(Photo: MarcelG)
In der Frage der Atomenergie sind die Deutschen tief gespalten. Je zur Hälfte befürworten sie sie bzw. lehnen sie sie ab.
Das hängt aber weniger mit der Angst vor einem Kraftwerksstörfall zusammen, als vielmehr mit der Entsorgungsfrage. Der Bayerische Rundfunkt sendete vergangene Woche ein Feature, in dem auch folgendes Umfrageergebnis genannt wurde: Unter der Voraussetzung, dass die Entsorgungsfrage gelöst wäre, wären zwei Drittel der Deutschen für die weitere Nutzung der Kernenergie.
Das kann man auch so lesen: In das Verantwortungsbewusstsein und Fähigkeiten der Ingenieure, die sichere Kraftwerke entwickeln und bauen sollen, haben die meisten Deutschen vertrauen. In die (noch schwarz-gelbe) Regierung, die Verträge mit den Kraftwerksbetreibern verhandelt und die ein Endlager für den Atommüll suchen soll, dagegen nicht.
Die Art und Weise, wie vier Großkonzerne bei der Bundesregierung die Durchsetzung ihrer Geschäftsinteressen betrieben haben, hat am Samstag 100.000 Bürger nach Berlin mobilisiert. Das sind so viele wie 1986 am AKW-Standort der PreussenElektra in Brokdorf. Energieversorger stehen damit in der Ansehensrangliste leider wieder auf einem Abstiegsplatz, gerade noch vor den Banken. In dreißig Jahren haben sie nichts dazu gelernt.
Asse II hat zwei Erkenntnisse zu Tage gefördert:
Erstens kann man Direktabsprachen zwischen konservativen Politikern und Energiemanagern nicht trauen. Niedersachsens MInisterpräsident Ernst Albrecht (CDU) und seine Wirtschaftsministerin Birgit Breuel, die später auch Aufsichtsrat bei PreussenElektra wurde, haben Anfang der Achtziger Jahre Sicherheitsanforderungen und das neue Atomgesetz bedenkenlos vom Tisch gewischt und aus wirtschaftspolitischen Gründen Gorleben, Schacht Konrad und als Versuchslager die Asse vorangetrieben. Außerdem wurde geschlampt oder bewusst verschleiert bei der Dokumentation der Endlagerung. Es sind zehnmal so viele Fässer eingelagert worden und diese zum Teil mit der zehnfachen Radioaktivität und somit auch Wärmeentwicklung, wie dokumentiert worden ist.
Aus dem Skandal Asse II folgt zweitens eine neue Anforderung an Endlager: Die Rückholbarkeit des Mülls, für den Fall, dass wieder Lug und Betrug im Umgang mit Atommüll aufgedeckt wird.
Die Fässer in der Asse strahlen und geben Wärme ab. Die Strahlung durchlöchert buchstäblich die Fasswände und die Wärme sorgt für Ausdehnungen, Verformungen und Rissbildungen im Salzstock. Von Dichtigkeit kann da keine Rede mehr sein. Grundwasserein- und -austritte haben den Stollen destabilisiert, es droht der Einsturz. Von Rückholbarkeit kann deshalb bald auch keine Rede mehr sein. Deshalb bemüht man sich jetzt, die Fässer schnell wieder rauszuholen. Das wird aber mindestens bis etwa zur nächsten Bundestagswahl dauern. Danach soll der Müll im Schacht Konrad eingelagert werden. Ein waghalsiges Projekt.
Ein Endlager für den hochradioaktiven Atommüll muss die Anforderung erfüllen, für ca. 1 Mio. Jahre gefährliche Stoffe sicher zu verschließen. 23.000 Tonnen, 30.000 Kubikmeter hochradioaktiver Atommüll warten nach den Laufzeitenden der deutschen AKW auf Endlagerung
Es kommen drei Gesteinsarten für ein Endlager in Frage: Salz (Asse, Gorleben), Ton und Granit.
Salz leitet Wärme ab, ist aber wasserlöslich und fließt. Die Idee war mal, dass die Fliesseigenschaften dazu führen werden, dass sich das Salz um die Fässer schließen würde und damit die Wärme um so besser ableiten würde. Asse II zeigt aber, dass diese Eigenschaften die Rückholung erschweren. Salz scheint also den heutigen Sicherheitssanforderungen nicht zu genügen. Es braucht härteres Material. Z.B. Ton oder Granit. Und davon gibt es in Süddeutschland reichlich: Tonschichten haben wir zwischen der schwäbischen Alb und München, sowie Niedersachsen. Granit haben wir unterm Schwarzwald und unterm Bayerischen Wald. Wie gut sich diese Gesteinsarten eignen, darüber will bald die EU etwas berichten.
Wir wissen aus dem Fall Asse empirisch, welche Fehler und falschen Annahmen bei einer so sensiblen Aufgabe wie der Atommüllendlagerung gemacht werden. Wir brauchen also empirische Ergebnisse auch mit anderen Gesteinsarten.
Bevor also Schwarz-Gelb durchregiert und Gorleben unabhängig von dessen Eignung einfach per Erlass zum Endlager bestimmt und dies obendrein mit Enteignungen durchsetzt, sollten vernünftigerweise Endlagerstandorte in Süddeutschland erkundet werden. Süddeutschland als Standort für Atomkraftwerksentwicklung und als Betriebsstandort mehrerer AKW, also als Hauptnutznießer der Atomenergienutzung sollte sowieso als Standort vorrangig untersucht werden.
CDU und FDP haben den von Rot-Grün mühsam errungenen Atomkompromiss in einer undurchsichtigen Aktion revidiert, weil die Energiemanager das von ihnen verlangt haben. Damit ist jedes Vertrauen in diese Bundesregierung wie in einem eingestürzten Stollen verschütt gegangen. Das blockiert die Lösung der unendlichen Geschichte auf unabsehbare Zeit. Der Deal hat den Charakter, ein ohnehin unlösbares Problem einfach noch ein bisschen größer zu machen, als käme es darauf nun auch nicht mehr an. Das nur, damit die Energiemanager während ihrer begrenzten Amtszeiten ihren Aktionären ein paar mehr Earnings per Share präsentieren können. Auf unser aller Kosten und unserer Nachfahren.
Das ist stillos, das ist verantwortungslos und undemokratische ist es auch, und deshalb nur mit einer schwarz-gelben, ausschließlich sich ihren Klienten verpflichtet fühlenden Regierung machbar. Die kurze Gelegenheit dazu haben sie genutzt.
Meiner Meinung nach kann man sich wissenschaftliche Arbeiten schenken, da klar ist, dass man Politikern, die über Endlagerstandorte entscheiden und den Behörden, die Endlager überwachen, nicht trauen kann.
Vielleicht werden sich die Regierungen und Kraftwerksbetreiber irgendwann zu Lasten dritter Länder einigen, die der EU ein Angebot machen. Autoritär-kapitalistische Regime wären da vorstellbar. Aber auch das wäre innenpolitisch schwierig durchzusetzen, weil moralisch fragwürdig.
Die nächsten Castortransporte wird es im November geben. Massive Demonstrationen sind schon jetzt garantiert.