich Euch lieber Die Frau des Zeitreisenden von Audrey Niffenegger ans Herz. Der Roman wurde vor nicht allzu langer Zeit verfilmt, allerdings habe ich den Film nicht angeschaut und beziehe mich ausschließlich auf das Buch.
So ganz vorneweg und unintellektuell – wer gerade diese melancholische Wintersehnsucht da drinnen spürt, kann sich der Frau des Zeitreisenden kaum entziehen. Wer jemals heftig vermisst hat, geträumt und geliebt hat, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit während der Lektüre seinen Verstand in eine Kammer sperren und sich hemmungslos dem Kitsch hingeben wollen. Kitsch ist natürlich ein böses Wort für so einen zarten Roman; dennoch muss ich hier anmerken, dass man liebesmäßig schon ein Idealist sein sollte, um die Story so richtig genießen zu können.
Das unwiderstehliche Sujet des Seelenverwandten packt also diejenigen von uns im Nacken, die nicht aufhören wollen, von der einen, der wirklich großen und unvergänglichen Liebe zu träumen. Was soll's, manchmal will man sowas, und Audrey Niffenegger macht das fabelhaft.
Und darum geht es: Henry DeTamble hat einen unkontrollierbaren Gendefekt, der ihn zwingt, spontan durch die Zeit zu reisen. Auf diesen Zeitreisen begegnet er der sechsjährigen Clare, der zukünftigen Frau seines späteren Ichs. Die verschiedenen Versionen von Henry besuchen die heranwachsende Clare immer wieder auf seinen Zeitreisen, denn sein gegenwärtiges Unterbewusstsein scheint ihn zuverlässig dorthin zurück zu schicken. Weil Henry ja weiß, was in der Zukunft passieren wird, verrät er Clare zu ihrem eigenen Schutz kaum etwas von sich – und doch ist er es, der letztendlich ihre erste "erwachsene" Begegnung völlig unbedarft erlebt. Denn der Henry, dem die mittlerweile erwachsene Clare in einer Bibliothek begegnet, hat seine erste Zeitreise zu ihr noch gar nicht erlebt, während Clare Henry schon fast ihr ganzes Leben lang kennt.
Ob man Liebesgeschichten nun mag oder nicht – Die Frau des Zeitreisenden ist eine wirklich tolle, konsequent umgesetzte Idee. Und ich glaube, dass auch Realisten an dieser unkonventionellen boy-meets-girl-story Gefallen finden werden. Denn Audrey Niffenegger verknüpft die Vielzahl an Zeitfäden geschickt miteinander und bemüht sich merklich um Klischeevermeidung (davon abgesehen, dass die schicksalhafte Liebe als solches schon eines ist; aber wir sind ja hier nicht bei der Financial Times).
Ein toller Roman für einen melancholischen Nachmittag mit Tee und Keksen, wenn der Partner gerade auf Reisen ist und von uns vermisst wird. Und wer gar keinen Partner hat, kann sich bei der Lektüre wunderbar vorstellen, dass der zukünftige Liebste jeden Moment aus der Zukunft anreisen könnte. Ist ja auch nicht schlecht.
Dieser Artikel ist übrigens für Kristina, die mir neulich ein wenig Motivation abgab.