Der Showdown ist eröffnet: Nach dem Start der neunten Staffel Deutschland sucht den Superstar (DSDS) am vergangenen Samstag, der mit 6,17 Millionen Zuschauern gemessen an eigenen Verhältnissen (im Vorjahr 1,3 Millionen mehr) eher schwach ausfiel, gibt es in dieser Woche die volle Castingdröhnung. Das bisherige RTL-Zugpferd eröffnete gestern Abend mit seiner zweiten Folge. Heute zieht Unser Star für Baku auf Pro7 nach und am Freitag gibt es eine weitere Liveshow von The Voice of Germany, ebenfalls auf Pro7. Wer dabei das Nachsehen haben wird, bleibt abzuwarten.
Die Bandbreite dessen, was Castingshows zeigen können, dürfte die Mischung in jedem Fall abdecken. Während The Voice bisher mit hoher gesanglicher Qualität punktet und auf Verbalattacken à la Bohlen verzichtet, sondern vermeintliche Schimpfwörter wie «unfuckingfassbar» sogar als Lob kultiviert und damit viele Fans begeistert, setzt DSDS auf Altbewährtes. Nämlich: talentfreie Kandidaten, derbe Sprüche und ein paar wenige annehmbare Sängerinnen und Sänger, die für die späteren Liveshows noch ein möglichst storyträchtiges Image verpasst bekommen.
All das unterscheidet das Format von der neuen Konkurrenz, die von Anfang an auf klare Ausfallkandidaten und Peinlichkeiten verzichtet. Und das ist auch gut so, denn all das kennt man eben auch schon zur Genüge. Deshalb ist die Statistik der zweiten DSDS-Folge der aktuellen Staffel nicht nur eindeutig, sondern zudem ein wenig ermüdend: Von neun Kandidaten schaffen es drei eine Runde weiter, einer von ihnen sogar nur aus Mitleid. Denn die 16-jährige Angel Burjansky ist zwar «ein süßes Ding», wie ihr die Jury bescheinigt. Süß könnte man allerdings auch ihre Stimme nennen.
Sie singt Can’t Fight The Moonlight (LeAnn Rimes) eher mittelprächtig. Bruce Darnell und Natalie Horler erkennen zu Recht, dass Angel noch zu jung ist und es im Recall schwer haben würde. Zu ehrlich für die Kleine: Sie bricht in Tränen aus. Ein zweiter Versuch mit Yvonne Catterfelds Für dich soll’s richten. Der fällt besser, aber eigentlich immer noch nicht recallwürdig aus. Doch Chefjuror Dieter Bohlen erfüllt das Klischee «harte Schale, weicher Kern» und drückt Angel den berühmten gelben Zettel für die nächste Runde in die Hand. «Ich halt’ das einfach nicht mehr aus», so sein Kommentar.
Fremdschämen garantiert
Tränen helfen also, rehbraune Augen auch. Und außerdem hat die 16-Jährige seit acht Jahren darauf gewartet, endlich am Casting teilnehmen zu können, praktisch ihr halbes Leben. Das rechtfertigt in Bohlens Augen ein Weiterkommen. Auf den nächsten Heulkrampf im Recall! In diesen sind neben Angel die Schweizer Jesse-Ritch Kama-Kalonji (19) mit «Kuschelrockstimme» und Patrick Rouiller (23) mit einer Gitarrenversion von Lady Gagas Pokerface eingezogen. Die restlichen Superstar-Bewerber dieser Sendung kann man unter dem Phänomen verbuchen, das Jury-Mitglied Horler so beschreibt: «Es ist wie ein Unfall auf der Autobahn und man kann nicht wegschauen.»
Sie sagt das zu Möchtegern-Gigolo Patrick Kohlmann, der die Jury schwindelig tanzen und singen will und es mit seiner Version von Freaky Like Me (Madcon) auch irgendwie schafft. Das ist kein Kompliment! Als er dreimal Nein kassiert, feuert Patrick zurück: «Die haben keine Ahnung.» Seine weiteren Verbalentgleisungen sollen an dieser Stelle nicht wiederholt werden. Nur so viel: Nicht nur Bohlen kann pöbeln. Der kommentiert die in ihrer Grausamkeit kaum zu beschreibende Darbietung von Felix Fuchs (21) mit: «Wenn das Wetter draußen so wär’ wie deine Stimme, dann würde es Scheiße regnen.» Nikolai Dax (20) und seine Version von Westlifes You Raise Me Up schickt er unters Parkett, während der Poptitan seine eigenen Qualitäten in die Stratosphäre erhebt.
So kommt am ehesten Sprücheklopfer Bohlen bei DSDS auf seine Kosten. Für die Zuschauer bleibt der Fremdscham, der sich – hat man auch nur eine Folge von The Voice gesehen – im Vergleich noch schlimmer anfühlt als je zuvor. Noch nie war man für Kandidaten, die einigermaßen geradeaus singen können und so eine Verschnaufpause vom befremdlichen Skurrilitätenzirkus ermöglichen, so dankbar. Und noch nie hat man sich öfter gefragt, warum jene, die es eben nicht können, sich überhaupt vor den Bildschirm trauen. Denn allein mit Selbstüberschätzung ist so mancher Auftritt nicht mehr zu erklären. Insofern bleibt sich die Show treuer denn je. Ob es das auch für die Fans gilt, wird sich zeigen.
Hier gibt es die zweite Folge von DSDS zum Nachschauen.
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«DSDS» – Auch Dieter Bohlen hat ein Herz
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