Auch Dein Herz kann zu einer Perle werden!

Von Wernerbremen


Ihr Lieben,
heute Abend möchte ich Euch eine Geschichte von Friedel Markgraf erzählen:

„Die Perle“

„Eines Morgens stürzte von den Blättern eines Baumes ein besonders großer Tautropfen kopfüber ins Meer. Die vielen Wellen rissen ihn mit sich. Verzweifelt versuchte er, sich zu befreien. Jeden Augenblick glaubte er, sich auflösen zu müssen.

www.geo.de

Da hörte er eine Stimme: „Rasch – komm in mein Haus“ Dort bist Du sicher!“Blindlings folgte er dem rettenden Rat – alsbald schlossen sich hinter ihm die Schalen einer Muschel. Zuerst atmete er dankbar auf.
Aber langsam begriff er: „Ich bin hier zwar sicher, aber nicht mehr frei. Vielleicht werde ich nie mehr im Licht der Sonne in allen Regenbogenfarben leuchten!“

Schließlich vertraute er seinen Kummer seiner freundlichen Wirtin mit.
Da sagte die weise alte Muschel zu ihm:
Wenn Du Dich trotzig gegen Dein Schicksal sperrst, wirst Du immer ohnmächtig Schmerz empfinden. Wenn Du es aber annimmst und geduldig bist, wird es Dir leichter ums Herz sein.

Und geheimnisvoll fügte sie hinzu:
„Dann wirst Du von innen her immer fester werden. Eines Tages wirst Du tausendmal mehr sein, als Du warst, ehe Du stürztest!“
Der Tautropfen seufzte.
Aber er war bereit, diese Lehre zu befolgen, die er nicht ganz verstand.
Er lebte von jetzt an still und ohne Klage, ganz in sich gekehrt in seinem Muschelhaus.
Und richtig: Er fühlte erstaunt, dass etwas in ihm wuchs und wuchs und ihm viel Kraft gab.
Erfreut dachte er: „Lebe wohl, was gestern war – das Heute kann nicht ewig dauern – vielleicht beginnt einmal mein großes Morgen!

Eines Tages sah er von der spaltbreit geöffneten Muschel aus etwas wie eine große, weiße Blüte im Wasser treiben. Es war aber keine Blume, sondern die Hand einer Perlentaucherin, welche die Muschel mit vielen anderen vom Fels pflückte.

Bald lagen sie ausgebreitet auf einem Tuch am Strand und die geübten Hände der Mädchen brachen eine nach der anderen vorsichtig auf.

Plötzlich rief eine von ihnen entzückt: „Oh, seht – ich habe eine vollkommen schöne Perle gefunden! Sie sieht aus wie ein Tautropfen und schimmert in allen Regenbogenfarben. Die ist sicher ein Vermögen wert.“

www.hna.de

Alle blickten auf ihre Hand, auf der die kostbare Perle wie auf einem Lotusblatt ruhte.
Die Perle, die am Anfang nicht mehr gewesen war als ein vergänglicher Tropfen Wasser unter Tausenden anderen Wassertropfen.


Ihr Lieben,

Als ich als Kind und Jugendlicher sexuell missbraucht und mit brutaler Gewalt misshandelt wurde, da spürte ich oft nichts anderes in mir als ohnmächtigen Zorn, überschäumende Wut und abgrundtiefen Hass.
Und hätte ich damals auch nur die Möglichkeit gehabt, mich an den Tätern rächen zu können, so weiß ich nicht, wie mein Leben geendet wäre.

Als ich dann meinem Jugendfreund Hans-Christoph und seiner Familie begegnete, haben diese mich nicht in meinem Zorn, meiner Wut und meinem Hass bestärkt.
Wenn sie das getan hätten, hätten mich der Zorn, die Wut und der Hass auf Dauer innerlich völlig zerfressen.

Die äußeren Umstände konnten sie nicht ändern, das hatte mit den Umständen der damaligen Zeit zu tun. So taten sie das Beste, was sie damals tun konnten:
Sie zündeten in mir ein Licht an, das Licht der Freude,
das Licht der Liebe, das Licht der Zuversicht und der Hoffnung.

Sie versprachen mir nicht, dass gleich Morgen alles besser werden würde, aber sie pflanzten in mich die Gewissheit, dass eines fernen Tages mein Leid zu Ende sein würde und dass dann die Liebe, die Freude und die Hoffnung in meinem Leben in meinem Leben siegen würden und mein Leben hell und licht machen würden.

Ich war froh, dass ich bei der Familie meines Freundes immer wieder Zeiten des Friedens, der Freude genießen durfte und vor allem ein riesiges Maß an Liebe geschenkt bekam.

Zunächst glaubte ich nicht, dass das Feuer der Liebe, der Freude und der Hoffnung mich verwandeln würden, denn jedes Mal, wenn ich wieder auf das Schlimmste gedemütigt und misshandelt wurde, fühlte ich nichts als ohnmächtige Wut und abgrundtiefen Hass.

Aber je länger diese wunderbaren Menschen mir ihre Liebe schenkten und je treuer sie das Licht der Liebe, der Freude und der Hoffnung in mir entzündeten, desto mehr merkte ich, dass neben dem Hass, der Wut und dem Zorn trotz allem Missbrauch, trotz aller Gewalt etwas Neues in mir wuchs: Liebe, Hoffnung, Freude.

Ich wünsche Euch allen die Geduld des Tautropfens.
Wenn wir dem Leben eine Chance geben und daran glauben, dass unser Leid, unsere Verzweiflung, unsere Schwierigkeiten eines Tages zu Ende sein werden, dann wird unser Herz verwandelt werden in eine Perle, in eine Perle aus Liebe, aus Freude, aus Hoffnung.

Ich wünsche Euch nun eine gute Nacht und grüße Euch herzlich aus Bremen

Euer fröhlicher Werner

Quelle: Karin Heringshausen