25.1.2012 – Verfassungsschutz und Innenministerium rechtfertigen die Überwachung der Linkspartei unter anderem damit, dass hierbei keine nachrichtendienstlichen Mittel zum Einsatz kämen. Bundesinnenminister Friedrich bestätigte dies am Dienstag im ZDF Morgenmagazin und betonte, es handle sich ausschließlich um die Beobachtung öffentlich zugänglicher Quellen. Dieser Darstellung widerspricht allerdings das Statement eines niedersächsischen Verfassungsschützers.
Hans-Werner Wargel, Präsident des Verfassungsschutzes in Niedersachsen, räumte in einem Interview mit radiobremen ein, dass die Überwachung über eine reine Beobachtung hinausgeht.
Glaubwürdigkeit und Vertrauen
Hans-Peter Friedrich ist nach dem Skandal um die Versäumnisse in Bezug auf die Zwickauer Nazi-Terrorzelle vor allem um Schadensbegrenzung bemüht. Die Glaubwürdigkeit von Politik und Behörden soll gestärkt, das Vertrauen der Menschen in den Verfassungsschutz wieder hergestellt werden.
Eigentlich müsste der Innenminister damit rechnen, dass man in dieser Situation jeden seiner Auftritte, jede Wortmeldung und jede Aktion aufmerksam und kritisch verfolgt. Voraussetzung für den Aufbau von Vertrauen ist die Integrität desjenigen, dem die Glaubwürdigkeit abhanden gekommen ist. Und die misst sich nun einmal an den Worten und den Taten der Beteiligten.
Am Donnerstag war Friedrich beim ZDF-Morgenmagazin zu Gast. Dort verteidigte er nicht nur die Überwachungspraxis der Verfassungsschützer gegenüber der Linkspartei sondern zog sogar eine Parallele zwischen den Linken und der rechtsextremen NPD. Für diese Aussage wurde der Innenminister bereits von vielen Seiten heftig kritisiert.
Vor allem betonte er aber, dass es sich nicht um eine Überwachung sondern lediglich um eine Beobachtung der betreffenden Abgeordneten handle:
„Es gibt erhebliche Hinweise, dass die Linke, die übrigens seit 95 vom Verfassungsschutz beobachtet wird, solche verfassungsfeindlichen Tendenzen hat. Und deswegen findet also auch eine Beobachtung, nicht Überwachung, sondern Beobachtung der Spitzen dieser Partei statt und das ist im Gesetz so vorgesehen und daran kann sich auch nichts ändern.“
Beobachtung oder Überwachung
Zum Unterscheidung: Während die „Beobachtung“ alleine auf öffentlich zugänglichen Informationen beruht, beispielsweise Reden im Parlament, Fernsehauftritte oder Presseinterviews, werden im Rahmen einer „Überwachung“ auch nachrichtendienstliche Mittel, also beispielsweise V-Leute und verdeckte Ermittler, Observationen, Bildaufzeichnungen, Mithören und Aufzeichnen von nicht öffentlich gesprochenen Worten, Überwachung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs oder die verdeckte Teilnahme an Kommunikationsvorgängen im Internet, genutzt.
Ebenfalls am Donnerstag hat die radiobremen Moderatorin Stefanie Pesch den Präsidenten des niedersächsischen Verfassungsschutzes, Hans-Werner Wargel, interviewt.
Auf die Frage, mit welchen Mitteln die Mitarbeiter der Behörde die Angehörigen der Linkspartei beobachtet und ob dabei ausschließlich öffentlich zugängliche Quellen genutzt würden, räumte Wargel ein:
„Nein, wir setzen punktuell auch nachrichtendienstliche Mittel ein, da bitte ich um Verständnis, dass ich das im Einzelnen nicht darlegen kann. Aber das haben wir auch immer so öffentlich gesagt, dass wir nicht nur mit offenen Mitteln beobachten.“
Diese Aussage steht in einem eklatanten Widerspruch zu dem, was der Bundesinnenminister am selben Tag öffentlich betont hat. Entweder ist Hans-Peter Friedrich nicht darüber informiert, was seine Kollegen in den Ländern tatsächlich tun oder er will der Öffentlichkeit das wahre Ausmaß der Überwachung vorenthalten.
Sollte es zutreffen, dass Friedrich nicht über die Arbeitsweise der Landesämter für Verfassungsschutz informiert ist, dann muss man sich ernsthaft fragen, was das Theater um die angebliche Optimierung der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern eigentlich soll. Die einzigen konkreten Maßnahmen, die der Minister bisher als Reaktion auf den Nazi-Terror ergriffen hat, sind der Aufbau des Gemeinsamen Abwehrzentrums gegen Rechtsextremismus (GAR) und die Intensivierung des Austauschs zwischen verschiedenen Behörden. Wenn dies nicht einmal dazu führt, dass Friedrich mit den Gepflogenheiten des niedersächsischen Verfassungsschutzes in Sachen Extremismus vertraut ist, dann kann es sich hierbei nur um publikumswirksamen Aktionismus handeln.
Weiß er allerdings von dieser Überwachungspraxis und hat sich lediglich dazu entschieden, dieses Wissen nicht öffentlich zu machen, dann ist dies wohl kaum der richtige Weg, um verlorenes Vertrauen wieder herzustellen. Der Minister würde dann erneut einen Anlass bieten, die Sinnhaftigkeit des Verfassungsschutzes und seine eigene Amtsbefähigung auf den Prüfstand zu stellen.
Es ist bereits skandalös und nicht hinnehmbar, dass eine Behörde, die für den Schutz unserer Grundrechte verantwortlich sein sollte, rechte Gewalttäter frei gewähren lässt und Menschen, die sich für Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit einsetzen, bespitzelt und kriminalisiert, um so die politische Pluralität zu Gunsten der etablierteren Parteien einzuschränken. Wenn aber der verantwortliche Bundesminister entweder nicht weiß, was in seinen Behörden abläuft oder sich weigert, öffentlich Transparenz herzustellen, dann ist die Grenze des Unzumutbaren deutlich überschritten.
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